Mannheim. Es ist eher ungewöhnlich, dass man unfreiwillig ein Schäferstündchen durch das Nachbarfenster beobachtet. Noch ungewöhnlicher ist es, wenn man auf einmal live und in Farbe sieht, dass im Nachbarhaus kurzzeitig ein prostitutionsähnliches Etablissement entstanden ist.
In einer Wohnung in der Neckarstadt-Ost, die über das Online-Vermietungsportal Airbnb angeboten wird, sind jüngst Sexarbeiterinnen ihrem Geschäft nachgegangen - und von der Polizei hops genommen worden.

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Als während des Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie Prostitution als körpernahe Dienstleistung verboten ist und die Bordelle in der Lupinenstraße und überall in Deutschland geschlossen sind, fällt einer Frau in der Neckarstadt-Ost eine Gruppe von fünf Männern auf, die auf dem Gehweg vor einem Haus steht. „Die waren ziemlich laut, darum fiel das auf“, berichtet sie im Gespräch mit dem „MM“.
Die Männer seien dann nacheinander in das Wohnhaus gegangen, wo sie im Dachgeschoss von zwei Frauen empfangen wurden. „Von meinem Fenster aus konnte ich alles sehen, von der Geldübergabe über die sexuelle Handlung, bis schließlich die Frau in einem Bademantel aus meinem Blickfeld verschwand, wiederkam und der nächste Mann das Haus betrat“, sagt die Frau, die in der direkten Nachbarschaft wohnt.
Anwohnerin rief die Polizei
Die Polizei, die sie ruft, kommt an diesem Abend nicht mehr. Die Sexarbeiterinnen verlassen die Wohnung und tauchen vorerst nicht wieder auf, schildert die Zeugin. Dafür sieht sie ab und zu einen - wie sie sagt - zwielichtig aussehenden Mann aus dem Haus kommen, den sie als Zuhälter einordnet.
Der Anruf sei tatsächlich Anfang Oktober 2020 im Polizeirevier Neckarstadt eingegangen und an die Kriminalpolizeidirektion weitergeleitet worden, bestätigt die Pressestelle der Polizei. „Die genannte Wohnung war aufgrund eines Ermittlungsverfahrens bereits im Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution bekannt“, heißt es aus dem Polizeipräsidium weiter. Der Bereich Neckarstadt-Ost sei hinsichtlich der verbotenen Ausübung der Prostitution im innerstädtischen Bereich aber nicht auffällig.
Prostitution in Mannheimer Innenstadt
Prostitution findet entgegen landläufiger Vorstellung nicht nur im Mannheimer Rotlichtbezirk statt, sondern in vielen Bereichen des Stadtgebiets. Während des Corona-Lockdowns verlagert sich das Gewerbe laut mehrerer Medienberichte vermehrt in einen illegalen Bereich wie Ferien- und Airbnb-Wohnungen sowie Hotels. Geschätzt gehen mehr als 400 000 Prostituierte in Deutschland dem Geschäft illegal nach.
Astrid Fehrenbach, Leiterin der von der Stadt und dem Sozialministerium des Landes geförderten Prostituierten-Beratungsstelle Amalie, weist darauf hin, dass diese Frauen nicht angemeldet tätig seien, wie es das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 vorschreibt. Sie seien der behördlichen Kontrolle damit erst einmal entzogen. Das birgt allerdings für sie auch Gefahren, denn Gewalt sei in der Prostitution keine Ausnahme, so Fehrenbach: „Wir müssen davon ausgehen, dass ein großer Teil der Frauen dort nicht freiwillig tätig ist und sich auch Minderjährige unter ihnen befinden können.“ Aussagen darüber, das gesteht sie aber auch, seien sehr schwer zu treffen.
Anwohnerin beobachtet Frau in Handschellen
Zurück in die Neckarstadt-Ost: Im November dieses Jahres beziehen erneut zwei Frauen in der Wohnung ihr Quartier, die wieder über Airbnb vermietet wird. „Durch das Fenster konnte ich eine Frau in Handschellen mit zwei Männern sehen, die sie herumschubsten“, berichtet die Anwohnerin weiter. Sie befürchtet Schlimmeres und will erneut die Polizei rufen, als sie zwei Streifenwagen vor der Tür stehen sieht. Dann erkennt sie, dass die beiden Männer in der Wohnung gar keine Freier sind, sondern Polizisten in Zivil, die die Prostituierte kurz darauf in Handschellen abführen.
Vermieter der Ferienwohnung weiß von nichts
Auf die Nachfrage dieser Redaktion antwortet der Vermieter der Airbnb-Wohnung umgehend. Er habe erst am nächsten Tag erfahren, dass seine Gäste von der Polizei festgenommen worden seien. Er gehe davon aus, dass die Nachbarn die Polizei gerufen hätten. Selbst vernommen worden sei er nicht.
Er habe keine Ahnung gehabt, mit welcher Intention seine Gäste die Wohnung vom 9. bis 12. November gebucht hatten. „Ich habe bei der Buchung über Airbnb sogar ausschließlich ,für Kunden ohne vorherige negative Bewertung‘ eingestellt. Die Frau hatte keine negative Bewertung und wurde von Airbnb als identifiziert gezeigt. Deswegen habe ich die Buchungsanfrage bestätigt“, schreibt der Vermieter auf Anfrage dieser Redaktion.
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Im Jahr 2020, als sich der erste Vorfall ereignet hatte, habe ihm die Wohnung noch gar nicht gehört. Als er seinen Gast später fragt, was vorgefallen sei, habe die Mieterin behauptet, dass sie selbst die Polizei gerufen habe. „Zwei Leute kommen wie eine Polizei zur Tür, ich hatte Angst und ich rufe die Polizei, um zu kommen. Ich löse alles mit der Polizeiwache“, lautet die schriftliche Antwort der Mieterin in gebrochenem Deutsch, die der Vermieter dieser Redaktion zeigt.
Polizei überwacht Online-Portale der Prostituierten
Astrid Fehrenbach wünscht sich unterdessen von den Menschen mehr Sensibilität gegenüber dem Thema: Nicht ausschließlich die Frauen, die der Prostitution nachgehen, sollten im Fokus stehen, stigmatisiert oder ausgegrenzt werden. „Vielmehr müssen die Profiteure des Systems Prostitution, die an den Frauen verdienen, ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt werden. Und endlich die Freier.“
Die Wohnung, in der die Damen ihrem Geschäft nachgegangen sind, liegt nicht innerhalb des Sperrbezirks der Stadt. Grundsätzlich ist die Ausübung der Prostitution dort also erlaubt, sofern alle Regelungen und Vorschriften eingehalten werden. Das war offenbar aber nicht der Fall. Das Polizeipräsidium ermittelt und überprüft laut eigener Angaben regelmäßig Hinweise im Bereich der verbotenen Prostitution. Um Wohnungs- und Hotelprostitution aufzudecken, überwacht die Polizei auch die einschlägigen Internetseiten, in denen Prostituierte ihre Dienste anbieten.
In dem Wohnhaus kam es zum Polizeieinsatz, da zwei Frauen ohne eine gültige Anmeldebescheinigung der Prostitution nachgegangen sind. „Die kontrollierenden Polizeibeamten waren zuvor aufgrund ihres Monitorings der einschlägigen Internetportale auf die Damen aufmerksam geworden, weshalb es zu einer Überprüfung an deren Wohnanschrift gekommen ist“, heißt es aus dem Polizeipräsidium. Ihnen droht nun eine Geldstrafe.
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