Prostitution - Eine 35-jährige Frau aus Rumänien erzählt, wie und wo sie sich während des Lockdowns mit Freiern getroffen hat

Als Hotels zu Bordellen wurden: Prostituierte aus Region Rhein-Neckar über Corona-Zeit

Von 
Stephan Alfter
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Eine Sexarbeiterin sitzt in einem Studio. Durch Corona sind Prostituierte in graue Marktbereiche abgewandert. © Sebastian Gollnow

Rhein-Neckar. Es ist Montagmorgen, 10 Uhr. Nicht unbedingt eine Zeit, in der in Bordellen viele Höhepunkte gefeiert werden, aber in diesem Laufhaus in der Metropolregion wird schon gearbeitet. Wer den Eingangsbereich mit den Hygieneregeln und den Desinfektionsspendern hinter sich gelassen hat, dem steigt zunächst Parfümgeruch in die Nase. Gordana Radiciunu (Name von der Redaktion geändert) hat schon Termine an diesem Tag. Wir nehmen in einem Gemeinschaftsraum Platz. Sie kommt etwas später. Ihre Identität möchte sie nicht öffentlich preisgeben, aber sie ist bereit darüber zu reden, wie sie die langen Monate des Lockdowns seit November verbracht hat. Um einiges vorwegzunehmen: Die käufliche Liebe – sie war nicht weg. Sie war nur woanders.

35 Jahre ist Radiciunu alt. Die blonde Frau aus Rumänien, die an diesem Morgen ein ganz normales Kleid trägt, spricht nur gebrochen Deutsch. In den fünf Jahren, seit sie begonnen hat, als Prostituierte zu arbeiten, hat sie schon vieles gesehen. Italien, Spanien, Frankreich, Norwegen – in diversen europäischen Ländern hat sie ihren Körper gegen Geld angeboten. Das Land, in dem sie am liebsten arbeitet, ist Deutschland.

„In Norwegen verdienst du gut Geld, aber du bist dort illegal, also hast du nur Stress. Du weißt nicht, ob du bei der Polizei oder am Flughafen aufwachst. Hier sind wir wie eine Familie“, sagt sie über das Bordell, in dem wir uns treffen. Eine schlechte Phase sei das gewesen, diese Corona-Zeit. Vor allem der erste Lockdown. Damals seien viele Mädchen nach Hause gefahren. Auch sie bleibt immer nur wenige Wochen in Deutschland.

In Ludwigshafen eingemietet

Anders hat sich nach ihrer Darstellung der zweite Lockdown abgespielt. „Alles war quasi normal“, sagt Radiciunu, die in der Nähe von Bukarest in der Gastronomie gearbeitet hat, ehe sie einer Bekannten in die Sexarbeit folgte. Viele hätten in den vergangenen Monaten im privaten Bereich ihre Dienstleistungen in Hotels angeboten oder Appartements gemietet. Sie selbst sei beispielsweise öfter in Ludwigshafen im Hotel gewesen, um sich mit Freiern zu treffen. Nachdem sie Anzeigen in Online-Erotikportalen geschaltet habe, habe sie sich dort meist eine Woche eingemietet, auf Anrufe gewartet und Termine gemacht. An der Hotel-Rezeption sei es bekannt gewesen, was sie im Zimmer tue. Über Corona sei am Telefon mit Freiern jeweils kurz gesprochen worden.

„Ich wurde gefragt, ob ich geimpft bin. Und oft hatten genau die, die gefragt haben, keine Impfung.“ Sie habe die Männer dann gebeten, einen Test mitzubringen. Ohne Nachweis kein Geschlechtsverkehr.

Radiciunu weiß aber, dass viele ihrer Kolleginnen auch ohne negativen Test mit Männern geschlafen haben. Gleichwohl: Wie viele, so zweifelt auch die 35-Jährige an der Gefährlichkeit des Virus. „Ich kenne niemanden, der Corona hatte“, sagt sie. Angst habe sie aber vor anderen Dingen gehabt. Ein Bordell sei beispielsweise ein geschützter Raum für die Frauen, im Hotel sei man nie sicher, ob da ein Ermittler durch die Tür komme. Weil Sexarbeit in die Gruppe der körpernahen Dienstleistungen eingeordnet wurde, war sie seit November 2020 schlichtweg verboten. In Rheinland-Pfalz öffneten die Bordelle wieder Anfang Juli.

„Ich bin zufrieden“

Aus Polizeikreisen ist derweil zu hören, dass es keinen großen Kontrolldruck gegeben habe. Das hätte lediglich zu einer Verdrängung, aber nicht einem Ende der Prostitution geführt, so ein Beamter, der zu dem Thema gar nicht viel sagen möchte, weil es keine „Lage“ gegeben habe.

150 Euro nimmt Radiciunu pro Stunde. Drei bis vier Termine macht sie nach eigenen Angaben pro Tag. In Rumänien hat sie zwölf bis 16 Stunden gearbeitet und dabei deutlich schlechter verdient. „Sexarbeit ist kein Job für das ganze Leben, aber ich mache ihn gerne“, sagt sie.

Laura (Künstlername), eine Frau, die zwei Bordelle betreibt, verweist auf Nachfrage dieser Redaktion auf die Schwierigkeit, dass die Zeit des Lockdowns das Prostituiertenschutzgesetz „komplett ausgehebelt“ habe. Sie setzt sich seit längerer Zeit dafür ein, dass die Frauen unter sicheren Bedingungen mit einem Prostituiertenausweis arbeiten können. Eine feste Struktur mit Anmeldung und Steuernummer sei aber in die Brüche gegangen. Durch den Lockdown habe sich die Situation im grauen Markt so verfestigt, dass das Prostituiertenschutzgesetz eine gewisse Bedeutungslosigkeit erlangt habe. Das sei für sie natürlich ein Marktproblem, aber vor allem auch ein rechtlicher Aspekt.

Schließlich müsse sie in ihren Laufhäusern völlig transparent sein, während nun ein undurchsichtiges Feld ohne Hygienekonzept und ohne Kontrolle eines Impfausweises entstanden sei.

Ein generelles Ende will diesem Treiben seit Ende August die Frauen-Union machen: Der Sexkauf soll ihrer Vorstellung nach generell verboten werden. Gordana Radiciunu gefällt das nicht.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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