Mannheim. „Früher habe ich selbst viel schnelle Mode gekauft“, gibt Hannah Peper zu. In dieser Zeit studiert sie an der Mannheimer Universität BWL, arbeitet nebenher in einem Geschäft in der Innenstadt, das zu den Größten der Fast-Fashion-Industrie zählt: „Da kamen Pullover rein, die hingen drei oder vier Wochen. Dann wurden sie 50 Prozent reduziert, weil die nächste Kollektion kam.“ Die Wertschätzung gegenüber Produkten und Ressourcen sei in diesem Bereich extrem gering: „Dabei steckt in einem Teil so viel Arbeit, da habe ich mir gedacht, dass das anders werden muss“, erinnert sich Peper an die ersten Gedanken, eine eigene Firma zu gründen.
Schon immer übt Mode eine Faszination auf sie aus: „Sich mit Kleidung auszudrücken und vor allem wohlzufühlen und seine Persönlichkeit zu unterstreichen, dieser Wunsch war immer präsent.“ Doch die Inspiration, erzählt die 29-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion, bringt sie von ihrem Auslandssemester mit, das sie 2014 in New York absolviert. Bis sie mit Romana Eßlinger eine Freundin findet, die den Schritt zu einer eigenen Modefirma mitgehen will, vergehen zwar einige Jahre: „Aber die Zeit war wichtig, ich habe bei einer Design-Firma in der Schweiz gearbeitet, Erfahrung gesammelt, Netzwerke geknüpft.“

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Nach und nach gestaltet sie in dieser Phase auch ihr privates Leben immer nachhaltiger: „Aber gerade bei Mode ist mir aufgefallen, wie schwer das für mich war.“ Es sei nahezu unmöglich gewesen, Stücke zu finden, die kein Polyester, Elasthan oder Acryl enthielten. Beim Businessplan sei ihr und Eßlinger deshalb sofort klar gewesen, dass „wir kein weiteres nachhaltiges Label wollen, das einfach nur mit weniger Polyester und Bio-Baumwolle arbeitet“. Die beiden Frauen wollen komplett plastikfreie Kleidung herstellen - diese produzieren deutschlandweit bisher weniger als eine handvoll Unternehmen, so Peper. Zudem sollte die Mode kompostierbar sein, wenn sie nicht mehr getragen wird.
Viele arbeiten mit Polyester
Im Herbst 2021 geht ihre Firma Sonho Stories schließlich im Internet an den Start: „Vor allem die Produktion hat länger gedauert, als gedacht“, berichtet Peper. „Große Firmen fangen damit schon ein Jahr vorher an, man muss erst mal einen Platz in einer Produktionsfirma bekommen.“ In Portugal habe sie sich mit Eßlinger zehn Stätten angesehen: „Aber alle arbeiteten mit Nähten aus Polyester.“ Am Ende sei doch ein Kontakt zu einer Firma entstanden, die polyesterfrei arbeiten wollte. „Das war schwierig, denn Polyester wird gern verwendet, weil es so günstig ist.“
Ihre erste Kollektion finanzierten die Freundinnen über eine Crowdfunding-Kampagne, bei der Privatpersonen in die Idee investierten: „Da kamen 21 000 Euro zusammen. Damit, und mit eigenem Kapital, haben wir die ersten fünf Stücke hergestellt.“ Für Damen gibt es Bluse, Wollpullover, T-Shirt sowie Trägertop und für Männer und Frauen ein Sweatshirt - absolut plastikfrei: „Das war bei dem Top mit verstellbaren Trägern nicht einfach, es besteht aus biologisch abbaubaren Cupro-Fäden, einer veganen Seide.“ Auch bei der Bluse haben die Gründerinnen getüftelt, wie sie die Plastik-Knöpfe ersetzen können: „Sie sind aus südamerikanischen Corozo-Nüssen“, berichtet Peper. Für alle Nähte werden Garne aus Tencel verwendet, einem zellulosebasierten Stoff. Und beim Pullover aus 100 Prozent Merino-Wolle achteten die Frauen auf die höchstmögliche Zertifizierung unter Einhaltung spezieller Tierschutz-Kriterien: „Meist werden Wollpullis mit 30 bis 40 Prozent Acryl gestreckt. Die kann man nicht recyceln“, weiß Peper. Sie weist darauf hin, dass bei jeder Wäsche mit Synthetikkleidung rund 700 000 Mikroplastik-Partikel abgelöst werden, die Kläranlagen nicht filtern können und die ins Meer gelangen: „Da werden sie von Fischen aufgenommen.“
Fast und Slow Fashion
- Der Begriff Fast Fashion (schnelle Mode) steht in der Bekleidungsindustrie für ständig wechselnde Kollektionen, die zu niedrigen Preisen produziert und verkauft werden. Zwischen dem Entwurf und dem Verkauf liegen oft nur wenige Wochen.
- Fast-Fashion-Unternehmen beschäftigen stets große Modedesign-Abteilungen, die alle Trends beobachten und direkt passende Prototypen erstellen.
- Zu den weltweit größten Fast-Fashion-Unternehmen gehören beispielsweise Inditex (z.B. Zara, Massimo Dutti) oder H&M.
- Kritik an Fast Fashion gibt es vor allem wegen der kurzen Haltbarkeit der Kleidungsstücke, die in Niedriglohnländern bei hohem Ressourcenverbrauch sowie unter schwierigen Arbeitsbedingungen produziert werden und die Umwelt belasten.
- Um Kosten zu senken, wird in den Kleidungsstücken Polyester verarbeitet, eine günstige synthetische Chemiefaser.
- Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz können rund 35 Prozent des in Meeren vorhandenen Mikroplastiks auf Fast-Fashion-Produkte zurückgeführt werden. Die Umwelt-Organisation Greenpeace verweist darauf, dass die Herstellung dieser Kleidung mehr CO2-Emissionen verursacht als die Seeschifffahrt und Luftfahrt zusammen.
- Der Begriff Slow Fashion (langsame Mode) steht für das Gegenteil schnelllebiger Mode: Hier soll der Konsum verlangsamt werden, um bessere Bedingungen für Mensch und Natur zu schaffen. Die Modekollektionen wechseln nicht in wenigen Wochen, sondern wollen durch zeitlosen Schick überzeugen. Mode aus diesem Bereich ist deshalb teurer (ein Wollpulli kostet etwa 139 Euro, ein T-Shirt 45 Euro), dafür langlebiger. Produziert wird in kleineren Produktionsstätten, zudem werden Polyester bestmöglich vermieden.
- Die Gründerinnen verstehen Sonho Stories (www.sonhostories.com) darüber hinaus als Fair Fashion Label, also Unternehmen mit fair hergestellter Kleidung aus 100 Prozent reinen und naturbasierten Materialien ohne Plastik. Nach dem Tragen können die Stücke recycelt oder kompostiert werden. baum
Einen eigenen Laden hat das Duo noch nicht: „Das ist zu kostenintensiv, aber wir hatten kurzzeitige Pop-Up-Stores, das wollen wir demnächst auch wieder machen, in Mannheim“, kündigt Peper an. Ohnehin sei es „eine echte Herausforderung“, im Internet genügend Aufmerksamkeit zu bekommen. „Wir müssen mit ganz großen Namen konkurrieren. Jedes Unternehmen hat ja inzwischen Nachhaltigkeit irgendwo verankert." Dabei stehe bei vielen dieser Marken 100 Prozent (Bio-)Baumwolle im Etikett, obwohl das nicht so sei: „Mindestens die Nähte sind da aus Polyester, aber Firmen dürfen alle Anteile unter drei Prozent verschweigen“, sagt Peper.
Neue Kollektion im Mai
Derzeit arbeiten die Gründerinnen an der Entwicklung von Produkten mit natürlicher Färbung und einer Garantie der vollständigen Kompostierbarkeit auch der farbigen Stücke. Und an der neuen Kollektion, die Anfang Mai herauskommt. „Dann sind auch Hose, Leinenhemd und ein rückenfreies Kleid im Sortiment“, kündigt Peper an. Der Firmenname Sonho ist übrigens portugiesisch und bedeutet Traum, erklärt Peper. „Mit Sonho Stories leben wir unsere Traumgeschichte von einem Leben in Balance mit der Natur.“
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