Mannheim. Pizza mit Metallspänen, Fingernägel im Donut, Zigarettenkippe im Brotlaib – sie tauchten beispielhaft auf, als Christian Specht, Erster Bürgermeister, und Peer-Kai Schellenberger, Abteilungsleiter für Verbraucherschutz im Fachbereich Sicherheit und Ordnung, Einblicke in die Lebensmittelüberwachung gaben. Wenn sich Kontrollteams in Kneipen, Kantinen, Supermärkten oder bei Eisverkäufern mit geschultem Blick umschauen, geht es aber nicht nur um Hygiene beim Essen und Trinken, erklären beide dieser Redaktion im Interview.
Herr Specht, was bedeutet Verbraucherschutz aus Sicht des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung?
Christian Specht: Grundsätzlich wollen wir davor schützen, dass bei in Verkehr gebrachten Lebensmitteln beziehungsweise bei gastronomischen Angeboten Vorschriften nicht eingehalten werden. Damit verknüpft ist Gleichheit bei Wettbewerbsbedingungen – also Fairness.
Das müssen Sie näher erläutern!
Specht: Wer beispielsweise billigen Analogkäse statt echten Käse verwendet, kann seine Preise anders kalkulieren und ist damit im Vorteil.
Geht es bei Gastronomie-Kontrollen auch um Schwarzarbeit?
Peer-Kai Schellenberger: Alles hängt mit allem zusammen. Wenn es Hinweise beziehungsweise Verdachtsmomente auf Schwarzarbeit gibt, ist der Zoll bei unseren Kontrollen mit dabei. Man muss stets über die eigene Zuständigkeit hinaus schauen und ganzheitlich vorgehen.
Specht: Wir haben es mit Querschnittaufgaben zu tun. Und deshalb holten wir schon vor Jahren in der Arbeitsgruppe Südosteuropa alle Behörden an einen Tisch. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ob Unterkünfte in Problemimmobilien oder Schwarzarbeit – unsere Kontrollen richten sich nicht gegen Zuwanderer aus Bulgarien oder Rumänien. Im Gegenteil. Häufig sind sie es, die ausgebeutet werden. Auch in der Gastronomie.
Bei Wirten, Köchen oder Ladenbetreibern kommt nicht gerade Freude auf, wenn Inspektionsteams erscheinen. Obendrein dürften Gäste wie Kunden irritiert sein.
Schellenberger: Das wissen wir und bemühen uns deshalb, dezent vorzugehen. Kontrollen müssen aber während der Betriebszeiten stattfinden.
Rund 1500 Gastronomiebetriebe gibt es in Mannheim – von der Imbissbude bis zum Sterne-Restaurant. Außerdem 86 Großküchen. Welche Einrichtungen haben Sie besonders im Blick?
Schellenberger: Grundsätzlich alle. Bei Großküchen in Betrieben oder Kliniken mit jeweils mehr als 100 Essen muss natürlich die hohe Breitenwirkung bedacht werden. Schließlich können bei einem dort verdorbenen Lebensmittel auf einen Schlag sehr viele Menschen, auch vulnerable, betroffen sein. Deshalb sollten Speise-Rückstellproben vorgehalten werden.
Hat schon mal eine größere Kantine schließen müssen?
Schellenberger: Ist mir nicht bekannt. Hygiene wird in Großküchen sehr professionell gehandhabt.
Kommt es häufig vor, dass Gastronomiebetriebe dicht machen müssen?
Schellenberger: Nein, meist handelt es um vorübergehende Schließungen – bis die Missstände beseitigt sind. Eine Gaststätte sofort zu schließen, ordnen wir auch schon mal an, wenn bei einer Kontrolle niemand da ist, der Verantwortung trägt. Aus hygienischen Gründen wurden im vergangenen Jahr fünf Betriebe geschlossen. Damit bewegen wir uns auf einem sehr niedrigen Niveau. Unser Überwachungsdruck ist also wirksam.
Gibt es auch dauerhaften Entzug einer Konzession?
Schellenberger: Äußerst selten. Ohnehin wird einem solchen meist zuvorgekommen, indem der Gastronomiebetrieb freiwillig abgemeldet wird. Aber so manches Mal macht ihn schon bald irgendein Verwandter oder Bekannter neu auf. Wenn dieser unbescholten ist, gibt es keinen Grund, die Konzession zu verweigern.
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Auf was achten Ihre Mitarbeitenden jenseits von Lebensmitteln und Hygiene?
Schellenberger: Wir schauen unter anderem, ob Notausgänge offen und unverstellt sind, ob die aktuellen Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes aushängen und der Nichtraucherschutz eingehalten wird. Wir überprüfen auch, ob Getränkekarten Preise in Verbindung mit der jeweiligen Menge angeben. Dabei haben wir den sogenannten Apfelsaft-Paragrafen im Blick, der vorschreibt, dass mindestens ein nichtalkoholisches Getränk billiger beziehungsweise zumindest gleich teuer wie das günstigste alkoholische Getränk, beispielsweise Bier, sein muss. Und zwar hochgerechnet auf den jeweiligen Literpreis. Billigeren Apfelsaft oder Sprudel im 0,2 Glas als Alternative anzubieten, reicht nicht.
Im vergangenen Jahr ging es bei einem Wirtschaftsstrafprozess um manipulierte Spielautomaten in Kneipen und Steuerhinterziehung von 1,7 Millionen Euro.
Schellenberger: Wenn solch ein Verdacht aufkommt, ist die Polizei mit im Boot. Wir schauen routinemäßig, ob das Zulassungszertifikat angebracht ist, ob Spielregeln und Gewinnplan klar ersichtlich sind. Pro Gaststätte dürfen zwei Spielgeräte aufgestellt werden. Wir haben schon erlebt, dass mutmaßlich weitere Geräte vor unserem Eintreffen schnell abgehängt wurden – wovon viereckige Umrisse an der Wand kündeten. Manchmal fühlte sich die verräterische Stelle noch wärmer als die Umgebung an.
Nicht nur Betriebe, auch Behörden klagen über Fachkräftemangel.
Specht: Das gilt auch für uns. Dabei ist unsere duale Ausbildung in der Lebensmittelkontrolle sehr beliebt.
Und das große Thema Corona?
Schellenberger: Da gibt es momentan keine besonderen Regeln. Aber im Herbst und Winter könnte es sein, dass wir wieder Vorschriften zur Maskenpflicht oder zu Tischabständen kontrollieren.
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