Bauarbeiten (mit Video)

Wie das erste Teil einer neuen Brücke in Mannheim-Vogelstang montiert worden ist

Nächtliche Millimeterarbeit bis in den frühen Morgen:Das erste Teil der Sudentenstraßenbrücke westlich der Vogelstang sitzt auf dem Fundament. Aber bis Fußgänger und Radfahrer sie nutzen können, dauert es noch.

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Peter W. Ragge
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Hier schwebt es: das erste, 24 Meter lange und 63 Tonnen schwere Teilstück der Sudetenstraßenbrücke über der L 597 westlich der Vogelstang. © Michael Ruffler

Der Tieflader tastet sich vor, ganz langsam. Es ist gegen 23 Uhr, und er kommt unerwartet – zumindest die Richtung ist unerwartet. Der Schwertransport fahre über Käfertal an, heißt es anfangs. Aber dann rollt die Zugmaschine mit der überbreiten Fracht auf dem achtachsigen Auflieger aus Richtung Süden auf die L 597, die hier westlich der Vogelstang Sudetenstraße heißt. Sie bringt das erste von drei Teilen der neuen Sudetenstraßenbrücke, das in dieser Nacht eingehoben wird.

Die Firma Biedenkapp Stahlbau, die auch das Bühnenbild für „Rigoletto“ oder das überdimensionale Auge der „Tosca“ der Bregenzer Festspiele baute, hat die Brücke in ihrem Werk in der Nähe vom Bodensee gefertigt. Am späten Sonntagabend ist der Schwertransport dort gestartet und hat nicht, wie gedacht, zwei Nächte gebraucht. So steht er an der Autobahn bei Viernheim und wartet, bis er in der Dienstagnacht die Baustelle ansteuern kann.

Fahrdraht abgesenkt

Hier ist alles vorbereitet: Die Straße gesperrt, der Stadtbahnverkehr eingestellt, die Hochspannungsleitung abgestellt und ein Autokran sowie mehrere Lichtmasten sind platziert. Die Rhein-Neckar-Verkehr (RNV) nutzt die Sperrung für ihren Teil der Bauarbeiten. Auf etwa 300 Metern müssen an der Strecke der Linie 7 das Tragseil und der Fahrdraht abgesenkt werden, von 5,50 Meter auf etwa 4,20 Meter. Nur so kann die Brücke die Trasse ohne zu krasse Steigung überqueren. Damit sie barrierefrei nutzbar ist, werden die Rampen nur ein geringes Gefälle von 5,5 Prozent haben.

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Die Fuß- und Radwegbrücke ist als Zubringer zum Radschnellweg gedacht, der durch die Au verläuft. Die in Höhe des Reitervereins Vogelstang-Wallstadt beginnende und in den Feldern beim Bürgerpark Wingertsbuckel endende Brücke soll Bewohner aus dem Osten leichter an die Innenstadt anschließen. Das zuletzt auf rund vier Millionen Euro taxierte Bauvorhaben ist das letzte Projekt der ja auch mit dem Radschnellweg betrauten Bundesgartenschau-Gesellschaft. Daher sind auch Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach und Christian Lerch, Bereichsleiter Parkanlage & Infrastruktur, in der Nacht da.

Schon die Bauarbeiten hatten sich verzögert, durch Artenschutz für Mauereidechsen, archäologische Funde, Kostensteigerungen und Lieferschwierigkeiten bei Stahl. Bei der ersten Ausschreibung gab es gar kein Angebot. Zudem tauchte noch eine breite unterirdische Wasserleitung auf, die verlegt werden musste, aber nicht auf Plänen verzeichnet war.

Mit Überbreite: Der erste Teil der Brücke wird als Schwertransport angeliefert. © Michael Ruffler

Dagegen ist der Abschluss der Baustelle nur eine kleine Geduldsprobe. Zunächst dauert es, bis das mit vielen Ketten und Spanngurten auf dem Tieflader fest verzurrte Brückensegment gelöst ist. Die mitgelieferten Lagersockel hievt der Baukran empor. Dann werden die vier Tragschlaufen am Brückenteil festgemacht. Um 0.50 Uhr heulen die Motoren des Autokrans auf. Langsam, ganz langsam hebt der Kran das 24 Meter lange und 63 Tonnen schwere Brückenteil an. Viele Funksprüche sind zu hören, zwei Männer mit an dem Segment befestigten Seilen ziehen es in die richtige Position. Wenige Minuten schwebt das Brückenteil direkt über der Straße. Schnellbach und Lerch erinnern sich an die viel spektakulärere Montage des Panoramastegs an der Au im Herbst 2022, als gleich mehrere Kräne die Segmente angehoben und platziert haben. Jetzt reicht ein Kran, „weil die Ausladung nicht so weit ist“, wie Lerch erklärt. Sonst gibt es – bewusst – Parallelen, denn beide Bauwerke stammen vom gleichen Planer, „aus der gleichen Familie“, wie Lerch sagt. Die Sudetenstraße wird später über 75 Meter eine aus asymmetrischen Hohlkörpern aus Cortenstahl bestehende, 6,50 Meter breite Brücke überspannen, die 112 Meter misst und markante schräge Geländerpfosten hat.

„Am Schluss muss es aufgehen“: Die Brücke wird am Widerlager justiert. © Michael Ruffler

Doch bis zur Inbetriebnahme dauert es noch – vermutlich bis August. Anfang April soll das östliche, Ende Mai das mittlere Segment eingehoben werden – was wieder mit Sperrungen verbunden ist. Jetzt ist das Westteil in Position, aber nicht sofort. „Das liegt nicht flächig auf dem Betonfundament auf, sondern auf drei bierkastengroßen Widerlagern“, erläutert Jan Schleicher. In der fünften Generation führt er das über 100 Jahre alte Familienunternehmen Michael Gärtner, das schon bei der Bundesgartenschau 1975 mitgewirkt hat und jetzt hier den Ingenieurbau verantwortet.

Spannende letzte Phase

„Spannend“ findet Schleicher jetzt die Endphase des Projekts. Schließlich müsse das Brückenteil „extrem präzise“ auf das Betonfundament aufgelegt werden und dort auf die Widerlager passen. Später wird die Stelle, wo Stahl und Beton aufeinandertreffen, zubetoniert – was nur bei einer bestimmten Temperatur und Luftfeuchtigkeit geht.

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Peter W. Ragge
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Aber erst mal muss es passen. Dazu stehen zwei Arbeiter auf Leitern, die wiederum auf einem Stapel von Holzpaletten stehen. Sie messen, sie justieren, sie hämmern, man hört einen Trennschleifer, sieht Funken sprühen. Mal hebt der Kran das Brückenteil ein paar Millimeter an, mal senkt er wieder ab. Schleicher spricht davon, man werde die Brücke „auskeilen“: „Am Schluss muss es aufgehen“, und diese schwere Millimeterarbeit zieht sich bis in den frühen Morgen hin.

Für Jan Schleicher, der auf der Vogelstang aufgewachsen, ist die Brücke ein besonderes Projekt. „Wenn es die früher schon gegeben hätte, wäre ich mit dem Fahrrad schneller beim Hockey gewesen“, sagt er. Das sei das Schöne an einem Beruf auf dem Bau: „Man schafft Dinge, die man sehen, die man nutzen, die man zeigen kann“, meint er zufrieden.

Redaktion Chefreporter

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