Mannheim. Als die Barmherzigen Brüder Trier Ende 2019 das Diako übernahmen, wurde erklärt, es solle ebenso wie das Theresien als eigenständiges Krankenhaus bestehen bleiben. Nun werden beide zusammengelegt, sogar räumlich. Wieso?
Dieter Schilling: Das war damals wohl erst mal ein vorsichtiges Herantasten. Aber nachdem die BBT-Gruppe beide Häuser kennengelernt hat, ist intern schnell klargeworden, dass es medizinisch wie von der Infrastruktur her überaus sinnvoll ist, daraus ein Krankenhaus zu machen. Die Frage war dann nur noch, ob mit einem oder zwei Standorten.
Längere Zeit wurde ja – zumindest für das Theresien – auch nach einem ganz neuen Standort gesucht. Warum wurde das eingestellt?
Julia Fasen: Weil wir den richtigen Standort gefunden haben: den bisherigen des Diako. Auch unter dem Grundsatz der Nachhaltigkeit, möglichst bereits vorhandene Infrastruktur und gute bauliche Substanz zu nutzen, ist das der geeignetste Platz für unser Krankenhaus.
Jens Nily: Was man nicht vergessen darf: Schon vor Corona waren sich Experten darin einig, dass es in Deutschland zu viele Krankenhausbetten gibt. Die Pandemie hat den wirtschaftlichen Druck weiter verstärkt. Und auf politischer Ebene geht der Trend ganz klar in die Richtung: weniger Häuser, weniger Betten, mehr ambulante Angebote statt stationärer Vollaufnahme. In Baden-Württemberg hat hier in den vergangenen Jahren ja bereits ein Abbau stattgefunden, wir haben die niedrigste Bettenanzahl pro Einwohner im Bundesgebiet.
Es war sicher kein Zufall, dass Ihre Verschmelzungspläne im August bei einem Besuch des Stuttgarter Gesundheitsministers Manne Lucha bekanntgegeben wurden.
Nily: Unser Konzept ist eng mit seinem Ministerium abgestimmt. Das muss ja auch so ein: Wir erfüllen an beiden Standorten einen Versorgungsauftrag des Landes mit einer festgelegten Bettenzahl. Und mögliche Bauplanungen für die Konzentration an einem Standort wurden schon vor dem Besuch des Ministers kommuniziert.
Schilling: Sie müssen auch sehen: In den 2010er Jahren hat das Land intensiver als zuvor den Krankenhausbau gefördert und damit auch schon einen Konzentrationsprozess angestoßen, der dazu führte, dass in Baden-Württemberg die Bettendichte pro Einwohner am niedrigsten ist. Neu bauen, ohne vorhandene gute Infrastruktur zu nutzen, passt nicht mehr in die heutige Zeit.
Wenn alles im Diako zusammengelegt wird, was bleibt am Standort Theresienkrankenhaus?
Nily: Das ist offen. Fest steht aber: Eine vollstationäre Versorgung rund um die Uhr wird es an diesem Standort künftig nicht mehr geben. Nur noch dort, wo bisher das Diako steht.
Schilling: Man muss auch den Personalmangel bedenken, unter dem bundesweit Krankenhäuser leiden. Wir müssen künftig immer mehr Alte und Kranke mit immer weniger Pflegekräften versorgen. Auch deshalb geht der Trend ja zu mehr ambulanten Angeboten. Selbst wenn wir das Geld hätten, fänden wir gar nicht das Personal, um dauerhaft beide Krankenhäuser mit stationärer Vollversorgung und doppeltem medizischen Spektrum zu erhalten.
Gemeinsames Direktorium
- Seit November 2021 haben das Theresienkrankenhaus und das Diako bereits ein gemeinsames Direktorium.
- Kaufmännischer Direktor ist Jens Nily, geboren 1974 in Ludwigshafen. Er wechselte 2019 ins Theresienkrankenhaus. Dort arbeitete er bereits 1999 während seines Betriebswirtschaftsstudiums an der Dualen Hochschule.
- Pflegedirektorin Julia Fasen, 1987 geboren und aufgewachsen in der Eifel, kam 2021 nach Mannheim. Die ausgebildete Krankenschwester hat auch Business Administration und Medizinökonomie studiert.
- Für den medizinischen Bereich ist Dieter Schilling zuständig. Der gebürtige Wormser, Jahrgang 1963, ist seit 2006 Chefarzt am Diakonissenkrankenhaus. Drei Jahre später wurde er Ärztlicher Direktor. Seit 2020 hat er diese Funktion auch fürs Theresien. sma
Was bedeutet das für die Betten? Nominell haben Sie 530 im Theresien und 472 im Diako, richtig?
Schilling: Am Diako sind es 407. Bei 65 weiteren handelt es sich um Reha-Betten. Die werden gesondert gezählt und sollen dort auch möglichst erhalten bleiben.
Dann also derzeit insgesamt 937. Wie viele sollen es künftig sein?
Fasen: 550 bis 600.
Ein deutlicher Rückgang. Bauen Sie auch so stark Personal ab?
Schilling: Ganz klar: Nein! Schon heute hätten nahezu alle Krankenhäuser gar nicht mehr das Personal, um tatsächlich alle nominell vorgesehenen Betten gut zu versorgen. Das geht dem Klinikum mit seinen offiziell 1350 nicht anders.
Im Zuge des Verbundes mit der Heidelberger Uniklinik dürfte auch die Zahl der Betten im Klinikum deutlich reduziert werden. Gibt es dann in Mannheim künftig insgesamt überhaupt noch genug?
Schilling: Da muss sich niemand Sorgen machen. So viele Betten, wie wir sie unter geänderten Rahmenbedingungen in Zukunft zur stationären Versorgung brauchen, werden wir in Mannheim auch haben. Das kann man sicher sagen.
Fasen: Mit der Bettenzahl wird ja auch nur der stationäre Bereich erfasst. Wir schauen gemeinsam mit den anderen Akteuren hier – also der Universitätsmedizin Mannheim wie der Stadt oder der Caritas – ja auch darauf, welche neuen Strukturen wir aufbauen müssen, um die Versorgung vor allem im ambulanten Bereich zu sichern. Da werden wir alle heute im Gesundheitsbereich arbeitenden Menschen weiter brauchen. Die Frage ist nur, an welchen Orten.
Blicken wir auf die baulichen Veränderungen an beiden Standorten. Wo wollen Sie am Diako expandieren? Auf der Grünfläche hin zum Moll-Gymnasium?
Nily: Nein. Aktuell stimmen wir unsere Baupläne noch mit dem Ministerium und mit der Stadt ab. Wir haben in den aktuellen Vorplanungen gesehen, dass wir nicht über die bestehenden Krankenhausflächen hinausgehen müssen, wenn wir auf dem Bestandsgelände verdichten können.
Das werden Anwohner gerne hören. Die fürchten allerdings auch eine zunehmende Verkehrsbelastung, vor allem eine sich weiter zuspitzende Parksituation...
Schilling: Auch da kann ich beruhigen: Wir planen ein Parkhaus.
Fasen: In der BBT-Gruppe ist es Standard, dass wir bei innerstädtischen Krankenhaus-Bauten immer die Verkehrsproblematik mitdenken, sowohl von den Beschäftigten als auch von den Patienten her.
Beim Besuch des Ministers hieß es, der Umbau solle 2029 abgeschlossen sein, der Spatenstich sei für 2027 geplant. Warum lassen Sie so viel Zeit verstreichen?
Nily: Als ich diesen Zeitplan bis zur Inbetriebnahme erstmals gehört habe, habe ich mich umgekehrt gefragt, wie das so schnell gehen soll. Noch müssen wir unsere Pläne ja final mit Stadt und Land abstimmen, dann folgt die Ausschreibung und, und, und.
Bei der Zielmarke 2027 für den Spatenstich handelt es sich erst mal nur um einen groben Zeitplan. Aber dass das neue Krankenhaus 2029 fertig sein soll, ist tatsächlich unser festes Ziel.
Fasen: Bei der Zielmarke 2027 für den Spatenstich handelt es sich erst mal nur um einen groben Zeitplan. Aber dass das neue Krankenhaus 2029 fertig sein soll, ist tatsächlich unser festes Ziel. Jedenfalls sollen dann alle vollstationären Patienten dort sein, auch wenn vielleicht noch nicht jede Renovierung abgeschlossen ist.
Wie lange geht es im Theresienkrankenhaus noch weiter?
Schilling: So lange, bis wir den stationären Betrieb vollständig ins Diako verlagern können. Da schauen wir uns jede einzelne Abteilung an und entscheiden individuell, was schon rüber kann und was nicht.
Dem Vernehmen nach sollen die ersten Abteilungen schon bald ganz umziehen, korrekt?
Schilling: Wir möchten einzelne Fachabteilungen so früh wie möglich zusammenbringen.
Sie haben gesagt, was aus dem Theresien-Standort werde, sei offen. Wäre ein Verkauf denkbar?
Nily: Die BBT-Gruppe hat uns von Anfang an mitgegeben: Denkt von den Patienten her. Für die sichern wir jetzt die stationäre Versorgung an einem neuen Standort. Am alten wollen wir ambulante Angebote schaffen. Welche, wie und mit wem, das ist noch nicht entschieden.
Wie soll Ihr Krankenhaus in der Speyerer Straße künftig heißen?
Schilling: Weder Theresien noch Diako, wir suchen einen neuen Namen. Es wird ja auch ein neues Krankenhaus, das sich aus den Kulturen und Traditionen der beiden christlichen Häuser zusammensetzt. Ganz wichtig: Es wird nicht das Theresien dichtgemacht und das Diako nur umgebaut, vielmehr verschmelzen beide zu etwas Neuem.
Wird es wie das Theresien ein katholisches Krankenhaus, oder wie das Diako evangelisch?
Schilling: Seit vorigem Jahr ist auch das Diako katholisch.
Tatsächlich? Das haben Sie aber im Verborgenen gehalten.
Nily: Das ist doch auch in erster Linie eine formelle Frage. Danach richtet sich etwa, ob die evangelische oder die katholische Versorgungskasse zuständig ist. Mit der einheitlichen Trägerschaft durch die BBT-Gruppe, die nun mal katholisch ist, haben wir das vereinheitlicht. Entscheidend ist doch: Das sind die christlichen Krankenhäuser Mannheims, sie haben die gleichen Grundsätze.
Auch wenn Sie erklären, das Theresien werde nicht dichtgemacht: De facto wird es nicht mehr existieren. Was sagen Sie Menschen, die das bei der mehr als 90-jährigen Tradition sehr bedauern werden?
Schilling: Dass es nicht weg ist, sondern in etwas Neuem aufgeht.
Nily: Und eine ambulante und ergänzende Gesundheitsversorgung wird es an seinem bisherigen Standort ja weiter geben.
Fasen: Ein Krankenhaus machen doch die Menschen aus, die darin arbeiten. Die wollen wir ja alle weiter beschäftigen.
Beschäftigte im Theresien sollen im Juli unterschreiben, dass Sie spätestens 2029 im Diako arbeiten werden und daher ein 14-tägiges Sonderkündigungsrecht haben, sobald das Ganze im Handelsregister steht. Richtig?
Nily: Das stimmt so nicht. Wir verschmelzen gerade zwei Krankenhausgesellschaften, von denen eine aus dem Handelsregister gestrichen wird. Ist das vollzogen, steht allen Beschäftigten ein Sonderkündigungsrecht zu. Darauf haben wir die Mitarbeiter in Informationsveranstaltungen und schriftlich hingewiesen.
Wann erfolgt die Umtragung im Handelsregister?
Nily: Wir gehen von einer Umsetzung in diesem September oder im Oktober aus. Aber ganz wichtig ist mir die Botschaft: Wir wünschen uns, dass niemand von diesem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht.
Gemunkelt wird, am Theresien würden auslaufende Verträge nicht mehr verlängert und freiwerdende Stellen nicht mehr besetzt.
Schilling: Das ist falsch. Über jede Stelle wird im Einzelfall entschieden, es gibt weiter Vertragsverlängerungen und Neueinstellungen.
Man hört von Mitarbeitern auch, dass sie sich über die Pläne nicht ausreichend unterrichtet fühlen.
Nily: Das kann ich nicht nachvollziehen. Es hat immer wieder interne Informationsveranstaltungen gegeben, wir bemühen uns kontinuierlich, die Beschäftigten auf dem neuesten Stand zu halten.
Wie ist denn nach Ihren Eindrücken die Stimmung bei den Beschäftigten im Theresien?
Schilling: Das kommt immer auf die individuelle Situation an. Arbeitet dort jemand seit 25, 30 Jahren, ist er vielleicht traurig, womöglich sogar wütend. Bei anderen wiederum gibt es eine große Aufbruchstimmung, dass etwas Neues entsteht. Aber wie das im Leben so ist: In der Stadt gehen eher negative Stimmen rum.
Fasen: Wir sind in einem Veränderungsprozess. Darauf reagieren die Menschen unterschiedlich.
Nochmal zu den Gebäuden: Was aus der Theresienkapelle wird, ist vermutlich auch noch offen?
Fasen: Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen!
Und was ist mit St. Hedwig in den Quadraten? Die Geburtsklinik ist ja seit Ende 2021 geschlossen.
Fasen: Da ist noch keine Entscheidung für das gesamte Gelände gefallen. Aktuell prüfen wir den Betrieb einer geriatrischen Kurzzeitpflege-Einrichtung, gemeinsam mit der Caritas. Auch hier geht es ja um medizinische Versorgung, die klare Prämisse der BBT-Gruppe.
Ein Verkauf des Gebäudes käme demnach nicht in Frage?
Nily: Das gehört bisher zu den wenigen festen Vorgaben der Barmherzigen Brüder: Wir dürfen weder verkaufen noch ist eine Nutzung möglich, die nicht ihren Grundsätzen entspricht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Pläne für christliche Krankenhäuser in Mannheim müssen transparent sein