Mannheim

Wenn das Sterben zur Erlösung wird - Leben und Tod auf einer Palliativstation

Auf der Palliativstation wissen Patient und Ärztin, dass es keine Heilung gibt. Therese Zink erfüllt ihre Arbeit in Mannheim dennoch - sie sieht sich als Ärztin für das Leben mit einer Krankheit

Von 
Stefanie Ball
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© Getty Images

Mannheim. Terese Zink ist Oberärztin der Palliativstation am Diako Mannheim. Es handelt sich um eine kleine Station mit fünf bis sieben Betten. Die Patienten, die hier liegen, wissen, dass sie bald sterben müssen. Manche hoffen, noch einmal für ein paar Wochen oder gar Monate nach Hause zurückkehren zu können. Für andere ist das Ende nahe.

„Ich bin Ärztin nicht fürs Heilen, sondern für das Leben mit einer Krankheit“, sagt Zink, die auch Vorsitzende des Ethikkomitees am Diako ist. Eigentlich habe sie einmal Kinderärztin werden wollen, dann entschied sie sich für die Innere Medizin und kam so in Kontakt mit Krebspatienten. Sie merkt bald, dass sie mit dem Leid am besten umgehen kann, wenn sie sich darum kümmert. Das tut sie nun auf der Palliativstation.

Der Betreuungsschlüssel ist höher als auf normalen Stationen, es gibt Seelsorger und Therapeuten, die von außen kommen und die Patienten mitbetreuen, jeder Kranke hat sein eigenes Zimmer, ein Besuch von Angehörigen und Freunden ist jederzeit möglich. Selbst in der Coronakrise gab es Ausnahmeregelungen. „Das ist ein erfüllendes Arbeiten, nirgendwo sonst kann ich als Ärztin den Patienten so nahe kommen“, sagt Zink.

Es geht um die Behandlung von Symptomen, nicht um Heilung

Weil es an der Diagnose nichts mehr zu rütteln gibt, der Tod unausweichlich ist, geht es auf der Palliativstation vor allem um die Behandlung von Symptomen. „Wir suchen gemeinsam mit den Patienten nach Möglichkeiten, die Lebensqualität zu verbessern.“

Die Medizin, die Behandlung von Schmerzen, weil etwa der Tumor auf einen Nerv drückt, ist dabei nur ein Aspekt von vielen. Daneben spielen Angst, Vereinsamung, Wut eine Rolle, die den Patienten oft schwer belasten und die mit in die Therapie einbezogen werden. Fachleute verwenden deshalb auch lieber den englischen Ausdruck „Palliative Care“, ein umfassendes Konzept, das die Fürsorge, „care“, betont.

Das Diako gehört wie das Theresienkrankenhaus seit zwei Jahren zur BBT-Gruppe, einer der großen christlichen Träger von Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen in Deutschland. BBT steht für Barmherzige Brüder Trier, eine Ordensgemeinschaft, zu deren Selbstverständnis es gehört, für das Leben einzutreten und es in all seinen Phasen zu schützen und zu unterstützen.

Das aber ist leicht gesagt, das weiß auch Terese Zink. Immer wieder begegnet die Oberärztin dem Wunsch ihrer Patienten zu sterben. Je schwerer die Symptome, desto höher die Todessehnsucht. „Wenn die Menschen dann hören, dass die Zeit begrenzt ist, es nur noch um wenige Wochen oder gar Tage geht, ändert sich die Haltung, im Wissen um die Begrenztheit bekommt das noch andauernde Leben einen höheren Stellenwert“, sagt Zink.

Auch das Aushalten schwerer Therapien funktioniert leichter, wenn die Patienten wissen: Sie können es auch lassen. So tut sich oft ein Weg auf, auf dem es noch einmal weitergeht.

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Das Sterben nicht als Scheitern sehen

Bis es dann nicht mehr weitergeht. „Dann klären wir darüber auf, welche Möglichkeiten es gibt, das natürliche Sterben zuzulassen, den nächsten Infekt eben nicht mehr mit Antibiotika zu behandeln, die Dialyse zu beenden, die Chemotherapie nicht fortzusetzen“, betont Zink. Der englische Fachbegriff hierfür lautet „to fasten death“, das natürliche Sterben durch Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen schneller zuzulassen.

Dass dies ein trauriger Moment ist, bestreitet sie nicht. Dass sich besonders Ärzte schwertun, wenn sie nicht mehr helfen können, räumt sie ebenfalls ein. „Die Medizin verliert manchmal aus dem Auge, das Leben endlich ist“, sagt Zink.

Doch Sterben dürfe nicht als Scheitern gesehen werden, und die meisten Patienten - und auch ihre Angehörigen - ahnten ohnehin, wenn das Ende naht. Für sie wird das Leben so anstrengend, wohin soll das noch führen? Die Therapien schlagen nicht an, der Tumor wächst, soll das noch Jahre so gehen?

„In einer solchen Situation ist Endlichkeit auch entlastend.“ Diese Sicht der Dinge finde heute auch Eingang in die Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte. „Ärzte sollten sich auch im Unheilbaren auskennen“, betont Zink - gemäß einem französischen Sprichwort aus dem 16. Jahrhundert „Heilen manchmal, lindern oft, trösten immer“.

Sterbehilfe: Was in Deutschland erlaubt ist

  • Direkte/Aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) ist verboten. Spritzt ein Arzt oder ein Dritter einem Patienten ein tödliches Medikament, wird das nach § 216 Strafgesetzbuch bestraft (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre). 
  • Passive Sterbehilfe ist erlaubt. Ein schwer kranker Patient wird, sofern eine Patientenverfügung oder Willensäußerung vorliegt, nicht weiter behandelt, die Magensonde wird entfernt, die künstliche Beatmung abgestellt oder gar nicht erst begonnen. Lediglich die Basisbetreuung ist Pflicht (Körperpflege, Durstgefühl stillen).
  • Indirekte Sterbehilfe ist erlaubt. Durch eine Behandlung, die Gabe eines Medikaments etwa, das die Schmerzen eines Patienten im Endstadium lindert, wird in Kauf genommen, dass sich die Lebenszeit verkürzt. Der Tod tritt früher ein, als dies ohne die Behandlung passiert wäre.
  • Selbsttötung ist nicht strafbar, also ist auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar. Dabei nimmt der Sterbewillige selbstständig eine Substanz zur Selbsttötung ein. Eine andere Person, ein Angehöriger, eine Ärztin oder ein Sterbehelfer, hat hierzu einen Beitrag geleistet, zum Beispiel hat er die tödliche Substanz zur Verfügung gestellt.
  • Um Vereine daran zu hindern – ähnlich wie in der SchweizBeihilfe zum Suizid zu leisten, hat der deutsche Gesetzgeber 2015 einen neuen Paragrafen 217 beschlossen, der das unter Strafe stellt.
  • Im Februar 2020 entschied aber das Bundesverfassungsgericht, dass das strafrechtliche Verbot geschäftsmäßiger Suizidassistenz, also der neue Paragraf, verfassungswidrig sei.
  • Das im Grundgesetz verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse auch ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ und die „Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen“, urteilten die Richter in Karlsruhe. Nun muss der Bundestag die Suizidbeihilfe neu regeln. Dafür liegen drei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe vor.
  • Während eine interfraktionelle Gruppe von Abgeordneten ein Suizidbeihilfegesetz anstrebt, will eine andere Gruppe eine auf Wiederholung angelegte (geschäftsmäßige) Suizidassistenz im Strafrecht verbieten. Es soll aber möglich sein, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Vorausgesetzt, der Suizidwillige lässt sich zwei Mal im Abstand von drei Monaten von einer Fachärztin beziehungsweise einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie untersuchen und nimmt an einer ergebnisoffenen Beratung teil.

Wenngleich bei der palliativen Ausstattung von Krankenhäusern „noch Luft nach oben sei“. Das sagt Peter-Felix Ruelius, der bei der BBT-Gruppe in Koblenz die Christliche Unternehmenskultur und Ethik verantwortet. Das Thema Palliative Care sei zwar in vielen Einrichtungen inzwischen präsent, aber eben nicht in allen.

„Seit dem Hospiz- und Palliativgesetz von 2015 gehört die palliative Versorgung immerhin zur Regelversorgung, sie muss also überall sichergestellt werden“, so Ruelius. Gleichwohl scheitert es in der Praxis - wie so häufig - am Geld. Auch das Diako kann sich das multiprofessionelle Team nur leisten, weil der ebenfalls am Krankenhaus gegründete Palliativverein die dafür notwendigen Spenden einsammelt.

Debatte um Neuregelung der Sterbehilfe

Ein grundsätzliches Problem ist, dass Sterben und Tod zu den großen gesellschaftlichen Tabus gehören. „Das ist etwas, was eine Grenze markiert, und faktisch ist es das ja auch“, sagt Claus Radandt, stellvertretender Hausoberer am Diako und Theresienkrankenhaus, der als Mitglied des Direktoriums unter anderem die Themen der Unternehmenskultur und Ethik verantwortet.

Trotzdem darüber zu reden, erfordere Mut und Reflexionsfähigkeit, die Bereitschaft, sich kritisch mit dieser Grenze auseinanderzusetzen. Früher wurden tote Angehörige im Wohnzimmer aufgebahrt, und nach der Beerdigung wurde beim Leichenschmaus auf das Leben angestoßen. „Das ist heute in Vergessenheit geraten mit der Folge, dass viele panische Angst vor dem Sterben haben.“

Die Debatte um eine Neuregelung der Sterbehilfe hat das Thema wieder mehr ins Bewusstsein gerückt. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor zweieinhalb Jahren das Verbot der Beihilfe zum Suizid für nicht verfassungskonform erklärt. Wer sterben will, darf sterben, und wer für seinen Selbstmord Hilfe von anderen in Anspruch nehmen möchte, soll das tun können, ohne dass diese dafür bestraft werden.

Dennoch will der Gesetzgeber das Feld nicht völlig ungeregelt Sterbehilfevereinen überlassen. Nun werden verschiedene Gesetzentwürfe dazu im Bundestag diskutiert, einer sieht vor, dass sich Suizidwillige von Ärzten beraten lassen müssen und bis zu ihrer endgültigen Entscheidung eine Bedenkzeit vergehen muss.

„Ich würde mir nie anmaßen über jemanden, der große Schmerzen verspürt und deshalb aus dem Leben scheiden will, zu urteilen, das verbietet sich“, sagt Ruelius. Aber es wäre schön, wenn es immer eine Möglichkeit gäbe, die noch Richtung Leben zeige.

Freie Autorin

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