Covid-19 - Krankenhäuser entlassen vermehrt todkranke Menschen / Ihre Versorgung soll aber gewährleistet bleiben

Palliativmedizin bereitet sich auf steigende Patientenzahlen vor

Von 
Agnes Polewka
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Wenn todkranke Menschen nicht im Krankenhaus sterben wollen, muss rechtzeitig ein Platz im Hospiz oder eine gute Betreuung daheim organisiert werden. © dpa

Die Palliativmedizin beginnt, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Heilung einer Krankheit ausgeschöpft sind. Ihr Ziel ist es, die Schmerzen des sterbenden Menschen zu lindern, ihm seine Autonomie und Würde zu bewahren – auch und insbesondere am Ende seines Lebens. Patienten werden ambulant zu Hause, im Hospiz oder auf Palliativstationen von Krankenhäusern betreut. Experten fürchten, dass die palliative Versorgung durch Covid-19 an ihre Grenzen stoßen könnte.

Auch Mannheimer Ärzte und Pflegekräfte machen sich Gedanken darüber, was die Sterbebegleitung in den kommenden Wochen leisten muss: Kliniken bereiten sich vor, Palliativ-Patienten werden aus dem Krankenhaus entlassen, Verbände formulieren Handlungsempfehlungen. Im Hinterkopf: norditalienische Verhältnisse. Laut Medienberichten wurden dort Patienten, die keine Luft mehr bekamen und nicht mehr auf der Intensivstation behandelt wurden, zum Sterben nach Hause geschickt. Ohne weitere Betreuung oder Schmerzlinderung.

„Wir wissen, dass das eine schwierige Situation werden könnte, halten uns aber an den palliativmedizinischen Grundsatz: „Bereite dich auf das Schlimmste vor, aber hoffe auf das Beste“, sagt Oberärztin Terese Zink. Zink leitet am Diakonissenkrankenhaus eine der beiden Palliativstationen in der Stadt. Das Diako hat sie Anfang März aufgelöst, um die Betten vorzuhalten. Die Pflegekräfte und Ärzte wurden „umverteilt“, die Patienten auf andere Stationen oder ins Hospiz verlegt.

„Die Palliativmedizin läuft aber weiter wie bisher, wir müssen sie im Moment nur dorthin tragen, wo sie gebraucht wird und mit den Kollegen besprechen, wie man uns erreichen kann. Hier kommt es uns zugute, dass wir ein kleines Haus sind“, sagt Zink. Dass Patienten, die mit einer Covid-19-Erkrankung in die Klinik kommen und nicht beatmet werden wollen oder können – etwa wegen anderer Erkrankungen – sei möglich. Aber: „Eine Atemnot lässt sich palliativmedizinisch gut behandeln. Das gehört zu unserem absoluten Basiswerkzeug“, sagt Zink.

Verband gibt Empfehlungen

Darauf bezieht sich auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), die eine Handreichung herausgegeben hat, die dem „MM“ vorliegt. Darin finden sich Anleitungen dazu, was bei schwerer Luftnot und Erstickung zu tun ist – damit die Betroffenen nicht unter Panik ersticken. Außerdem empfiehlt die DPG Ärzten, Patienten gezielt danach zu fragen, welche lebenserhaltenden Maßnahmen sie wünschen – und welche sie ablehnen. In dem Papier findet sich zudem der Appell, andere Schwerstkranke und Sterbende, die unabhängig vom Coronavirus in die Krankenhäuser kommen, nicht zu vernachlässigen.

Stefan Schramm, Ärztlicher Leiter des palliativmedizinischen Versorgungsdienstes „levares“, verzeichnet aktuell mehr Patienten. Darunter viele, die kürzlich aus den Krankenhäusern entlassen wurden. „Dennoch glaube ich nicht, dass wir in den kommenden Wochen mit einem exponentiellen Anstieg rechnen müssen, da wir die Menschen ja zu Hause versorgen“, sagt Schramm, der mit seinem Team auch das Theresienkrankenhaus unterstützt. Erste und einzige Anlaufstelle für Covid-19-Patienten, die palliativmedizinische Hilfe benötigen werden, sind seiner Ansicht nach die Kliniken. „Ich sehe für uns im Moment keine Möglichkeit, uns mit Schutzmitteln und Masken auszustatten“, sagt Schramm. Im Krisenfall sei er bereit, im Krankenhaus mitzuhelfen.

Das einzige Hospiz in Mannheim, die Caritas-Einrichtung St. Vincent, hat mit verschärften Besuchsregelungen und Hygienevorschriften auf die Krise reagiert. „Ich denke, es ist uns allen bewusst, in welcher Lage wir uns befinden. Uns ist aber auch bewusst, dass wir trotzdem ein stationäres Hospiz sind, bei dem keine Akutfälle aufschlagen“, sagt Leiterin Gabriele Anders.

Obwohl die Krankenhäuser vermehrt Patienten entlassen, verzeichnet St. Vincent keinen größeren Zulauf als sonst. „Wir haben gerade sogar weniger Anfragen“, sagt Anders. Ein möglicher Grund: Die Patienten tun sich aktuell schwerer damit, ihr Zuhause zu verlassen. „Was wir im Moment mehr fürchten, als unsere eigene Belastungsgrenze, sind Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten – sollte sich die Situation weiter verschärfen“, sagt Anders.

Das Uni-Klinikum, das eine eigene Palliativstation betreibt und die ambulante Versorgung palMA (Palliativnetz Mannheim) koordiniert, wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Versorgung in Mannheim

Das Uni-Klinikum und das Diakonissenkrankenhaus betreiben jeweils eine eigene Palliativstation mit 14 bzw. fünf Betten. Das Theresienkrankenhaus wird von ambulanten Palliativpflegediensten in der Sterbebegleitung unterstützt.

In der Stadt gibt es zwei Teams, die Patienten in den letzten Monaten, Wochen und Tagen ihres Lebens begleiten: „palMA“, das vom Uni-Klinikum koordiniert wird und „levares“ unter der ärztlichen Leitung des Palliativmediziners Stefan Schramm.

Das Caritas-Hospiz St. Vincent auf dem Waldhof hält acht Plätze vor.

Es gibt keine Gesamtstatistik für die Stadt, wie viele Menschen in Mannheim palliativmedizinisch versorgt werden, am Diako sind es im Schnitt 180 Personen jährlich, im Hospiz St. Vincent rund 130. agp

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