Mannheim. Die Corona-Pandemie hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten - und diese bekommt die Justiz zu spüren. Bei den Großen Strafkammern des Mannheimer Landgerichts sind in fast allen Verfahren aufgrund von Covid-Erkrankungen oder Quarantäne festgezurrte Terminpläne verrutscht. Allerdings ist bislang kein bereits laufender Prozess coronabedingt „geplatzt“.
In den zurückliegenden Monaten, aber auch aktuell gab es allerlei Verschiebungen. Beispielsweise in der dritten Februarwoche: Zuerst musste vor der Großen Jugendkammer der Auftakt in dem Messerstecher-Verfahren rund um die Gewaltattacke auf der Schlossparkwiese um drei Tage verschoben werden -weil einer der fünf wegen Totschlagverdachts angeklagten jungen Männer aufgrund einer Virus-Quarantäne in der Justizvollzugsanstalt Offenburg bleiben musste. Und wenige Tage später traf es einen Drogen-Prozess vor der Großen Strafkammer. Grund: Einer der sechs Angeklagten hatte sich in der Haft infiziert, was für die Hauptverhandlung eine zweieinhalbwöchige Pause bedeutete.
Zeugen umladen
Solcherart Terminrücken ist mit mannigfachen Herausforderungen verbunden. Schließlich gilt es neue Sitzungstage zu finden, an denen alle Parteien keine anderen Verpflichtungen haben. Obendrein müssen Zeugen mühsam umgeladen werden. „In vier Verfahren kam es bislang aufgrund von Quarantäne in einer Justizvollzugsanstalt zu Verzögerungen“, erläutert Joachim Bock, Vorsitzender Richter und Pressesprecher am Mannheimer Landgericht. Auch wenn es vor allem erkrankte oder positiv getestete Zeugen waren und sind, die das getaktete Programm einer Beweisaufnahme durcheinanderwirbeln, so haben Corona-Infektionen bei Berufsrichtern oder Schöffen ebenfalls zu Verhandlungspausen gezwungen. Die Pandemie belastet nicht nur große Prozesse, an denen viele Menschen beteiligt sind. Auch bei den Kleinen Strafkammern, zuständig für Berufungen, mussten Verfahren verlegt werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.
Bei Strafprozessen sitzt Richtern auch ohne Corona die Zeit im Nacken. Denn üblicherweise dürfen Hauptverhandlungen maximal drei Wochen unterbrochen werden - bei Mammutverfahren bis zu einem Monat, sofern bereits mehr als zehn Tage verhandelt wurde. Gemäß dieser Vorschrift drohte angesichts der Pandemie massenhaftes „Platzen“ von Prozessen. Deshalb hat der Bundestag schon beim ersten Corona-Lockdown, im März 2020, beschlossen, dass ein Strafprozess bis zu drei Monate plus zehn Tage pausieren darf. Diese Sonderregelung, so Richter Bock, habe auch am Mannheimer Landgericht zu „einer Erleichterung“ geführt und obendrein ermöglicht, dass Verfahren trotz Corona-Einschläge durchgezogen werden konnten.
Publikum bleibt vor der Tür
Allerdings läuft die pragmatisch-flexible Ausnahmegenehmigung am 26. März aus. Das Justizministerium signalisiert, über eine Verlängerung von Corona-Ausnahmen nachzudenken. „Dies ist nach unserem Dafürhalten dringend erforderlich, um gerade den Verhandlungen in Strafsachen Sicherheit zu bieten“, kommentiert der Sprecher des Landgerichts. Joachim Bock weist daraufhin, dass die Kammern trotz organisatorischem Mehraufwand aufgrund der Pandemie „insgesamt nicht weniger Verfahren als zuvor erledigt haben“.
Zum Hygienekonzept gehört auch ein Raummanagement - will heißen: Die größeren Säle sind Verfahren mit besonders vielen Beteiligten vorbehalten. Und wenn es sich anbietet, wird eine Art „Saal-Sharing“ praktiziert: Beispielsweise nutzte unlängst die Große Jugendkammer bis mittags den Saal 1, während ab 13 Uhr die Strafkammer fünf dort verhandelte. Und weil bei der Freigabe von Zuschauerstühlen strikt Vorgaben des Landes eingehalten werden, kommt es schon mal vor, dass Prozess-Publikum draußen vor der Tür bleiben muss - weil drinnen die raren Plätze besetzt sind.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-wegen-corona-fast-alle-verfahren-am-mannheimer-landgericht-verschoben-_arid,1922821.html