Barrierefreiheit

Was SV Waldhof Mannheim-Fans im Rollstuhl am Carl-Benz-Stadion auszusetzen haben

Blendende Plexiglasscheiben, kein behindertengerechtes WC: SVW-Fans im Rollstuhl haben mit OB Christian Specht über ihre neuen Plätze im Carl-Benz-Stadion in Mannheim gesprochen

Von 
Valerie Gerards
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Oberbürgermeister Christian Specht und Stadion-Projektleiterin Christina Lepold verfolgen das Spiel gegen Aue von den Behindertenplätzen. © Valerie Gerards

Die rollstuhlfahrenden Waldhof-Fans sind sauer: Sie fordern „endlich ein behindertengerechtes Carl-Benz-Stadion“, wie Tobias Stahl in einem offenen Brief an die Stadt- und Vereinsspitze fordert. Beim Spiel gegen Erzgebirge Aue am Freitagabend machten sich Oberbürgermeister Christian Specht und Christina Lepold, die derzeit an einem Gutachten über einen Neubau oder die Sanierung des Stadions arbeitet, ein Bild vom neuen Rollstuhlbereich unter der Hauptbühne. Sie wollen wissen, wo der Schuh drückt, hören zu, um die Situation für die Rollstuhlfahrer zu verbessern. Doch die Möglichkeiten sind eingeschränkt.

Zu Beginn der Fußballsaison im August, nachdem der Behindertenbereich aufgrund der DFB-Regeln vom Spielfeldrand hinter den Zaun verlegt werden musste, wurden Plexiglasfenster eingesetzt; Plexiglasscheiben wie bei den Adler-Spielen in der SAP-Arena sollten eigentlich eine bessere Sicht aufs Spielfeld ermöglichen. Aufgegangen ist diese Lösung nicht: Tobias Stahl, der im Rollstuhl sitzt und sich für die Belange der anderen rollstuhlfahrenden Waldhof-Fans einsetzt, findet die Sicht alles andere als gut. „Das Material spiegelt je nach Sonneneinstrahlung extrem. Und der breite Rahmen ist komplett unnötig“, meint Stahl und zeigt auf die Metallrahmen, die die Plexiglasscheiben halten.

Gute Sicht sieht anders als: Blick von den Behindertenplätzen des Carl-Benz-Stadions aufs Spielfeld. © Valerie Gerards

Also doch lieber durch den Zaun schauen? „Das Hindurchschauen durch den Zaun verursacht auf Dauer Kopfschmerzen“, berichtet Sabine Klotz, die ihre Schwester Marina begleitet. Ein weiteres Problem ist die Hitze, die im Sommer unter dem Plexiglasdach entsteht. „Hier sitzen keine Sportler wie unter der Trainerbank, sondern Leute, die krank sind. Die Gefahr von Herz-Kreislaufstörungen ist bei uns groß.“

„Die Pfosten versperren die Sicht, man muss sich ständig neue positionieren, um die Spieler zu sehen. Aber mein Sohn kann seinen Kopf nicht drehen“, erklärt Sven Dielmann, „der Waldhof ist sein ein und alles.“ Die Situation lasse sich nur verbessern, wenn die Leute, die „eh schon ein schweres Leben haben“, ein oder zwei Stufen höher sitzen könnten.

Keine Behindertentoilette im Mannheimer Carl-Benz-Stadion

Die schlechte Sicht ist nicht das einzige Problem, mit dem die Rollstuhlfahrer im Carl-Benz-Stadion zu kämpfen haben. Ihr Bereich ist so eng, dass zwei Rollis kaum aneinander vorbeikommen – etwa, um zur einzigen barrierefreien Toilette im ganzen Stadion zu fahren, die sich hinter der Gästetribüne befindet. Waldhof-Fans sind Schmerz gewöhnt, mag man da sagen, das Stadion ist in die Jahre gekommen, das betrifft alle Fans. Schließlich braucht man auch von der Südtribüne ewig, um zu den Toiletten zu gelangen, weiß Stahl noch von der Zeit, als er nicht im Rollstuhl saß. „Im Rollibereich sind die Probleme ein bisschen vielfältiger als auf der Tribüne“, verdeutlicht er. Alles dauere bei ihnen viel länger, sei komplizierter.

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Bernhard Jilg etwa muss seine Tochter auf die Toilette heben, das geht nur, wenn diese ausreichend Platz bietet. „Meine Tochter ist seit ihrem zehnten Lebensjahr trocken. Bei Fußballspielen im Carl-Benz-Stadion trägt die inzwischen Zwanzigjährige wieder Windeln.“ Seiner Meinung nach könne es für barrierefreie Toiletten auch eine Containerlösung sein, wenn sie so groß wäre, dass er seine Tochter vom Rolli auf die Toilette umsetzen kann.

„Eine Behindertentoilette fehlt“, bemängelt auch Sven Dielmann. Es habe mal barrierefreie Dixiklos gegeben; die seien aber für Menschen, die sich mit den Händen abstützen müssen, hygienisch nicht zumutbar gewesen. Derzeit würden sie die Toilette im Spielertunnel benutzen. „Die war während der Amtszeit von Herrn Antwerpen für uns gesperrt, aber jetzt dürfen wir sie wieder benutzen“, berichtet Stahl.

Schwierige Voraussetzungen für Rollifahrer im alten Stadion

Die Stadt Mannheim, die Eigentümerin des Stadions ist, hat großes Interesse daran, die Situation zu verbessern. „Es ist mir ganz wichtig, immer die Belange der Behinderten mit zu berücksichtigen“, betont Christina Lepold. Die Situation im Carl-Benz-Stadion sei jedoch unglücklich, weil „wir die baulichen Gegebenheiten so nehmen müssen, wie sie sind, und das beste daraus machen müssen“.

Der Innenraum des Stadions ist laut DFB-Statuten schon etwas zu klein, der Waldhof bekomme derzeit eine Sondergenehmigung. Deshalb sei es leider nicht möglich, mehr Platz vom Spielfeld für den Rollibereich abzuzwacken. Ohne Zaun sei es für die Zuschauer aber gefährlich.

Für das Spiel gegen Aue hat Lepold verschiedenartige Zaunelemente aufgebaut. Ein Stück des Zauns ist mit schwarzer Farbe lackiert, es gibt ein Netz aus Stahlseil, ein dünnes schwarzes Nylonnetz, und eben Plexiglas. Die Rollifahrer sollen aussuchen, was sie haben möchten, und diese Variante wird dann so schnell wie möglich installiert. Eigentlich mache die Stadt jetzt alles richtig, meint Stahl: „Sie gibt verschiedene Optionen und fragt uns, was für uns das Beste ist.“

Nur eines dürfe nicht passieren: Dass die Plätze hinter dem Zaun die finale Lösung werden. „Die Übergangslösung darf nicht bleiben. Wir wollen erhöht sitzen und wie alle anderen auch über den Zaun auf Fußballfeld gucken.“ Das werde noch vier oder fünf Jahre dauern, wie Specht, der selbst großer Waldhof-Fan ist, ohne Umschweife offenbart. Ein Neubau des Rollibereichs könne erst im Zuge der Stadionsanierung oder im Rahmen eines Neubaus umgesetzt werden. Bis es so weit ist, will die Stadt aber zeitnah alle Verbesserungen realisieren, die möglich sind.

Freie Autorin

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