Hoffenheim. Das Gesicht von Luc Holtz spricht Bände nach dem 0:2 (0:0) seines SV Waldhof Mannheim am Sonntag bei der TSG 1899 Hoffenheim II. 23 Mal hatte seine Mannschaft aufs gegnerische Tor geschossen. Ein Treffer wollte ihr nicht gelingen. So waren es zwei späte Abwehrpatzer, die die Partie gegen den SVW entschieden und den Cheftrainer enttäuscht zurückließen. Dabei ist das Risiko im Spielsystem bewusst kalkuliert und bei einem Gegner wie am Sonntag noch ein bisschen höher als sonst.
Gegen die drittbeste Offensive der Liga rückt Holtz nicht von seinem Ansatz ab: Er will, dass seine Jungs die Initiative übernehmen. Angriff als die beste Verteidigung. Das gelingt über weite Strecken ziemlich gut. Der Waldhof lässt zunächst bis auf einen Freistoß an der Strafraumkante nichts zu, was ihm gefährlich werden könnte. Die Viererkette arbeitet genauso seriös wie Janne Sietan und Diego Michel, denen als Abfangjäger vor der letzten Reihe besondere Bedeutung zukommt.
Hoffenheimer Stresstest für die Waldhof-Defensive
Der Stresstest für die Waldhof-Defensive hat an diesem regnerischen Sonntagnachmittag viele Namen. Den schillerndsten davon bringt Rechtsaußen Ayoube Amaimouni mit, inklusive neun direkter Torbeteiligungen in zwölf Partien. Samuel Abifade macht gegen den Topscorer ein starkes Spiel. Nicht nur, weil er dem quirligen 20-Jährigen defensiv auf den Füßen steht, sondern sich auch immer wieder nach vorne einschaltet und so die Hoffenheimer Offensivkraft in der Abwehr bindet.
Dass Amaimouni in der letzten Minute der Nachspielzeit doch noch sein Tor macht, ist aus Waldhof-Sicht in höchstem Maße ärgerlich. Einmal passt der ansonsten bärenstarke Diego Michel nicht auf, verliert Zweikampf und Ball und kann im Liegen nur zuschauen, wie Amaimouni auf und davon zieht. Genauso unnötig ist das 1:0 der TSG zehn Minuten vorher, als Joker Arian Llugiqi von einer Mannheimer Fehlerkette profitiert, die von einer schlecht verteidigten Flanke bis zu den Stellungsfehlern von Malte Karbstein und Niklas Hoffmann direkt vor dem Tor reicht.
„Wir haben schon auch etwas zugelassen, aber das war kalkuliert. Wir wussten, dass wir vorne viele Räume bekommen und haben das Risiko bewusst genommen“, ordnet Gerhard Zuber ein. Der Geschäftsführer Sport verpasst keine Gelegenheit zu betonen, dass er mit seinem Trainer in Sachen spielerischer Ausrichtung auf einer Wellenlänge liegt. Offensiv soll es sein, möglichst dominant. Bietet der Gegner in dieser Hinsicht etwas an, packt der Waldhof zu und übernimmt, so wie am Sonntag, das Kommando auch auf fremdem Platz gegen eine spiel- und konterstarke Truppe.
Kongeniales Duo mit viel Effekt, aber keiner Effizienz
Dabei hätte auch alles gutgehen, der SVW mindestens zwei- bis dreimal in Führung gehen können, vielleicht müssen. Vor allem Felix Lohkemper, sonst Mister Effizienz persönlich, übt sich im Vergeben bester Chancen, meist in Szene gesetzt vom kongenialen Sturmpartner Kennedy Okpala. Der wiederum hat in Minute 76 die allergrößte Chance auf dem Fuß – und schießt ziemlich weit am rechten Pfosten vorbei. „Es ist sehr ärgerlich und ich habe gerade auch ein bisschen mit mir zu kämpfen wegen solcher Dinge. Aber vielleicht ist das auch ganz gut für meine Entwicklung“, analysiert Okpala hinterher.
Er und Lohkemper sind Hauptprofiteure der neuen Waldhöfer Offensivfreude. In Hoffenheim kommen sie immer wieder in die gefährlichen Räume, zu Pass- und Schussmöglichkeiten, denen am Ende nur die allerletzte Präzision fehlt. „Was ich meiner Mannschaft vorwerfen muss, ist, dass sie kein Tor gemacht hat“, sagt Holtz. Zur ganzen Wahrheit gehören aber auch die zahlreichen Hochkaräter beim Gegner: Ruben Reisig kann kurz vor der Pause zweimal treffen, als er im Strafraum frei zum Schuss kommt. Insgesamt kommt Waldhof-Keeper Thijmen Nijhuis auf ein halbes Dutzend Glanzparaden, ohne die es durchaus öfter klingeln kann im Mannheimer Gehäuse.
Schmaler Grat zwischen Hurra-Fußball und kontrollierter Offensive
Ein schmaler Grat liegt zwischen Hurra-Fußball und kontrollierter Offensive, zwischen Mut und Fahrlässigkeit, zwischen Angriffslust und Naivität. Diego Michel, der am Sonntag zum ersten Mal nach seiner Verletzung wieder in der Startelf steht und eine Top-Leistung abliefert, fasst es so zusammen: „Manchmal ist Fußball so. Es gibt so Tage, an denen man nicht trifft, obwohl man einige hundertprozentige Chancen hat. Wichtig ist, das jetzt abzuhaken, und es im nächsten Spiel besser zu machen.“
Zweifel am System und an der Grundausrichtung sind trotz der schmerzhaften Niederlage bei keinem zu hören. Nicht beim Trainer, nicht beim Sportchef, nicht bei den Spielern. Das spricht für Geschlossenheit und Überzeugung. Der SV Waldhof wird diesen Weg weitergehen und weiter mit dem Feuer spielen. In einer ausgeglichenen Spielklasse wie der Dritten Liga birgt dieser Ansatz große Möglichkeiten, aber auch, wie jetzt in Hoffenheim gesehen, Gefahren. Ein kalkuliertes Risiko, das eines immerhin nicht ist: vorhersehbar und langweilig.
Weiter geht es für den Waldhof am Freitag mit dem Gastspiel bei Spitzenreiter MSV Duisburg. Damit muss man binnen einer Woche zu beiden Top-Aufsteigern, die mit einer Extra-Portion Euphorie und Unbekümmertheit besonders schwer zu spielen sind. Doch auch in Duisburg braucht man nicht mit einem defensiven SVW zu rechnen, kennen die Mannheimer nur das eine Ziel, unbedingt wieder Tore zu schießen.
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