Bundesgartenschau

Was eine Hochschulstudie über die Mannheimer Buga-Seilbahn sagt

Sozial, Ökonomisch und Ökologisch - nach diesen Kriterien hat ein Team der Hochschule Darmstadt die Seilbahn der Mannheimer Bundesgartenschau untersucht. Was es herausfand und was die Wissenschaftler empfehlen

Von 
Peter W. Ragge
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So ist sie in bester Erinnerung: die Seilbahn über der Feudenheimer Au und dahinter die Silhouette der Stadt Mannheim mit Fernmeldeturm. © Michael Ruffler

Mannheim. Viele Besucher waren von ihr begeistert – nun sind es auch die Wissenschaftler: Eine Studie der Hochschule Darmstadt hat bewiesen, dass die Seilbahn während der Bundesgartenschau „sowohl finanziell als auch ökologisch und sozial attraktiv“ gewesen sei. Das ist das Ergebnis der Nachhaltigkeitsbetrachtung, die Professor Jürgen Follmann sowie Thomas Marx und Sebastian Bruns vom Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen der Hochschule vorgelegt haben.

Schon im Oktober 2023, nach Ende des sommerlangen Fests, haben die Bundesgartenschau-Gesellschaft sowie die österreichische Firma Doppelmayr die Seilbahn als einen „großen Erfolg für Besucher und die Umwelt“ bezeichnet. Dabei beriefen sie sich bereits auf die Hochschule Darmstadt. Zunächst lag nur ein positiver Zwischenbericht vor, der auf Daten der ersten sechs Wochen der Buga basierte. Nun ist die Studie komplett: „Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen“, fasst Thomas Marx sie zusammen.

Um was geht es bei der Untersuchung?

Die Seilbahn hat während der Bundesgartenschau von April bis Oktober 2023 die Haupt-Verbindung zwischen den Luftlinie knapp 2,1 Kilometer von einander entfernten Ausstellungsgeländen Spinelli und Luisenpark dargestellt. Laut elektronischer Zählung an den Stationen sind mit ihr 3,06 Millionen Menschen gefahren – manche der 2,2 Millionen Buga-Besucher nutzten sie also mehrfach. Die österreichische Firma Doppelmayr hatte den Auftrag, die Seilbahn zu bauen, zu betreiben und wieder abzubauen. Die Kosten lagen bei acht Millionen Euro. Der Betrieb erfolgte mit Ökostrom.

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Was wurde genau untersucht – und was nicht?

Die Hochschule hatte von Anfang an von der Buga-Gesellschaft und von Doppelmayr den Auftrag, den Betrieb der Seilbahn auf seine Nachhaltigkeit und seinen Beitrag zu einem klimafreundlichen Verkehrskonzept zu untersuchen und zu bewerten. Dazu wurde die Seilbahn mit den Alternativen Elektrobus oder Dieselbus verglichen. Die Wissenschaftler machten dazu Ortsbegehungen, Literaturrecherchen, Berechnungen und werteten Daten des Mannheimer Nahverkehrs aus. Bewertet wurde nach den Kriterien Soziales, Ökonomie und Ökologie – aber nur der Betrieb, nicht die Herstellungskosten oder der komplette CO2-Fußabdruck von Fahrzeugen.

Wäre statt der Seilbahn ein Busverkehr zwischen den Buga-Geländen möglich gewesen?

Das hat bereits die Bundesgartenschau-Gesellschaft verneint, als sie die Genehmigung für die Seilbahn beantragte. Die Studie hat das nochmal genauer untersucht und als „nicht praktikabel“ bezeichnet. Der bestehende Öffentliche Nahverkehr habe eine viel zu geringe Restkapazität von weniger als 100 Personen pro Stunde. Man hätte also Zusatzbusse fahren lassen müssen, in Spitzenzeiten im Takt von zwei Minuten, und allein dafür 24 Busse beschaffen müssen – zusätzlich zu denen, die für den Pendelverkehr zum Großparkplatz am Maimarktgelände nötig waren. Hinzu kommt das Problem des Fahrermangels. Für die Strecke zwischen Luisenpark und Spinelli haben die Wissenschaftler einschließlich Fahrgastwechsel 30 Minuten veranschlagt – plus Staugefahr. Das mache die Verbindung „unattraktiv und weniger geeignet“ im Vergleich zur Seilbahn, die sieben Minuten brauchte. Zudem wäre es nötig gewesen, eine Fahrspur für Busse zu reservieren, etwa auf der Au oder der B 38a – quasi unmöglich.

Was bedeutet, dass soziale Kriterien untersucht wurden?

Dazu haben die Wissenschaftler subjektive Aspekte wie Fahrgefühl, Komfort, Erlebnis, Sicherheit und Barrierefreiheit bewertet.

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Und mit welchem Ergebnis?

Die Seilbahn schneide „gut bis überragend“ ab. Die quasi taktfreie Anbindung (die Seilbahn ist ja ununterbrochen gefahren), die Barrierefreiheit, Fahrgefühl, Komfort und Erlebnis sorgen für sehr gute Werte, während Busse bei Geräumigkeit und Fahrgeräuschen schlechte Noten bekommen. Etwas schlechter eingeschätzt wird von den Fahrgästen im Vergleich der Seilbahn zu Bussen die fehlende Präsenz von Personal in den Kabinen und die, wie es heißt, „verminderte Erreichbarkeit bei Notfällen“. Dennoch sei in der Gesamtwertung die Seilbahn „das sozial nachhaltigere Verkehrsmittel“.

Wie sieht die wirtschaftliche Betrachtung aus?

Nach Ansicht der Wissenschaftler ist die Seilbahn mit acht Millionen Euro die kosteneffizienteste Lösung. Für einen Dieselbusverkehr haben sie zehn Millionen an Kosten errechnet, für Elektrobusse 22 Millionen Euro. Zudem heben die Wissenschaftler den „vergleichsweise niedrigen Energieverbrauch“ hervor. Auch der Flächenverbrauch ist niedriger. Für die Seilbahn seien für Stationen und Stützen 3500 Quadratmeter bebaut worden, aber nur vorübergehend. Der Neubau einer Straße mit einer je 3,50 Meter breiten Fahrbahn je Richtung für eine Busverbindung hätte 37 450 Quadratmeter erfordert. Für tiefere wirtschaftliche Betrachtungen fehlten aber Daten, etwa zu Rohstoffgewinnung, Herstellung, Instandhaltung und Entsorgung.

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Und wie bewerten die Forscher die ökologischen Auswirkungen?

Sehr positiv. In Sachen Lärm und Abgase habe die Seilbahn „moderate bis keine Auswirkungen auf die Umwelt“ – im Gegensatz zu Bussen. Relevante Auswirkungen gebe es lediglich auf Biosphäre und Flächenversiegelung, jedoch nur vorübergehend, weil alles zurückgebaut und rekultiviert wurde. Auch Elektrobusse seien heute zwar leise und sauber, ihr Energieverbrauch liege indes weit über der Seilbahn. Dieselbusse schneiden ganz schlecht ab, ihre Ökobilanz sei „nicht hinnehmbar“.

Wie lautet insgesamt das Fazit der Wissenschaftler aus Darmstadt?

„Das Ergebnis bestätigt die Entscheidung zur Seilbahn als nachhaltiges Verkehrsmittel für die temporäre Verbindung der beiden Buga-Gelände“, schreiben sie. Besonders bei Verbindungen mit hohem Fahrgastaufkommen, auf denen keine direkten Trassen für Busverkehr (oder Straßenbahnen) bestehen, hätten Seilbahnen „in allen drei Hauptbereichen der Nachhaltigkeit entscheidende Vorteile gegenüber konventionellem Personennahverkehr“.

Was empfehlen die Forscher nun?

Ihr Papier endet mit einem klaren Plädoyer, Technologien wie die Seilbahn in ganzheitliche Nahverkehrs-Konzepte zu integrieren, sie an bestehende sowie geplante Strukturen anzupassen, um etwa Lücken im Verkehrsnetz zu schließen. „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich ein hohes Potenzial einer urbanen Seilbahn im öffentlichen Verkehr abzeichnet“, schreiben die Autoren der Studie. „Angesichts des Klimawandels und anderer drängender gesellschaftlicher Herausforderungen, die insbesondere Energie und Mobilität betreffen, ist es unerlässlich, alternative Verkehrssysteme zu berücksichtigen und zu entwickeln“, schreiben sie. Die erfordere aber „Offenheit und Mut“.

Redaktion Chefreporter

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