Mannheim. Frau Eder und Herr Kern, die Hochschule ist in ein besonderes Semester gestartet: Neben Philipp von Ritter zu Groenesteyn als Kanzler hat Angelika Altmann-Dieses die Stelle als Rektorin angetreten. Welche Erwartungen hat die Studierendenvertretung an die neue Rektorin?
Niklas Kern: Als AStA haben wir mit der neuen Rektorin ein erstes Gespräch geführt. Man muss sagen: Es weht ein angenehm frischer Wind durch die Hochschule. Es ist schön zu sehen, dass die neue Führung die Intension hat, alte Strukturen aufzubrechen und neue Ziele anzugehen. Frau Altmann-Dieses ist uns als Studierende sehr auf Augenhöhe begegnet - das ist, nach allem, was wir bislang gehört haben, prinzipiell eine ihrer Stärken. Das braucht die Hochschule jetzt auch. Es gibt einige Baustellen, die vom Rektorat dringend angegangen werden müssen.
Welche zum Beispiel?
Kern: Ein Beispiel ist der Prüfungsplan, der immer sehr kurzfristig erst aufgestellt worden ist. Das macht die Planung sehr schwierig. Frau Altmann-Dieses hat zugesichert, dass sie das angehen will. Eine große Baustelle sind auch die Nachwirkungen der Pandemie bei Studierenden. Da hat sie Verständnis signalisiert, auch weil sie an ihrer alten Hochschule in Karlsruhe erlebt habe, wie Studierende darunter gelitten und teilweise abgefertigt worden waren. Wir haben das Gefühl, dass diese Zeit jetzt gemeinsam aufgearbeitet wird und die Probleme gemeinsam angegangen werden.
AStA der Hochschule
- Niklas Kern ist 28 Jahre alt und studiert an der Fakultät für Informationstechnik im 3. Mastersemester. Als Vorsitzender leitet er den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), der die Interessen der mehr als 5100 Studentinnen und Studenten der Hochschule vertritt.
- Angelina Eder studiert an der Fakultät für Informatik und befindet sich im 8. Bachelorsemester. Die 28-Jährige ist stellvertretende AStA-Vorsitzende.
- In diesem Jahr wurde die Hochschule 125 Jahre alt. Der Festakt wird kommendes Jahr begangen. Im Oktober 2023 folgte Angelika Altmann-Dieses als Rektorin auf Astrid Hedtke-Becker. Mit Philipp von Ritter zu Groenesteyn gibt es zudem einen neuen Kanzler.
In Gesprächen mit Studierendenvertretungen kommt immer wieder das Thema mentale Probleme nach der Pandemie auf. Man hat das Gefühl, dass Studentinnen und Studenten davon besonders betroffen sind. Warum?
Angelina Eder: Die Pandemie hat viele Studentinnen und Studenten in einer Zeit getroffen, in der sie gerade ausgezogen sind, in eine neue Stadt gekommen sind und niemanden gekannt haben. Es hat keine Vorlesungen und Seminare gegeben, die Kneipen waren geschlossen, und viele haben gar keine Möglichkeit gehabt, Menschen kennenzulernen. Natürlich sind dann einige zurück zu ihren Eltern gezogen - was ja auch keine angenehme Situation ist. Ich habe im Sommer 2020 angefangen und keinen meiner Kommilitonen kennengelernt. Ich erinnere mich an einen Online-Spieleabend. Wenn man aber die Leute, die sich da zuschalten, noch nie gesehen hat, dann funktioniert das Vernetzen über den Bildschirm schlecht. Und auch die Politik hat uns oft das Gefühl gegeben, dass man uns vergisst. Kern: Es gibt zwei Gruppen von Menschen, die während Corona angefangen haben zu studieren. Die eine, zu der ich mich zähle, hat gemerkt: ,Verdammt, ich gehe hier unter. Ich brauch’ meine sozialen Kontakte.’ Wir merken, dass sich diese Menschen nach der Pandemie schnell in Fachschaften und anderen Initiativen engagiert haben und dort Halt finden. Und dann gibt es eben auch die andere Gruppe, die während Corona angefangen hat und keine Menschen kennengelernt hat und immer noch große Schwierigkeiten hat, sich zu sozialisieren. Bis diese Nachwirkungen aufgearbeitet sind, wird es noch einige Zeit dauern.
Das Semester zeigt auch wieder, dass im Maschinenbau Studentinnen und Studenten fehlen. Warum ist das Fach für junge Menschen nicht mehr attraktiv?
Kern: Schwierige Frage. Ich habe neulich ein Buch darüber gelesen, dass sich die Vorbilder in unserer Gesellschaft verändert haben. Der Kapitalismus fördert das Denken, man kann nur etwas erreichen, wenn man Geld hat. Über Geld zeigt sich, ob ich erfolgreich bin. In den letzten Jahrzehnten sind Steve Jobs oder auch Elon Musk zu Vorbildern geworden, weil sie durch Digitalisierung viel Geld verdient haben. Die Tech-Blase ist riesig, und in der Blase ist wahnsinnig viel Geld drin. Informatik war in den 80er oder 90er-Jahren ein Fach für Nerds - heute sitzen da ganz viele Studis drin, die das nicht mehr aus Liebe zum Fach machen, sondern weil man weiß, dass es einen großen Markt gibt, auf dem gut bezahlt wird. Ich könnte mir vorstellen, dass es deshalb eine Verschiebung weg vom Ingenieur hin zu IT-lastigen Studiengängen gegeben hat. Die Informatik ist auch allgegenwärtiger als Maschinenbau.
Wie kann man Maschinenbau wieder attraktiver gestalten? Wir brauchen die Branche dringend.
Eder: Indem man sagt, dass man da auch programmieren lernt (lacht).
In diesen Tagen haben wissenschaftliche Hilfskräfte gestreikt, um in den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst zu kommen. Warum ist das so wichtig?
Kern: Gewerkschaften versuchen im Moment, Hiwis in diesen Tarifvertrag zu integrieren. Momentan bestimmt das Land, wie viel Geld Hiwis mit oder ohne Bachelorabschluss bekommen und wie viel Hiwis mit Master bekommen. Teilweise werden die wissenschaftlichen Hilfskräfte auf die Stunde gerechnet unter Mindestlohn bezahlt. Wenn man sich über Armut unter Studierenden unterhält, muss man wissen, dass rund 40 Prozent der Jobs, die Studis machen, Hiwi-Stellen sind. Das ist der größte Arbeitsmarkt für Studierende und mit Sicherheit keine marginale Gruppe. Diese Gruppe hat aber keine Lobby - und es ist an der Zeit, das zu ändern.
Lassen Sie uns über Nachhaltigkeit sprechen, über die im Zusammenhang mit dem Betrieb an Hochschulen auch immer wieder diskutiert wird. Man hört, dass sich das Green Office sehr gut entwickelt. Ist die Hochschule, was die Nachhaltigkeit betrifft, also auf einem zufriedenstellenden Stand?
Kern: Vor ein paar Wochen ist die Klimamanagerin des Landes, die mehrere Hochschulen betreut, auf uns zugekommen, um mit uns über die VRN NextBike-Aktion zu sprechen. Als AStA haben wir ausgehandelt, dass Studis im Rahmen ihres Semesterbeitrags pro Fahrt 30 Minuten lang das NextBike kostenlos nutzen können. Das ist gut angekommen. Gerade nach Corona haben sich die Nutzungen im Monat versechsfacht. Wir sind im Gespräch, die Nutzung auch auf Mitarbeitende auszuweiten. Von der Klimamanagerin haben wir aber gehört, dass die Hochschule Mannheim im Vergleich zu anderen Universitäten und Hochschulen in Sachen Nachhaltigkeit noch viel Potenzial hat.
Hat sie gesagt, wo sie Potenzial sieht?
Kern: Nein, das hat sie - zumindest uns gegenüber - nicht genauer erklärt. Wenn man aber weiß, dass der Campus vor der Mensa unter Studis auch „grauer Campus“ genannt wird, ist das schon sehr bezeichnend. Das Green Office ist dabei, auf dem Campus mehr Grünflächen zu schaffen und will zum Beispiel Blumenkästen von der Buga kaufen. Eder: Generell kann man Papier einsparen - auch wenn das in der Informatik schon gut klappt. Im Sozialwesen ist da Potenzial vorhanden. Gut ist, dass wir einige Klausuren inzwischen nicht mehr auf Papier schreiben.
Da wären wir beim Thema Digitalisierung.
Kern: Die Brücke kann man da sehr gut schlagen. Ich glaube, die Hochschule unterscheidet sich da nicht groß von anderen deutschen Institutionen: Das Neuland Internet ist an vielen Stellen tatsächlich immer noch Neuland. Auch bei uns.
Aber durch die Pandemie musste doch digitalisiert werden. War das nicht nachhaltig?
Eder: Es gibt unter Dozierenden zumindest die Bereitschaft, einige digitale Formate beizubehalten. Kern: Es gibt natürlich auch bei uns Fälle, bei denen wir Arbeiten auf dem Laptop schreiben, sie zum Abgeben aber ausdrucken müssen, nur damit sie danach wieder eingescannt werden. Das gibt es aber überall und ist kein Problem der Hochschule. Wir haben die Technik zum Digitalisieren. Wir haben die Technik seit zehn Jahren - aber es gibt keine einheitliche Infrastruktur und immer noch rechtliche Bedenken, die alles verlangsamen. Man darf bei den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung die Hochschulen aber auch nicht allein in die Pflicht nehmen. Das, was hier passiert, sind letztlich Symptome falscher Politik. Da stimmen wir mit der Rektorin überein. Wir haben alte Gebäude, die renoviert werden müssen. Das wissen wir. Das weiß das Rektorat. Vom Land gibt es aber einen Stopp für Neubauten. Der Bund streicht Mittel für Bildung. Das kommt alles unten an. Wenn oben entschieden wird ,Ihr habt Platzmangel, dürft aber nicht bauen’ oder ,Bildung ist unser großes Thema, darf aber bloß nichts kosten’, ist man auch als Hochschule machtlos.
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