Auswahlverfahren läuft bereits

Mannheim bekommt erstmals einen Wildtierbeauftragten

Die Stadt Mannheim richtet eine hauptamtliche Stelle für Wildtier-Belange ein. Die AfD jubelt, das habe ihr Antrag bewirkt. Aber das stimmt nicht.

Von 
Steffen Mack
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Dieses Bild zeigt einen in einem Garten gefundenen Igel, der sich durch ein Netz verletzt hat. © picture alliance/dpa

Mannheim. Menschen, die in ihrem Garten etwa einen verletzten Igel oder elternloses Vogelküken finden, schimpfen nicht selten auf die Stadt. Weil dort auf die Schnelle schwer jemand zu erreichen ist, der einem weiterhilft. Das soll sich bessern. Erstmals bekommt Mannheim einen hauptamtlichen Wildtierbeauftragten. Die Stelle wurde ausgeschrieben, derzeit läuft das Auswahlverfahren, wie Stadtsprecherin Désirée Leisner auf Anfrage mitteilt.

In sozialen Medien feiert die AfD diese Stelle als ihren Erfolg. „Unser Antrag wirkt – Mannheim bekommt einen Wildtierschutzbeauftragten“, schreibt die Fraktion auf ihrer Facebook-Seite. „Vernunft kennt keine Brandmauer. Unser Antrag war ein Erfolg für den Natur- und Tierschutz in unserer Stadt!“, wird der Kreisverbands- und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Heinrich Koch zitiert. Der neue Bundestagsabgeordnete ist privat Jäger. Er verspricht, der neue Beauftragte werde für ein „gesundes Miteinander“ von Mensch und Tier sorgen.

Das Selbstlob hat indes einen erheblichen Schönheitsfehler: Es ist schlicht falsch. Die AfD stellte ihren Antrag am 30. September 2024. Das Verfahren zur Einrichtung der neuen Stelle wurde laut Leisner aber bereits im Februar vorigen Jahres gestartet. Es habe sich allein wegen der Finanzierung verzögert. Die Stadtsprecherin verweist auch darauf, dass es sich um eine vom Land allen Kommunen gestellte Pflichtaufgabe handele. Zur Erfüllung sei somit weder ein Beschluss noch der Antrag einer Fraktion erforderlich gewesen.

Neuer Beauftragter nur als Teilzeitstelle ausgeschrieben

In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Sicherheit und Ordnung, in dem der AfD-Antrag erstmals behandelt wurde, informierte Bürgermeister Volker Proffen über die laufende Stellenbesetzung. Die Stadt habe sich dafür trotz ihrer schwierigen Haushaltslage entschieden. Der neue Beauftragte könne auch bei „Problemtieren“ wie Waschbären helfen, so der CDU-Dezernent. Koch reagierte erfreut und bedankte sich. Die Grünen-Stadträtin Christina Eberle lobte die Entscheidung ebenfalls, mahnte aber, auch die Belange des Tierschutzes zu berücksichtigen. Dafür war sie früher als ehrenamtliche Beauftragte der Kommune zuständig.

Michael Sehr von der Tierrettung Rhein-Neckar trägt einen verletzten Hund aus einem Haus. Die Stadt Mannheim hat den Vertrag für Tiertransporte mit ihm nicht verlängert, was vielfach auf Kritik stößt. © Christina Sehr

Nach Angaben von Proffen soll der hauptamtliche Wildtierbeauftragte eng mit anderen städtischen Stellen wie dem Veterinäramt und der Waffenbehörde zusammenarbeiten, zudem auch ins Tiermonitoring der Jäger eingebunden werden. Laut Stellenausschreibung gehört zu seinen Aufgaben ferner: langfristige Konzepte und Strategien in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten erarbeiten, bei Anfragen zu Wildtieren fachkundig beraten und unterstützen, auch bei Schäden. Er soll sich zudem ein Netzwerk aufbauen, Vorträge und Schulungen halten sowie Pressemitteilungen verfassen.

Auch die Voraussetzungen für einen Jagdschein sind zu erfüllen

Weil es sich um eine kommunale Pflichtaufgabe handele, sei auch die Qualifikation für diese teilweise gesetzlich vorgeschrieben, so Leisner. In der Ausschreibung wird ein Abschluss als Bachelor of Science Forstwirtschaft, Wildtiermanagement, Ökologie, Biologie oder Naturschutz verlangt, alternativ ein vergleichbarer Hochschulabschluss. Zudem sind die Voraussetzungen für einen Jagdschein zu erfüllen.

In einem anonymen Schreiben an den „MM“ wird kritisiert, dass es nur eine Teilzeitstelle ist. „Ein Schlumpf, der sich auf so eine Stelle bewirbt“, heißt es. Dazu erklärt Leisners Kollegin Anja Kobbe, die vorgesehenen 29,25 beziehungsweise 30,75 Stunden beruhten auf einer qualifizierten Schätzung des Zeitaufwands. „Ob der Umfang so ausreicht, wird nach zwei Jahren Besetzungsdauer nochmal evaluiert. Tatsächlich ist es im Städtevergleich so, dass es sich beim Wildtierbeauftragten häufig um eine Teilzeitstelle handelt.“ Auch reichten die Fördermittel des Landes für Vollzeit nicht aus.

Aus für Tierrettung Rhein-Neckar wird Thema im Gemeinderat

Der Mannheimer Gemeinderat wird sich demnächst noch mit einem anderen Wildtier-Thema beschäftigen: den Transporten. Den Auftrag dazu hat die Stadt neu ausgeschrieben und ab August ein Unternehmen damit betraut, nicht mehr die Tierrettung Rhein-Neckar. Der droht nun nach Angaben ihres Gründers Michael Sehr die Insolvenz.

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Die Entscheidung der Kommune für ein vermeintlich günstigeres Angebot hat unter Tierschützern heftige Proteste ausgelöst. Rund 7.500 Menschen unterzeichneten eine Online-Petition dagegen. In ähnlich lautenden Anträgen fordern Grüne, SPD und LTK nun Aufklärung, welche Kriterien bei der Vergabe ausschlaggebend waren, was die Qualifikation des neuen Anbieters angeht und, ob weiter an sieben Tagen in der Woche eine 24-stündige Erreichbarkeit gewährleistet wird.

Um den toten Schwan vom Vogelstangsee soll es ebenfalls gehen

Die Anträge wurden im März in den Gemeinderat eingebracht und ohne Aussprache wie üblich zur Beratung in den zuständigen Ausschuss verwiesen, das ist der für Sicherheit und Ordnung. Seine nächste Sitzung ist am 13. Mai. Ob das Thema dann bereits auf der Tagesordnung landet, ist allerdings offen.

Ein weiterer, zur gleichen Zeit gestellter Antrag der LTK verlangt Aufklärung über Zuständigkeiten bei der Wildtierrettung. Anlass ist der Fall eines Schwans im Vogelstangsee, der nach zehn Tagen qualvoll an einem verschluckten Maiskolben starb. Auch das wäre künftig ein Fall für den neuen Wildtierbeauftragten. Oder auch die, selbstverständlich.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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