Mannheim. Die Jugend: Sie ist eine Zeit der Orientierung. Der Selbstfindung und des Erwachsenwerdens. Im Sozialgesetzbuch ist in Deutschland das Recht auf Erziehung und Jugendhilfe verankert. „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung.“ Angebote der Jugendhilfe sollen demnach auch „dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen“.
Jugendliche aus der LGBTIQ-Community sind dabei in einer besonderen Situation. LGBTIQ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und queere Menschen. Queer zu sein, heißt unter anderem, einer anderen als der heterosexuellen Geschlechtsidentität zugehörig zu sein. Menschen wie diese, „die damit konfrontiert sind, dass ihre geschlechtliche Identität, sexuelle und/oder romantische Orientierung nicht den Erwartungen der Umwelt entspricht, müssen besondere psychische und soziale Bewältigungsleistungen erbringen“, formuliert es die Psychologische Lesben- und Schwulenberatung PLUS. Der Verein unterstützt in seiner täglichen Jugendarbeit diese Jugendlichen und auch ihre Angehörigen.
Queerer Jugendtreff - Mögliche Angebote
Einige mögliche Angebote im Queeren Jugendtreff laut Vorschlägen von PLUS:
- „Einstieg – Erstmal ankommen“: Zu bestimmten Zeiten soll der Queere Jugendtreff für Jugendliche und junge Erwachsene geöffnet sein, die ihn zum ersten Mal besuchen. „Hier können in kleiner Runde eine Besichtigung der Räume und ein Kennenlernen des Teams eingerichtet, eventuelle Unsicherheiten und Fragen geklärt und so ein niedrigschwelliger und leichter Einstieg in den Besuch zu regulären Öffnungszeiten ermöglicht werden“, so PLUS.
- „Offenes Café“: Ein Basisangebot an den regulären Öffnungszeiten des Jugendtreffs. „Hier haben junge Menschen die Möglichkeit, allein oder in der Gruppe Zeit zu verbringen, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich an den Impulsen der Mitarbeitenden zu beteiligen“, beschreibt PLUS.
- Anbindung an die Beratungsstelle von PLUS: Mitarbeitende können zu ihr schnell Kontakt herstellen. Sie können eine Hilfestellung für ratsuchende Jugendliche sein und den Erstkontakt zur Jugend- oder Familienberatung oder anderen Angeboten erleichtern. Auch zu Angeboten wie KOSI.MA, dem Zentrum für sexuelle Gesundheit. Dabei könnten wichtige Inhalte einer sexuellen Bildung vermittelt werden, die in der heteronormativen Sexualaufklärung des Schulunterrichts meist fehle, so PLUS. see
PLUS soll nun auch die Trägerschaft für einen neuen queeren Jugendtreff in Mannheim erhalten. „Der queere Jugendtreff wird als Angebot der Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt entwickelt und eingerichtet“, heißt es in der Beschlussvorlage für den Gemeinderat. Der Bildungsausschuss berät am 10. März anhand des vorgelegten Konzeptes von PLUS, der Gemeinderat soll dem Treff in seiner Sitzung am 15. März zustimmen. Das Angebot soll ein Raum für die junge Mannheimer LGBTIQ-Community sein und ihre Entwicklung und Teilhabe auch vor oben genannten Hintergründen fördern.
Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2022 wurde die Einrichtung des Treffs bereits beschlossen. Anträge gab es von Li.Par.Tie, CDU, SPD und den Grünen. Grundlage der Förderung sind zudem Förderrichtlinien für Jugendtreffs.
Aufgrund der „großen Erfahrung mit der zukünftigen Zielgruppe“ empfiehlt die Verwaltung, die Trägerschaft PLUS zu übertragen, heißt es in der Vorlage für den Gemeinderat. Zur Durchführung des Angebots könnten Räume im queeren Zentrum in den Quadraten vom zukünftigen Träger angemietet werden, die für die Jugendarbeit geeignet sind, heißt es weiter.
Das Angebot soll Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis unter 27 Jahren „zu einer guten Freizeitgestaltung, der Beteiligung an außerschulischen Bildungsangeboten und dem Aufbau von Selbstbewusstsein sowie von persönlicher und sozialer Kompetenz anregen“, so die Vorlage. Dabei sollen die besonderen Lebensbedingungen und Lebensstile von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus der LGBTIQ-Community Berücksichtigung finden.
Lautstarke Demo ging voraus
Es könnte offene Cafétage, Projekte am Wochenende, Geschlechter- oder themenspezifische Öffnungstage als Angebote geben. Mitarbeitende sorgen für einen vertraulichen und geschützten Rahmen der Angebote, beschreibt PLUS. Aber auch Ferienangebote, niederschwellige Freizeitangebote, anknüpfend an die „Queer Weekend Lounge“ (eine Alternative zur kommerziellen Party- und Kneipenszene Mannheims und Heidelbergs, die auch die Wurzel der Idee des queeren Jugendtreffs ist) könnten stattfinden, so PLUS.

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Der Weg zum Jugendtreff wurde unter anderem von einer lautstarken Demo begleitet. Vor den Etatberatungen im November 2021 demonstrierte die junge queere Community vor dem Rosengarten, in dem diese stattfanden. Denn die Pläne für einen queeren Jugendtreff in Mannheim sind nicht neu. Bereits 2018 taten sich etliche Organisationen gemeinsam mit dem Stadtjugendring zusammen. Sie erarbeiteten Pläne für eine Entschließungsgrundlage, thematisierten das Vorhaben im Jugendhilfeausschuss und hatten nach eingehenden Beratungen grundsätzlich auch die Stadtverwaltung auf ihrer Seite. „Das Projekt war eigentlich schon im städtischen Haushalt eingeplant – dann kam Corona“, sagte damals Johanna Illgner von PLUS hinsichtlich der Demo. Doch der Mannheimer Corona-Haushalt schob vielen neuen Projekten wie dem des Jugendtreffs zumindest vorerst den Riegel vor. Das hatte für queere Jugendliche teilweise ganz enorme Auswirkungen, berichtete Illgner. Auch als die Familie in Zeiten von Lockdowns und Kontaktbeschränkungen für viele Bürger vielleicht angenehmer Rückzugsraum war: „Für noch nicht geoutete queere junge Menschen wurde der Mikrokosmos des eigenen Zuhauses bisweilen auch zum erdrückenden Angstraum“, so der „MM“ damals in seiner Berichterstattung.
Jetzt aber muss nur noch der Gemeinderat zustimmen, dann geht es los mit dem Jugendtreff. Die entsprechenden Mittel wurden im Rahmen der Etatberatungen für das Haushaltsjahr 2022 in Höhe von 169 488 Euro in den Haushaltsplan eingestellt und stehen im Haushalt des Fachbereichs Jugendamt und Gesundheitsamt zur Verfügung, heißt es in der Vorlage. Mittelfristig wurden für das Haushaltsjahr 2023 172 505 Euro, 2024 dann 175 311 Euro und 2025 weitere 178 160 Euro in die mittelfristige Finanzplanung eingestellt.
Suizidgefahr steigt
Die Summe soll unter anderem „die Gleichstellung der Geschlechter und die Anerkennung vielfältiger menschlicher Identitäten und Lebensentwürfe“ herstellen, wie es Mannheim sich in seinem eigenen Leitbild zum Ziel gesetzt hat.
Und sie ist auch wichtig, weil die Datenlage zeigt – und das betont auch PLUS in seinem Konzept – dass zum Beispiel Selbsttötung unter LGBTIQ-Jugendlichen drohen können, wenn diese sich etwa in schwierige sozialen Situationen durch ihren LGBTIQ-Hintergrund befinden. „Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass Menschen, die nicht der spätestens bei der Geburt zugeschriebenen, sozialen Zweigeschlechternorm entsprechen, aufgrund ihrer Minderheitensituationen immer noch Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Gewalt erleben. Diese Erfahrungen können zu massiven Krisen und einem erhöhten Risiko sowohl psychischer Erkrankungen als auch von Suizidversuchen und Suiziden, vor allem bei Jugendlichen, führen“, so PLUS.
Gefährdet sind vor allem die Jugendlichen, die in der Familie „unerwünscht und ungewollt, emotional vernachlässigt sind, abgelehnt oder überfordert sind, in einer ständig gespannten Familienatmosphäre aufwachsen, Gewalterfahrungen (physisch und/oder psychisch) machen, schwere Verluste, Trennungen und Brüche erfahren haben, oder ein problematisches Coming out haben“, gibt auch der Verein „Coming Out Day“ an. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Lebenssituation von lesbischen und schwulen Jugendlichen in Deutschland aufzuklären und diese zu verbessern. Seinen Angaben zufolge sind dies rund 1, 2 Millionen Menschen.
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