Mannheim. Der helle Raum strahlt eine besondere Wohlfühlatmosphäre aus. Am Tischkicker misst eine Gruppe Jugendlicher ihre Geschicklichkeit. Andere junge Leute sind in ein Gespräch vertieft. Papierfähnchen in Regenbogenfarben ziehen die Blicke auf sich, ebenso wie ein Schild mit dem Spruch: „Du bist ‚gut so’“, eine Anspielung auf den Namen „des Mannheimer queeren Jugendtreffs in den Quadraten. Mit einer Kennenlernveranstaltung hat die Einrichtung am Samstag offiziell die Pforten geöffnet.
Künftig können alle queeren jungen Menschen montags bis donnerstags zwischen 16 und 20 Uhr sowie freitags zwischen 16 und 21 Uhr ins „gut so“ kommen. „Wir hatten im April eine Kick-off-Veranstaltung“, sagt David Kaiser. Der 32-Jährige ist einer von drei Personen, die die Jugendlichen betreuen, zudem komplettiert eine Projektleitung das vierköpfige Team. Kaiser ist eigentlich gelernter Gymnasiallehrer. „Unser Träger ist die Psychologische Lesben- und Schwulenberatung (PLUS), erzählt Sam Degott. Die 27-jährige Person gehört, wie Kaiser und Mareike Bundschuh zum Team der Betreuenden, beide haben Soziale Arbeit studiert. „Wir bieten aber keine direkte Beratung an.“ Stattdessen hat die Gruppe ein offenes Ohr für die Belange und Probleme der jungen Menschen und unterstützt sie, darin das passende Beratungsangebot zu finden.
Sich selber besser kennenlernen
Manche, die zum Jugendtreff kommen, seien sich ihrer sexuellen Orientierung auch noch unsicher, wollen sich selbst besser kennenlernen. „Andere wissen bereits, dass sie nicht zu den Cis oder Heteros gehören“, sagt Kaiser. „Aber sie können kein Wort dafür finden, mit dem sie sich gut fühlen.“ Degott fügt hinzu: „Wir haben den Raum für Jugendliche, die sich noch ausprobieren möchten.“ Und manche von ihnen wollen sich selbst auch gar kein Label geben oder in eine Schublade stecken, fügt Degott hinzu.
Dass es auch für junge Menschen, die queer sind, einen geschützten Ort gibt, an dem sie sie selbst sein und sich mit Gleichgesinnten austauschen können, dafür sei es längst Zeit gewesen, findet das Betreuer-Trio. „Es gab zwar das Jugendangebot von PLUS“, sagt Kaiser. Die Jugendgruppen von PLUS seien zudem bei Queer Future. In diesem Rahmen habe es auch immer wieder Veranstaltungen gegeben, aber keinen Treffpunkt, der auch immer unter der Woche geöffnet ist. „Das offene Angebot für LSBTTIQ-Menschen ist eine Bereicherung und wichtig für eine große Stadt wie Mannheim“, so Kaiser. Auch der Jugendtreff plant, Teil bei Queer Future zu werden. Die Öffnungszeiten seien gezielt nachmittags, so dass auch diejenigen kommen können, die noch zur Schule gehen, so Kaiser. Sie könnten aber auch noch angepasst werden. Außerdem gebe es außerschulische Bildungsangebote, erzählt Degott.
Viel Unterstützung
Kaiser ist schwul. „Ich habe mich recht spät geoutet“, sagt er. Mit 18 oder 19 Jahren hatte er mit seinen Eltern darüber gesprochen. Der Gedanke, dass er nicht hetero ist, sei ihm schon früher gekommen. Anvertraut hatte er sich auch seiner besten Freundin. Die Gesellschaft sehe unter anderem häufig vor, dass es lediglich zwei Geschlechter gebe, mit dem man geboren werde, und mit dem man sich sein ganzes Leben lang identifiziere. Doch das trifft nicht auf alle zu. „Dem zu widersprechen ist ein kontinuierlicher Prozess.“
Coley ist 17 Jahre alt und bezeichnet sich als „pan“. „Mir geht es nicht um das Geschlecht einer Person“, sagt Coley. „Ich verliebe mich nicht in ein Geschlecht, sondern in eine Person.“ Coley hat das schon relativ früh erkannt, mit dem Freundeskreis gesprochen und auch durch Gespräche mit den Eltern viel Unterstützung bekommen. „Meine Eltern stehen hinter mir.“ Doch Coley hat auch schon negative Erfahrungen durch das Coming-out gemacht, etwa in Form von Mobbing an der Schule. Inzwischen hat Coley den Schulabschluss in der Tasche und ist Azubi. Coley möchte „gut so“ regelmäßig besuchen und hofft auf den regen Austausch mit anderen queeren Jugendlichen. „Ich bin auch bei den Gipfelstürmern, einer anderen PLUS-Jugendgruppe, und dem queeren Jugendtreff in Heidelberg.“ Zudem engagiert sich Coley politisch und setzt sich für Akzeptanz von LGBTTIQ-Menschen ein. „Ich habe an der Demo für einen queeren Jugendtreff teilgenommen und bin bei Queer Future aktiv.“
Jojo ist non-binär und fühlt sich vor allem von Männern angezogen, schließt aber nicht aus, sich auch mal in eine Frau zu verlieben. „Das weiß ich schon lange“, sagt der 20-jährige Studierende. Jojo bezeichnet sich zudem als demi-guy, ein Level, das sich zwischen non-binär und männlich befindet. Jojo sieht die sexuelle Orientierung als Spektrum, fühlt sich an manchen Tagen divers. „Dann trage ich auch schon mal einen Rock“, sagt Jojo. An manchen Tagen fühlt Jojo sich eher männlich.
Lange gekämpft
Jojo kommt ursprünglich aus einem kleinen Dorf bei Düsseldorf. Dass Jojo queer ist, sei der Person bereits im Alter von 13 oder 14 Jahren klargeworden. „Damals habe ich dagegen angekämpft.“ Denn Jojo ist in einem konservativen Umfeld großgeworden, war Messdiener in der Kirche. „Ich habe sehr lange mit mir gekämpft.“ Das Outing sei eher zufällig passiert, über die beste Freundin. Zu einem Zeitpunkt an dem Jojo sich selbst noch nicht bereit gefühlt habe. „Meine Mutter hat an der Supermarktkasse davon erfahren.“ Die Mutter hatte sich queere Filme gekauft, sich informiert.
Die Eltern stehen hinter Jojo. Allerdings hat auch Jojo negative Erfahrungen gemacht, etwa in Form von homophoben Verhalten von männlichen Mitschülern. Die Mädchen dagegen wollten ihn als besten schwulen Freund, der sie auf Shoppingtrips begleitet. Wie Coley war auch Jojo schon bei den Gipfelstürmern. Beim Jugendtreff „gut so“ hofft Jojo Kontakte zu knüpfen. „Manche enge Freundschaften haben sich auch schon ergeben.“
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