Schon als kleines Kind hatte die 17-jährige Mannheimerin, nennen wir sie Jana, das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, wenn jemand sie mit Alexander ansprach. Es ist der Name, auf den sie getauft wurde, der jedoch so gar nicht zu ihrem Lebensgefühl passen wollte. „Aber es hat sich ja nicht nur auf den Namen beschränkt“, erzählt Jana: „Meine komplette Empfindungswelt und Identität waren weiblich.“ Vor zwei Jahren hatte sie ihr coming out. Doch ihre Eltern haben bis zum heutigen Tag Probleme, Janas Transgeschlechtlichkeit zu akzeptieren. Halt findet sie im Alltag bei ihren Freunden aus der queeren Community. Aber seit der Corona-Krise sind viele Veranstaltungen abgesagt. Die meisten Gruppenräume sind zu klein, um Treffen mit genügend Abstand abhalten zu können. „Das ist einer der Gründe, warum wir auch in Mannheim dringend ein Zentrum brauchen, einen Ort, an dem sich queere Gruppen mit Jugendlichen aus anderen Einrichtungen vernetzen und austauschen können“, fordert Susanne Hun, Vorsitzende des Vereins Queeres Zentrum Mannheim (QZM), der Mitte September im Stadthaus N 1 gegründet wurde und dringend nach Räumlichkeiten für seine Aktivitäten sucht.
Vorurteile abbauen
„Ein Ort, der helfen soll, Vorurteile abzubauen“, resümiert Hun. Neben Wiesbaden und Augsburg habe Mannheim als einzige der 30 größten Städte Deutschlands kein Queeres Zentrum. Ziel des Projektes ist es, lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und inter Menschen aus der Metropolregion als Vernetzungs-, Stärkungs- und Aufklärungszentrum zu dienen. Zudem soll es existierenden Vereinen und Gruppen sowie neuen Projekten Räumlichkeiten bieten. „Ferner wird das QZM auch Anlaufstelle für die Mannheimer Stadtgesellschaft sein und helfen, Vorurteile gegenüber queeren Menschen abbauen“, betont Hun. Einzigartig mache das QZM der Vernetzungscharakter mit anderen queeren Zentren in Deutschland und die Einbeziehung des Themenfelds diskriminierungsfreie Arbeitswelt.
Beim Mannheimer Beteiligungshaushalt stand der Wunsch nach einem queeren Zentrum 2019 ganz oben auf der Liste und landete schließlich auf Platz eins. „Die Menschen wollen und brauchen ein Queeres Zentrum in ihrer Stadt. Die Resonanz der Community ab auch der Bevölkerung Mannheims war überwältigend“, sagte Hun nachdem die Entscheidung gefallen war. Mitte Dezember 2019 wurde das Projekt bei den Haushaltsberatungen mit einer Anschubfinanzierung von knapp 300 000 Euro auf den Weg gebracht. Was dem Verein nun vorschwebt – und was er seit der Corona-Krise noch fieberhafter sucht – sind Räumlichkeiten: insgesamt 500 bis 1000 Quadratmeter groß, möglichst nahe am Zentrum, barrierefrei und von außen gut sichtbar. „Es soll das Stadtbild von Mannheim mitprägen, die Stadt als Rainbow-City stärken“, betont QZM-Gründungsmitglied Katrin Hofner: „Das Herzstück des Zentrums soll eine Kaffeebar bilden.“ Apropos Austausch, Miteinander, Akzeptanz: Dort genau wie bei den geplanten Filmabenden, Diskussionen, Ausstellungen und Konzerten sind auch alle nicht-queeren Gäste herzlich willkommen.
Psychische Krisen
Nach Schätzung des QZM Mannheim identifizieren sich etwa zehn Prozent der Bevölkerung als queer. Dazu zählt auch Jana. „Seit der Corona-Krise sind viele queere Jugendliche fast nur noch Zuhause. Aber die Herkunftsfamilie ist leider nicht für alle ein sicherer Ort“, berichtet Sören Landmann, der LSBTI-Beauftragte der Stadt, der gerade in den letzten Monaten gehäuft mit Fällen von psychischen Krisen von Jugendlichen konfrontiert wird. Natürlich gibt es Selbsthilfegruppen, doch selbst die können sich zur Zeit kaum treffen, weil die Zimmer zu klein sind, um den Abstandsregeln gerecht zu werden. „Das heißt, etliche queere Menschen wie Jana sind momentan gezwungenermaßen den ganzen Tag in einem Umfeld, das ihnen nicht gut tut.“
Das sieht QZM-Vorsitzende Susanne Hun genauso: „Deshalb brauchen wir dringend ein Queeres Zentrum. Denn ohne Austausch kein Miteinander – und auch kein Verständnis.“
Queeres Zentrum Mannheim
Der Begriff queer gilt als Synonym für Lesben, Schwule, Bisexuelle, transgeschlechtliche und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI).
Am 10. September 2020 ist im Stadthaus N 1 der Verein „Queeres Zentrum Mannheim“ (QZM) gegründet worden. Ziel des Projektes ist es, lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und inter Menschen aus der Metropolregion als Vernetzungs-, Stärkungs- und Aufklärungszentrum zu dienen. Zudem soll es existierenden Vereinen und Gruppen sowie neuen Projekten Räumlichkeiten bieten. Gründungsmitglieder des zur Zeit 25 aktive Mitglieder zählenden Vereins sind Sarah Kinzebach, Johannah Illgner, Matthias Kück, Susanne Hun, Katrin Hofner (alle aus dem QZM-Projektteam), Margret Göth (PLUS Rhein-Neckar e.V.) und Klaus Schirdewahn (Gay and Grey). Den Interimsvorstand bis zur ersten Mitgliederversammlung stellen: Susanne Hun , Johannah Illgner und Katrin Hofner sowie Matthias Kück und Sarah Kinzebach.
Nach Einschätzung des QZM identifizieren sich circa zehn Prozent der Bevölkerung als queer. Weitere Informationen unter www.qzm-rn.de. mai
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