Stadtgeschichte

Was der Mannheimer Benz bei den ersten Autorennen der Welt gemacht hat

Der Mannheimer Autor Dietrich Conrad hat sich mal wieder mit einem speziellen Kapitel der Automobilgeschichte beschäftigt. Was er über die Anfänge der Autorennen geschrieben hat und wo er es vorstellt.

Von 
Peter W. Ragge
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Aus den Anfängen der Autorennen: Fritz Held als Sieger bei „Mannheim-Pforzheim- Mannheim“ 1900. © mm

Mannheim. Er ist dagegen. „Nutzlos und gefährlich“ seien sie, findet der Auto-Erfinder, und er fährt deshalb nicht hin. Aber warum die Wagen von Carl Benz dann doch eine ganz große Rolle spielen in der Welt der ersten Autorennen in der Belle Epoque, das hat jetzt Dietrich Conrad herausgearbeitet. Er stellt das in seinem neuen Buch „Allez Benz“ (Waldkirch-Verlag, 30 Euro) dar und präsentiert es am Mittwoch, 23. Juli, um 18 Uhr im Marchivum.

Spektakuläre Rennen um Rekorde auf staubigen Pisten und an Sandstränden - man hat den Eindruck, als wäre man dabei bei der Lektüre dieses zweisprachig in Deutsch und Französisch verfassten, mit unzähligen alten Plakaten und nachkolorierten Fotos ausgestatteten Bandes. Man kann den Wettstreit der Autopioniere so richtig nachvollziehen, dessen Anfänge in Frankreich in den Jahren 1894 bis 1912 Conrad schildert.

Conrad hat sich längst einen Namen gemacht als Erforscher spezieller Seiten der Automobilgeschichte der Quadratestadt. „Mannopolis“ nennt er Mannheim – in Anlehnung an den berühmten Roman von Thea von Harbou 1925 und den danach von Fritz Lang gedrehten Stummfilm von 1927. Der Maschinenbautechniker, Wirtschaftsinformatiker sowie Oldtimer- und Motorsportfan hat vor einigen Jahren entdeckt, was nur wenige Lindenhöfer wussten: Dort, wo die Stadt Mannheim ihr neues Technisches Rathaus errichtet hat, produzierte von 1920 ab die „Badische Automobilfabrik Heim & Cie“ des ehemaligen Benz-Lehrlings und späteren Benz-Rennwagenfahrers Franz Heim. Conrad sammelt und dokumentiert alles über Heim, den er „Mannheims vergessene Legende“ nennt. Und danach lässt ihn das Thema nicht mehr los.

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Drei Bücher hat er bisher geschrieben und geschildert, dass es einst in Mannheim neun Autohersteller gab, hier sogar Bugattis hergestellt wurden und dass der Waldhöfer Bub Wilhelm Sebastian Rennfahrer im legendären „Silberpfeil“ war. „Aber ich bin immer wieder darüber gestolpert, dass die Benz-Renngeschichte nie umfassend beleuchtet wurde - völlig zu Unrecht, denn aus Mannheim stammen einige der ersten Rennfahrzeuge überhaupt und der Weltrekordwagen Blitzen Benz hat heute noch weltweit Anhänger“, so Conrad.

Von der Benz-Firma - zuerst in der Neckarstadt (heute MWM), später Luzenberg/Waldhof - „ging es zu den großen Rennstrecken auf der ganzen Welt“, so Conrad. „Nicht selten haben französische Ingenieure und Rennfahrer entscheidend zum Erfolg beigetragen: Internationalität als Erfolgsgarant, schon zur Kaiserzeit“, betont der Autor. Zwar seien sich viele Deutsche und Franzosen noch mit großem Misstrauen begegnet, denn der Krieg 1870/71 sei erst eine Generation vorüber gewesen. „Trotzdem kann die Mannheimer Firma auf französisches Know-how zählen, um die Rennstrecken der Belle Epoque zu erobern“, legt er dar.

Seine Geschichte beginnt 1894 mit dem ersten Autorennen der Welt in Paris. Auch da ist bereits ein Benz-Motorwagen am Start - der Erfinder selbst aber nicht, sondern sein französischer Vertriebspartner Emile Roger. Der handelt schon seit 1883 mit Benz-Motoren, verkauft 1894 über die Hälfte der Mannheimer Produktion in Frankreich. 1895 sind Benz-Wagen bei Rennen in Amerika dabei.

Gegen „wertlose und geradezu schändliche Rennfahrten“

Großen Anteil am unternehmerischen Erfolg von Carl Benz hat nach Angaben von Conrad Julius Ganß. Zuvor Handelsvertreter für Eichbaum, sei er „weltgewandter Verkäufer“ der Patent-Motorwagen und zugleich Mitinvestor. Immerhin gelinge es damals dem Unternehmen, dass das Mannheimer Auto weltweit zehn Mal pro Monat verkauft werde, „mehr als jede andere Firma auf der Welt“. 1896, bei der großen Fernfahrt Paris-Marseille-Paris, nehmen speziell hergerichtete Benz-Fahrzeuge teil - einen steuert Sohn Eugen Benz, einen Fritz Held.

Kurz vor der Jahrhundertwende ist Benz der größte Automobilhersteller der Welt und wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, mit Carl Benz und Ganß als Geschäftsführer. Als 1901 bei der dreitägigen Paris-Berlin-Wettfahrt Benz-Wagen aber weit hinten landen, lässt Carl Benz im Geschäftsbericht mitteilen, dass er sich an den „für die Praxis nicht allein wertlosen, sondern geradezu schändlichen Rennfahrten“ nicht mehr beteiligt - was aber nicht für lange gilt, da Carl Benz 1903 aus der Firma ausscheidet. Danach gibt es wieder viele Erfolge auf den weltweiten Pisten.

Conrad lässt die Epoche des legendären „Blitzen-Benz“, 1911 mit mehr als 200 Stundenkilometern das schnellste Auto der Welt und „Urahn aller heutigen Formel-1-Fahrzeuge“, wie er schreibt, wieder aufleben und die großen Erfolge in Frankreich, aber auch Barcelona und Großbritannien Revue passieren. „Doch dann ändert sich 1924 alles durch die Interessengemeinschaft und spätere Fusion mit dem ebenfalls angeschlagenen Konkurrenten Daimler“, so Conrad. „Nach und nach wird der stolze Automobilbau in Mannheim zurückgefahren, bis er schließlich mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ganz endet“, bedauert der Autor.

Die Quadratestadt selbst ist zwar Standort der Firma und oft auch Trainingsort, aber nur selten Austragungsstätte von Autorennen. Aber 1900 bis 1902 bildet sie bei „Mannheim-Pforzheim-Mannheim“ -Rennen Start und Ziel sowie zum Stadtjubiläum 1907 eine Zwischenetappe bei der Herkomerfahrt mit großem Empfang entlang der Seckenheimer Landstraße.

Redaktion Chefreporter

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