Lindenhof

Warum sich Stadt und Land über den Schlossgarten gestritten haben

Zwei Jahre dauerten die Verhandlungen, ob die Mannheimer weiter im südlichen Schlossgarten spazieren gehen dürfen. Worum es darin ging und was jetzt für die Grünfläche bis zur Rheinpromenade geregelt worden ist

Von 
Peter W. Ragge
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Der Aussichtspunkt (r.), die Gebäude vom Stadtraumservice und von Vereinen, die Rheinpromenade – all das gehört zum zunächst strittigen Gebiet. © Markus Prosswitz

Mannheim. War es „Erpressung“, wie es in einer Sitzung hieß, oder doch nur ein „Sturm im Wasserglas“? Jedenfalls zogen sich die Verhandlungen zwei Jahre hin, bis sich Stadt und Land jetzt einig waren: Der südliche Schlossgarten mit der Rheinpromenade steht weiter als Naherholungsgebiet zur Verfügung - bis 2052. Das Land beteiligt sich sogar erstmals an den Kosten der Pflege. Das ergibt sich aus einem neuen Vertrag.

Es handelt sich „um eine ganz zentrale Fläche, den Rest vom Schlosspark“, wie Oberbürgermeister Christian Specht hervorhebt. Schon zu kurfürstlicher Zeit gab es viel Grün hinter dem Schloss bis zu den Festungsmauern. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Befestigungen abgebaut. Gartenbaudirektor Johann Michael Zeyher schuf im Auftrag der Großherzogin Stéphanie dann einen Landschaftsgarten im englischen Stil.

Der ganze südliche Schlosspark gehört dem Land, die Stadt pflegt ihn. © Photo-Proßwitz

Der erstreckte sich bis zum Rhein, und Stéphanie machte ihn für jeden zugänglich. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts schrumpfte der Schlossgarten aber durch die Anlage des Hafens, Eisenbahngleise und Straßentrassen.

Von der Neuregelung umfasst ist jetzt ein schmaler Geländestreifen zwischen Bahnlinie und Südtangente (B 36/Helmut-Kohl-Straße), besonders aber alles südlich davon. Das ist ein großes Areal, umfasst Aussichtspunkt, Spielplatz, auch die Gebäude etwa von Kanu-Club, Paddelgesellschaft und Gasthaus am Fluss, die Rheinterrassen und Liegewiesen bis zur Jugendherberge oder die Fläche rund um den Fahnenmast bis zum Rheinufer.

Wollte das Land Flächen „einer öffentlichen Nutzung entziehen“?

Auf Basis eines Erbbaurechtsvertrages hatte das Land der Stadt das Gebiet seit 1941 überlassen. Die Pflege oblag allein der Stadt. Im März 2022 ist der Erbbauvertrag aber ausgelaufen, und das Land wollte ihn nicht verlängern. Vielmehr strebte der Landesbetrieb Vermögen und Bau eine andere Regelung an. Laut Johann-Christoph Woltag von Vermögen und Bau habe das indes allein formale Gründe, weil es schließlich nicht um ein Baugebiet gehe.

Woltag kam eigens in die Sitzung des Gemeinderats, weil sich die Stadträte an dem ganzen Vorgang störten. In ihrer Vorlage dazu schrieb die Stadtverwaltung nämlich, ohne einen neuen Vertrag habe „das Land angekündigt, die Grünflächenpflege auf eine Minimalpflege zurückzufahren“ und „die Flächen aus Gründen der Verkehrssicherheitspflicht einer öffentlichen Nutzung zu entziehen“, so das Papier aus dem Rathaus. Dann könnten die Wege wie die Gebäude, etwa die Vereinshäuser, „nicht mehr genutzt werden“.

„Merkwürdig“ fand Stadtrat Holger Schmid (ML) diese Drohung. „Das ergibt kein gutes Bild, wenn das Land die Stadt erpresst“, meinte gar Thomas Hornung (CDU), immerhin gehe es „um eine der wichtigsten Mannheimer Erholungsflächen“, wunderte sich Hornung unter Hinweis auf die Rheinterrassen. „Erhebliche Klärungslücken“ sah ebenso Claudia Schöning-Kalender (SPD) in der Vorlage.

Dabei störten sich die Stadträte auch an einer zweiten Formulierung, die von einem „realen Altlastenrisiko“ ausging. Vor Auslaufen des neuen Vertrages 2052 müsse die Stadt daher ein Gutachten beauftragen und die Hälfte davon zahlen. Bei einer Beseitigung seien die „nicht unerheblichen Kosten“ ebenso von Stadt und Land hälftig zu tragen - während das üblicherweise dem Eigentümer einer Fläche obliegt.

„Warum warten wir bis 2052 und machen das Gutachten nicht jetzt?“, rätselte Holger Schmid, „vielleicht handeln wir am Ende mit Zitronen?“ Auch Hornung und Schöning-Kalender wollten dazu mehr wissen.

Umstrittene Regelung zu den Altlasten

Vertreter von Stadt und Land versuchten dagegen, die Stadträte zu beruhigen. Woltag sprach von „sehr kooperativen Gesprächen“, auch wenn sie sich über zwei Jahre hingezogen hätten. Da das Land sich erstmals an den Kosten der Pflege mit 160 000 Euro jährlich beteilige, sei das doch sogar „für die Stadt eine gute Lösung“.

Das bestätigte Markus Roeingh, Leiter vom Stadtraumservice. Auch wenn die Vorlage den „Eindruck einer schwierigen Gemengelage“ erwecke, sei das „wirklich nicht so“, versicherte er: „Es ist nicht so, dass das Land die Daumenschrauben angelegt hat“.

Die Drohung, die Fläche zu sperren, sei „nie so gefallen“, aber grundsätzlich stelle sich ohne Vertrag die Frage der Verkehrssicherungspflicht, beteuerten Woltag und Roeingh gleichermaßen, es habe „sehr partnerschaftliche Verhandlungen“ gegeben.

„Aber dann darf so eine Formulierung in der Vorlage nicht auftauchen“, wunderte sich Thomas Hornung. Die klinge so, „als habe das Land der Stadt die Pistole auf die Brust gesetzt“. Man dürfe so etwas nicht in eine Vorlage schreiben, „sonst hat man einen Sturm im Wasserglas“, meinte Nina Wellenreuther, Fraktionschefin der Grünen.

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Beim Thema Altlasten beruhigte Roeingh, es gebe „keinen effektiven Altlastenverdacht“, aber es bestehe „ein gewisses Restrisiko“. Das jedoch sei „sehr gering“. Laut Bodenschutzbehörde sei nach dem Zweiten Weltkrieg hier nur Trümmerschutt aufgeschüttet worden.

Der Vertreter des Landes präzisierte, Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg seien von der Regelung „explizit ausgenommen“ und würden vom Land entsorgt, sollte es sie geben. Man wolle sich nur „absichern“, weil man nicht genau wisse, was beim dort ja auch ansässigen Betriebshof vom Stadtraumservice „vor sich geht“.

Specht regte an, dies ebenso in einer Protokollnotiz festzuhalten wie die generelle Bereitschaft des Landes, diese zentrale Naherholungsfläche den Bürgern „nicht zu entziehen“. Und mit Blick auf die von Stadträten befürchtete Erpressung sagte er, an seine Kollegen in der Verwaltung gewandt: „Beim nächsten mal formulieren wir solche Vorlagen vorsichiger“.

Redaktion Chefreporter

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