Mannheim. Zum Interview kommt Flottenmanager Willi Fritschi stilecht mit dem E-Scooter - natürlich vom Verleiher Bird, für den der 40-Jährige jede Nacht in Mannheim und Ludwigshafen unterwegs ist. Seine Aufgabe: die leergelaufenen, schwarz-weißen Flitzer einsammeln und durch voll aufgeladene ersetzen. Im Gespräch verrät Fritschi, warum sich Bird bis zum 30. September aus Mannheim und Ludwigshafen zurückzieht, er von festen Stellplätzen nichts hält - und wer Schuld ist am Falschparken.
Herr Fritschi, der E-Scooter-Verleiher Bird hat angekündigt, sich aus Mannheim zurückzuziehen. Warum steigt Ihr Arbeitgeber aus und wohin geht es?
Willi Fritschi: Wir gehen, weil die Konkurrenz zu stark ist. Die Entscheidung ist vor zwei Monaten gefallen. Ich persönlich hätte sehr gerne weiter in meiner Heimatstadt gearbeitet. Aber auch das Argument Bundesgartenschau hat meinen Arbeitgeber nicht überzeugt. Die hätte nämlich sicher einige neue Kunden mit sich gebracht. Nun geht es also für mich nach Neustadt an der Weinstraße und Germersheim, dort gibt es noch keine anderen E-Scooter-Verleiher - und das Geschäft läuft jetzt schon ziemlich gut an.
Flottenmanager bei Bird
- Willi Fritschi ist seit einem Jahr als Flottenmanager für den E-Scooter-Verleiher Bird tätig. Der 40-Jährige Mannheimer ist täglich nachts unterwegs und tauscht mit einem Mitarbeiter 60 Roller pro Nacht aus.
- Die Bird-Flotte für die Region umfasst 700 Fahrzeuge. Die Hälfte davon wird künftig in Neustadt an der Weinstraße eingesetzt, die andere Hälfte in Germersheim.
- Der Anbieter war seit 2019 in Mannheim und Ludwigshafen aktiv und hat sich bereits auch aus Heidelberg zurückgezogen. Bird-Roller gibt es noch in Rastatt und Großstädten wie München, Frankfurt und Hamburg.
Es gibt immer wieder Ärger mit den E-Scootern auf dem Gehweg. Wer ist denn nun Schuld an den falsch geparkten Rollern? Die Nutzer oder die Verleiher?
Fritschi: Die Nutzer sicher nicht. Sondern diejenigen, die an den abgestellten Rollern vorbeilaufen - und sie einfach umwerfen. Ich wollte es selbst nicht glauben. Aber ich habe dieses Verhalten auf meinen nächtlichen Touren oft bei Jugendlichen und älteren Menschen beobachtet. Die Teenager machen das aus Spaß, die Älteren stört der Roller wohl einfach.
Aber sind da nicht auch die Verleiher in der Pflicht zu handeln, schließlich gehören ihnen die Flitzer?
Fritschi: Bird hat bereits unzählige Parkverbotszonen eingerichtet, ganz vermeiden lässt sich das Falschparken aber sicher nicht. Wer den Roller in einer solchen Sperrzone abstellt, bei dem läuft die Miete weiter, der Nutzer muss also deutlich mehr zahlen. Das bekommt der Kunde angezeigt. Und das wirkt: Die ganze Neckarwiese ist zum Beispiel Sperrgebiet. Ich arbeite seit einem Jahr als Flottenmanager. In dieser Zeit musste ich noch keinen einzigen Roller aus Neckar oder Rhein fischen. Von 700 Fahrzeugen habe ich außerdem nur acht nicht mehr wiedergefunden, trotz GPS - eine gute Bilanz.
Was wäre denn, wenn die Verleiher, also Flottenmanager wie Sie, die falsch geparkten Roller selbst umstellen würden?
Fritschi: Ich bin jetzt schon jede Nacht unterwegs, um Roller einzusammeln und durch voll aufgeladene zu ersetzen. Die Scooter dann auch noch umzuparken, ist schlicht nicht leistbar, das bekommt man nicht in den Griff. Meine Erfahrung ist: Die Nutzer stellen die Roller ordnungsgemäß am Gehwegrand ab.
Wird das Falschparken denn vom Ordnungsamt kontrolliert?
Fritschi: Klar. Ich bekomme zwei bis drei Mal in der Woche eine Benachrichtigung mit der Bitte, das Fahrzeug umzuparken. Bis ich aber dorthin gefahren bin, ist der Roller oft schon weg, weil ihn ein neuer Kunde gemietet hat.
Was halten Sie von dem Plan, feste Stellplätze für E-Scooter in Mannheim einzurichten?
Fritschi: Ich halte nichts davon. Das ist einfach nicht geschäftsfördernd. Die Leute nutzen die Roller anders - nämlich nur für Kurzstrecken. Oft tausche ich nachts fünf leere Roller gegen fünf voll aufgeladene aus, die vor einem Wohnhaus stehen. Aber diese Scooter werden dann einfach nicht mehr bewegt. Offenbar fahren die meisten damit zwar nach Hause, nutzen die E-Scooter aber nur zum Hinfahren, nicht zum Zurückfahren. Es ist verständlich, dass die Stadt es aufgeräumt und ordentlich haben will. Aber genau das ist der Knackpunkt: Die Nutzer pilgern nicht zu festen Stationen, sie lieben die charmante Idee, überall auf einen Roller steigen zu können. Feste Stationen werden für massive Umsatzeinbußen sorgen.
Also sind die Nutzer selbst verdorben durchs wilde Parken?
Fritschi: Sozusagen. In Frankfurt hat man es versucht mit eingezeichneten Parkplätzen. Mittlerweile parken die Roller außerhalb der Markierung. Es ist offenbar schwierig, die Leute umzuerziehen.
Aber beim Fahrradverleiher Nextbike funktioniert’s mit den festen Stationen, warum nicht bei den E-Scootern?
Fritschi: Die E-Scooter-Kunden sträuben sich einfach dagegen. Das System funktioniert nur als Free-Floating-Modell. Auch deshalb würden sich diese Nutzer nicht an die festen Stationen halten oder am Ende sogar einfach ganz abspringen, die Kunden gehen verloren. Allerdings sind die Roller für die letzte Meile gut, weshalb wir sie schon jetzt bewusst an Haltestellen platzieren.
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Auch Mannheim ringt mit dem Problem ums Falschparken. Nun will die Stadt mit den Verleihern sprechen, um eine Lösung zu finden. Sie waren bei den Gesprächen mit dabei, wie war die Stimmung? Gibt es ein gemeinsames Ziel?
Fritschi: Beide Seiten möchten die E-Roller in der Stadt behalten. Aber eine Einigung ist schwierig. Man will sich noch einmal treffen. Es zeichnet sich eine Tendenz zur Insellösung ab, also zu festen Stationen. Aber ich denke, nicht alle Anbieter werden sich darauf einlassen, schließlich bringt das Umsatzeinbußen mit sich.
Die Grünen-Fraktion will für Mannheim eine Sondernutzung für die E-Scooter einführen. Von Anbietern könnte man dann sogar Gebühren fordern, wenn sie die Roller im Stadtgebiet platzieren. Ist das sinnvoll?
Fritschi: Schon jetzt gibt es eine Obergrenze, die Anzahl der E-Scooter pro Anbieter ist auf 100 Stück in den Quadraten beschränkt. Das Geschäft mit diesen Rollern lohnt sich erst durch die Masse. Denn die Mietpreise sind bei fast allen Verleihern gleich: Einen Euro kostet die Startgebühr, danach zahlt man 19 Cent pro Minute. Geld für eine Dienstleitung bezahlen zu müssen, die man selbst anbietet, klingt nicht charmant.
Lässt sich das Problem mit dem Falschparken also gar nicht lösen?
Fritschi: Man könnte noch am Preis drehen: Zum Beispiel die Nutzer mit einer saftigen Strafgebühr fürs Falschparken belegen. In jedem Roller ist auch eine Alarmanlage eingebaut. Wenn der Roller unerlaubt bewegt wird, geht eine Nachricht aufs Handy ein. Dann kann man losfahren und nachschauen. Weil aber Passanten die Roller oft umwerfen, ist es sehr schwierig, jemanden dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
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