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Warum nicht alle zufrieden sind mit dem Mannheimer Haushalt für 2024

Die einen sprechen von einer „konstruktiven Debatte“, die anderen schimpfen über ein „kompromissloses Durchwinken“. Das sagen die Fraktionschefs nach der 14-stündigen Marathonsitzung des Mannheimer Gemeinderats

Von 
Timo Schmidhuber
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Der Mannheimer Gemeinderat bei einer Sitzung. © Thomas Tröster

Mannheim. Die Uhr zeigt 23.12 Uhr, als Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) die entscheidende Frage stellt. Mehr als 14 Stunden sitzen die Stadträtinnen und Stadträte da schon im Ratssaal des Stadthauses, den allergrößten Teil davon haben sie über den städtischen Haushalt fürs kommende Jahr debattiert und gestritten.

Als Specht nun fragt, wer dem ausgehandelten Etat zustimmt, geht zwar die ganz große Mehrzahl der Hände nach oben, und der Haushalt ist damit beschlossen. Die Fraktionen von AfD, FDP/Mittelstand für Mannheim sowie Freie Wähler/Mannheimer Liste (ML) stimmen jedoch dagegen. Was bei letzteren beiden insofern beachtlich ist, als sie Specht im Wahlkampf unterstützt haben.

Mannheimer Haushalt: Viele Veränderungen während der Beratung

Die sieben Fraktionen im Rat - allen voran die rot-grün-rote Mehrheit - haben während der Beratung noch einmal zahlreiche Änderungen am Haushaltsentwurf des Oberbürgermeisters vorgenommen. Es geht dabei vor allem um höhere städtische Zuschüsse an verschiedene Einrichtungen und Organisationen. Die ergeben am Ende eine Mehrbelastung von knapp zwei Millionen Euro.

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Die Verwaltung kann dieses Ausgaben-Plus etwas vereinfacht gesagt über bereits eingeplante Gelder decken, die aber noch nicht gebraucht worden sind. Ohnehin liegen diese knapp zwei Millionen zusätzlich beim Gesamtrahmen des neuen Haushalts im Promillebereich. Trotzdem sind am Ende diese zwei Millionen, die zum großen Teil die linke Mehrheit „draufgesattelt“ hat, der Grund, weshalb FDP, ML und AfD nicht zustimmen.

Lob für die Bettensteuer in Mannheim

Ohnehin fällt die Bewertung dieses extrem langen Beratungstages sehr unterschiedlich aus, wie die Schlussstatements der Fraktionschefinnen und Fraktionschefs zeigen. Reinhold Götz (SPD) zum Beispiel spricht von einer „überwiegend konstruktiven Debatte“. Er lobt, dass man mit diesem Haushalt rund 200 Millionen Euro an Investitionen auf den Weg gebracht habe, vor allem beim Neubau und der Sanierung von Schulen. Er bedauert gleichzeitig, dass seine Fraktion nicht alle ihre Anträge habe durchsetzen können.

Mannheims Haushalt für 2024

  • Im Haushalt für 2024 sind Investitionen von knapp 200 Millionen Euro vorgesehen.
  • Ein knappes Drittel fließt in die Sanierung und den Neubau von Schulen.
  • Den mit knapp 50 Millionen Euro zweitgrößten Posten bilden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Hier geht es zum Beispiel um den Bau einer Bahnlinie durchs Glücksteinquartier und um den Ausbau barrierefreier Haltestellen, aber auch um den ersten Abschnitt des Neubaus der BBC-Brücke.
  • Auf Rang drei kommen mit rund 20 Millionen Euro Investitionen in Klimaschutz und Grünflächen. Auch für Projekte wie das Kombibad Herzogenried ist Geld eingeplant, im kommenden Jahr konkret acht Millionen Euro.
  • Der Haushalt sieht darüber hinaus zum Beispiel auch mehr Geld für die Freie Kulturszene vor: Demnach erhalten laut Stadtverwaltung 29 Vereine, Initiativen und Künstler eine institutionelle Förderung, die insgesamt um rund 700 000 Euro auf circa 3,3 Millionen Euro erhöht wird. Einmalig 100 000 Euro erhalten jeweils der Jazzclub Ella&Louis sowie die Mannheimer Philharmoniker.
  • Im sozialen Bereich bekommen unter anderem Bahnhofsmission und Fraueninformationszentrum für 2024 eine Zuschusserhöhung von 60 000 Euro sowie 25 000 Euro. Für die Einrichtung und Umsetzung eines effizienten Auslandsrecruitings von Erzieherinnen und Erziehern sind im kommenden Jahr 200 000 Euro eingeplant.
  • Der Haushalt 2024 geht von Einnahmen in Höhe von rund 1,638 Milliarden Euro aus. Dem stehen Ausgaben von rund 1,609 Milliarden gegenüber. imo

Zum Beispiel hätten sich die Sozialdemokraten gewünscht, dass der städtische Bodenfonds, aus dem Grundstücke für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum finanziert werden, mit mehr als den eingeplanten zwei Millionen Euro im kommenden Jahr ausgestattet wird. Hier stimmte aber nur die LI.PAR.Tie, nicht aber die Grünen mit.

Die Änderungsanträge haben laut Götz finanziell gesehen lediglich zu „marginalen Veränderungen“ geführt. Ohnehin habe die linke Mehrheit durch ihren Beschluss zur Einführung der Bettensteuer für Hoteliers für Einnahmen von vier Millionen Euro pro Jahr gesorgt. „Wir als SPD haben großen Einsatz gebracht für einen genehmigungsfähigen Haushalt“, sagt Götz.

Grüne loben Maßnahmen für Bildung und Klimaschutz im Haushalt 2024

Auch Grünen-Fraktionschefin Nina Wellenreuther lobt den Haushalt für 2024. „Er führt viele bereits aufs Gleis gesetzte Maßnahmen im Bereich Bildung und Klimaschutz fort.“ Ihr ist auch wichtig, dass der Rat auf Antrag der Grünen beschlossen hat, dass die Verwaltung ein Konzept erarbeitet, wie städtische Zuschüsse an Einrichtungen und Organisationen künftig automatisch an Teuerungen wie Lohnentwicklungen angepasst werden.

Dazu gehört gleichzeitig eine regelmäßige Überprüfung der Sinnhaftigkeit dieser Ausgaben. Diese Überprüfung ist auch CDU-Fraktionschef Claudius Kranz wichtig. Zum Haushalt sagt er: „Wir als Gemeinderat haben viele Sachen draufgesattelt.“ Die Verwaltung habe aber gute Deckungsvorschläge für die Mehrausgaben gemacht. „Deshalb können wir mitgehen.“

Mannheimer Liste beklagt schlechten Stil der linken Mehrheit

Aus Sicht von Dennis Ulas hat im Haushaltsvorschlag von Specht „einiges gefehlt, gerade im sozialen und bildungspolitischen Bereich“, betont der LI.PAR.Tie-Fraktionschef. „Deshalb sind wir froh, dass es Mehrheiten für einige Nachbesserungsprojekte gab.“

Ganz anders sieht das Fazit von Holger Schmid (ML) aus. Er freut sich zwar, dass bereits im Entwurf von Specht „langjährige ML-Forderungen“ wie eine größere Unterstützung von Vereinen sowie Stellen für „Mülldetektive“ enthalten waren. Aber mit dem Verlauf der Beratung an diesem langen Dienstag ist er nicht einverstanden.

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Die linke Mehrheit sei „kompromisslos“ vorgegangen, habe auf die Abstimmung ihrer Änderungsanträge gepocht, obwohl Specht und die Verwaltung in den meisten Fällen gegen diese Änderungen gewesen seien, wettert Schmid. „Das ist nicht der Stil, den wir in den nächsten Jahren pflegen sollten.“ Auch die ML habe in Anträgen Mehrausgaben gefordert, etwa für die Sanierung von Straßen und Brücken, räumt er ein. „Aber das sind investive Ausgaben, nicht konsumtive“, sagt er in Richtung von SPD-Fraktionschef Götz.

FDP in Mannheim: "Bedarfe einfach durchgewunken"

Die FDP sei eigentlich „wild entschlossen“ gewesen, dem Etat-Entwurf von des Oberbürgermeisters zuzustimmen, sagt Birgit Reinemund. Aber die linke Mehrheit habe viele Bedarfe, die Einrichtungen und Organisationen bei ihr angemeldet hätten, „einfach durchgewunken. Aus meiner Sicht hätte der Gemeinderat keine Projekte unterstützen dürfen, für die noch kein Konzept vorliegt.“ AfD-Fraktionschef Bernd Siegholt sagt: „Wir haben heute Morgen eine Ausgabenorgie von rot-rot-grün erlebt. Deshalb lehnen wir den Haushalt ab.“

Der OB sucht den ganzen Tag Kompromisse

Und wie ist der Tag für den Oberbürgermeister? Christian Specht ist praktisch permanent damit beschäftigt zu erklären, warum die Verwaltung bestimmte Änderungsanträge nicht für sinnvoll hält. An vielen Stellen bietet er Kompromisse an. Ein mit viel Nachdruck formuliertes „Einverstanden?“ und „Wollen wir es so machen?“ sind die Worte, die er wohl am häufigsten sagt - auch wenn er oft keinen Erfolg damit hat.

Doch auch er ist am Ende zufrieden mit dem Haushalt, wie sein Statement in der städtischen Pressemitteilung zeigt. „Die breite Zustimmung des Gemeinderats für den Haushalt 2024 ist ein klarer Auftrag an die Stadtverwaltung, die beschlossenen Vorhaben mit Hochdruck voranzutreiben.“

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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