Gemeinderat

Um den Mannheimer Haushalt wird bis in den späten Abend heftig gerungen

Der CDU-Fraktionschef haut auf den Tisch, der Oberbürgermeister sucht Kompromisse, und die linke Mehrheit steht. Und dann sind da auch noch die Rehkitze. So laufen die Etat-Beratungen im Mannheimer Gemeinderat

Von 
S. Mack, T. Schmidhuber
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Ausdauer war am Dienstag von den Stadträtinnen und Stadträten gefragt. Je später es wurde, desto mehr machte sich eine gewisse Ermattung im Ratssaal spürbar. © Thomas Tröster

Mannheim. Es klingt wie eine Art Mahnung. Bevor sich der Gemeinderat am Dienstag mit dem Haushalt fürs kommende Jahr beschäftigt, muss er einen Haken hinter den Jahresabschluss von 2022 machen. Ein Vertreter des Rechnungsprüfungsamtes trägt die Zahlen vor. Und sagt dabei auch, dass Mannheim zu den am höchsten verschuldeten Städten in Baden-Württemberg gehöre. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl seien es rund 7700 Euro pro Kopf. Es ist nicht so leicht, mit solchen Informationen im Kopf über die Finanzen von morgen zu entscheiden.

Specht gegen Rot-Grün-Rot

Es wäre nicht ganz abwegig, darin den Versuch der Stadtspitze zu sehen, die Nachbesserungswünsche der Fraktionen zumindest etwas einzudämmen. Das gelingt allerdings eher schlecht. Wie schwierig es für einen CDU-Oberbürgermeister sein kann, wenn er im Gemeinderat einer rot-grün-roten Mehrheit gegenübersteht, merkt Christian Specht gleich beim zweiten Haushaltsthema. Es ist kurz nach halb elf, als er die Anträge von SPD, Grünen und LI.PAR.Tie aufruft, in denen diese von der Verwaltung ein Konzept für eine Steuer auf unbebaute Grundstücke fordern. Diese Grundsteuer C soll Spekulation mit Grundstücken verteuern und die Schaffung von Wohnraum fördern. Specht lehnt eine solche Steuer ab, aus mehreren Gründen. Es seien vergleichsweise wenige Grundstücke betroffen, der Verwaltungsaufwand sei höher als der zu erwartende Ertrag, erklärt der Oberbürgermeister. Er plädiert dafür, die Debatte zurückzustellen, bis die laufende generelle Neuregelung der Grundsteuer in Deutschland abgeschlossen ist. Aber er kann sich nicht durchsetzen. Reinhold Götz (SPD) und Chris Rihm (Grüne) pochen auf Abstimmung - die Verwaltung muss das Konzept ausarbeiten.

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„Danke, Herr Oberbrürgermeister. Wir bestehen aber auf einer Abstimmung“

In diesem Stil geht es weiter. So versucht Specht vergeblich, beim Queeren (er spricht vom „Queren“) Zentrum, die von Rot-Grün-Rot beantragten Etatmittel zu verhindern. Zuschüsse seien zwar möglich, aber noch hätten die Betreiber bei der Stadt keinen Bedarf angemeldet. LI.PAR.Tie-Chef Dennis Ulas antwortet, was an diesem Tag sehr häufig im Ratssaal zu hören ist. „Danke, Herr Oberbürgermeister, wir bestehen aber auf einer Abstimmung.“

Beim Projekt ALTER auf dem Alten Meßplatz ist die Ausgangslage ähnlich. „Kein Konzept, kein Geld“, so die etwas verkürzte Haltung Spechts. Seine CDU stellt sich hinter ihn. Nachdem Gespräche der Verwaltung mit den Verantwortlichen bisher keine Lösung gebracht hätten, wäre es laut Fraktionschef Claudius Kranz unverantwortlich, schon Mittel bereitzustellen. Sogar „sehr nahe am Untreue-Tatbestand“.

Feuer in der Debatte

Jetzt kommt Feuer in die Debatte, SPD-Stadtrat Markus Sprengler verwahrt sich dagegen, den ehrenbaren Betreiberverein POW mit diesem Begriff in Zusammenhang zu bringen. Kranz ruft - auch ohne Mikro recht laut - dazwischen, er habe das doch nicht auf den Verein gemünzt. Das dürfe ihm Sprengler nicht unterstellen. Dann haut der Christdemokrat mit flachen Hand auf den Tisch. Aus den Reihen der linken Mehrheit ertönt Gelächter.

Diesmal gelingt es Specht, die Situation einzufangen. Er verspricht, im Haushalt 55 000 Euro mit einem Sperrvermerk zu verstehen und freizugeben, sobald ein ALTER-Nachfolgekonzept vorliege. Damit erklären sich alle einverstanden. Der Bau einer ähnlichen Brücke gelingt dem sehr auf Verständigung ausgerichteten Oberbürgermeister auch beim Zuschuss für den Christopher Street Day (CSD). Statt der eingeplanten 15 000 Euro fordern SPD, Grüne und LI.PAR.Tie 50 000 Euro. CDU-Stadtrat Thomas Hornung moniert jedoch das auch hier noch fehlende Konzept. Man einigt sich schließlich auf 35 000 Euro mit Sperrvermerk.

Patenschaft für Seenotretter

Kein Erfolg dagegen hat Specht bei der Patenschaft der Stadt für das Seenotrettungsschiff Sea-Eye, auch wenn es hier um vergleichsweise wenig Geld geht. Rot-Grün-Rot will den Zuschuss auf 10 000 Euro verdoppeln, Specht will es bei 5000 belassen. Aber Gerhard Fontagnier (Grüne) und Claudia Schöning-Kalender (SPD) wollen die Abstimmung - mit dem Ergebnis, das es an diesem Dienstag so oft gibt.

"Wir sollten das Ausgeben nicht in diesem Maß fortsetzen"

Die Beträge, die die Fraktionen aufs Specht Etat-Entwurf draufpacken, halten sich indes zumindest bis zum Nachmittag finanziell noch in Grenzen: Rund eine halbe Million Euro seien es bisher für 2024, verkündet Specht, als Kranz gegen 14.45 Uhr nach einem Zwischenstand fragt. Keine Stunde später, nachdem es zusätzliches Geld für diverse Kultureinrichtungen gegeben hat, mahnt Specht aber: „Wir sollten das Ausgeben nicht in diesem Maß fortsetzen.“

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Gegen 17.30 Uhr sind es 1,4 Millionen Euro Mehrausgaben. Und da stehen noch die Verhandlungen über Fachbereiche in mehr als zweieinhalb Dezernaten aus. So ist über Bau-, Verkehr und Umweltthemen zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal gesprochen worden.

Eine gewisse Ermattung macht sich breit

Je länger die um 9 Uhr begonnene Sitzung in den Abend hinein dauert, desto mehr meint man eine gewisse Ermattung zu spüren. Zumal schon klar ist, dass noch bis in den späten Abend verhandelt werden muss und selbst das mit einiger Wahrscheinlichkeit kaum reichen wird.

Wie schlägt sich Specht?

Wie schlägt sich der neue OB als Sitzungsleiter in einer solchen Marathon-Sitzung? Es ist ihm erkennbar wichtig, Kompromisse zu finden, auch wenn er die eine oder andere Debatte früher hätte beenden können. Und er ist durchaus schlagfertig. Etwa bei der Debatte über die Finanzierung von Drohnen zur Rehkitz-Rettung. Da beschwert sich Götz darüber, dass es mehr als die vereinbarten zwei Wortmeldungen pro Fraktion gebe. Specht kontert mit dem Bambi-Effekt: „Aber Herr Götz, es geht doch um Rehkitze.“

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