Wohnungspolitik

Warum leerstehende Wohnungen in Mannheim die Mietpreise nicht drücken

Der Mannheimer Wohnungsmarkt ist angespannt, trotzdem gibt es Leerstände. Die Linke hat den Soziologen Andrej Holm eingeladen, um über Ursachen und Lösungen zu diskutieren.

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Christian Gerards
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Diskutierten über bezahlbaren Wohnraum (von links): Roland Schuster, Andrej Holm, Isabell Fuhrmann und Dennis Ulas. © Christian Gerards

Mannheim. Wohnen ist Menschenrecht und muss bezahlbar bleiben. Das fordert die Partei Die Linke. Um das Thema aus wissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten, hatte der Mannheimer Kreisverband Andrej Holm, Stadt- und Regionalsoziologe an der Humboldt-Universität in Berlin, ins Gewerkschaftshaus eingeladen.

„Das Menschenrecht auf Wohnen bedeutet, dass es angemessene und leistbare Wohnungen für alle Haushalte gibt. Diese sind in den Großstädten in Deutschland für ganz viele Menschen nicht vorhanden“, betonte Holm im Vorab-Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. So gebe es in der Republik 8,1 Millionen Haushalte mit stark unterdurchschnittlichen Einkommen. Dem ständen aber nur 4,1 Millionen Wohnungen zur Verfügung, die unterdurchschnittliche Mietpreise hätten. „Da sehen wir eine Lücke.“

Untersuchungen hätten für die 25 größten Städte in Deutschland gezeigt, dass Privatvermieter keine große Motivation hätten, unterpreisige Wohnungen anzubieten. „So funktioniert halt das Marktmodell, dass alle versuchen, zumindest den Durchschnitt zu erreichen.“ Aber die Einkommen seien eben nicht durchschnittlich verteilt – und selbst eine durchschnittliche Miete sei für Menschen mit einem geringeren Einkommen nicht stemmbar.

Steigende Mieten trotz hoher Leerstandsquote

Die Frage sei, wer diese Lücke schließen könne. „Da kann man entweder mit einem strengen Mietrecht und Auflagen über Regulation gehen oder den Sektor über öffentliche, genossenschaftliche oder gemeinnützige Wohnungen ausweiten, die nicht nach einem Profit-Prinzip organisiert sind“, sagt Holm. Neubau sei notwendig, wenn es in einer Stadt mehr Haushalte als Wohnungen gebe. Doch: „Mannheim hat eine relativ hohe Leerstandsquote im Vergleich zu anderen Städten und trotzdem steigende Mieten.“ Das zeige, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang gebe zwischen den Mietpreisen und der Anzahl der Wohnungen, die theoretisch zur Verfügung ständen.

Eine bürokratische Vereinfachung bei der Beantragung von Wohngeld würde den Menschen zwar helfen, „aber an der Grundkonstellation nichts ändern“. Wichtig sei es daher, dass die Anzahl der Sozialwohnungen nicht weiter zurückgehe, weil die Bindung an eine gesetzlich festgelegte Miete auslaufe. Das Problem sei seit mehr als 30 Jahren bekannt.

Holm nannte Wien als Beispiel für sozialen Wohnungsbau, wo vieles anders funktioniere und etwa die Hälfte aller Wohnungen entweder in öffentlicher Hand oder in gemeinnützigen Genossenschaften organisiert seien. „Wenn es heißt, dass man im Kleinen anfangen muss, dann können wir doch unseren Einstieg in den sozialen Wohnungsbau nicht weiter hinauszögern“, betonte Holm und verwies darauf, dass in der österreichischen Hauptstadt der soziale Wohnungsbau seit rund hundert Jahren Tradition hat.

Lösungsansatz: Fördergelder nur an gemeinwirtschaftliche Träger

Ein Aspekt, um Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen, sei laut Holm ein unkomplizierter Wohnungstausch, wenn sich Lebenssituationen verändert hätten. Allerdings würden dies Vermieter meistens dazu nutzen, die Mieten zu erhöhen. Wichtig sei eine Gesetzesreform, so dass Personen in ein bereits bestehendes Mietverhältnis eintreten können, in dem im Vertrag nur die Namen, aber nicht der Mietzins geändert würden. Da dies aber in den allermeisten Fällen nicht der Fall sei, sei ein Wohnungstausch für die Menschen nicht attraktiv.

„Wenn man alle Haushalte mit leistbar angemessenen Wohnungen versorgen will, dann kommt man nicht drumherum, den Bestand von sozial orientierten Vermietern auszuweiten“, betonte der Sozialwissenschaftler weiter. Das seien aber nicht die Privatvermieter. Bei Fördergeldern für den sozialen Wohnungsbau sollte daher darauf geachtet werden, dass diese fast ausschließlich an gemeinwirtschaftliche Träger, also an öffentliche Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften, gehen.

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Die Linke nutzte den Abend auch, um Wahlkampf zu machen. So sagte Isabell Fuhrmann, linke Kandidatin für Mannheim-Süd für die Landtagswahl im kommenden Jahr, dass Wohnen zu einer sozialen Krise geworden sei, weil jeder zweite Haushalt Sorge habe, die Miete künftig nicht mehr zahlen zu können. Die Landesregierung habe beim Thema Wohnen total versagt und „das Problem sogar noch verstärkt“.

So habe die Landesbank Baden-Württemberg im Jahr 2011 insgesamt 21.500 Wohnungen für 1,4 Milliarden Euro an ein Bieterkonsortium unter der Führung der Patrizia Immobilien AG verkauft, obwohl ein kommunales Bieterkonsortium nicht viel weniger geboten, dafür aber 20 Jahre Mieterschutz und Investition in Modernisierungen versprochen habe. „Patrizia hat drei Jahre später die Wohnungen mit 400 Millionen Euro Gewinn verkauft“, kritisierte Fuhrmann.

LTK-Stadtrat Dennis Ulas forderte etwa auf kommunaler Ebene mehr Anstrengungen für günstigeres Wohnen und blickte auf einen Bodenfonds, mit dem die Stadt Grundstücke aufkaufen könnte, um auf den Flächen etwa mithilfe des kommunalen Wohnungsbau-Unternehmens GBG sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen. Um den Druck auf den Wohnungsmarkt perspektivisch zu reduzieren, sollten nach seiner Ansicht etwa auf Spinelli keine Einfamilienhäuser, die viel Fläche verbrauchen, sondern vor allem Mehrgeschosshäuser entstehen. „Mannheim hat bis 2030 einen Bedarf an zusätzlichen 14.000 Wohneinheiten, und das bekommen wir nicht mit Einfamilienhäusern gestemmt.“

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