Zum Abschiedsinterview mit Klaus Eberle lädt der langjährige Ordnungsamtsleiter noch einmal in seine alte Wirkungsstätte in der Oststadt ein. Beim Ankommen folgt direkt eine Überraschung: Auch nach 27 Jahren gibt es offenbar immer noch viel zu tun. Und deshalb arbeitet der Vollblutordnungshüter immer noch – aber nur als Mithelfer und Berater, beschwichtigt er. Im Gespräch spricht der Teilzeit-Ruheständler darüber, warum er weiterhin nicht an Falschparkern vorbeilaufen kann, wieso ausgerechnet er als oberster Ordnungshüter schon geblitzt wurde – und wie gut seine Blitzer gegen Raser funktionieren. Außerdem blickt der 66-Jährige in die Zukunft und verrät, was es mit den neuen Sauberkeitsstreifen gegen Sperrmüll auf sich hat – und welche Neuheiten noch so anstehen.
Herr Eberle, können Sie trotz Teilzeit-Ruhestand heute guten Gewissens an Falschparkern vorbeilaufen? Oder rufen Sie doch den Ordnungsdienst?
Klaus Eberle: Ich rufe nicht wegen jedem Falschparker an. Wenn ich aber sehe, dass da ein Auto quer auf dem Gehweg steht, dann geht das nicht. Dabei geht es um die Frage der Verkehrssicherheit, da muss ich anrufen. Das ist eine Einstellungssache. Ich bin schon für Sicherheit und Ordnung.
Apropos Beschwerden: Beschwert sich der Mannheimer oder die Mannheimerin gerne, oft oder viel zu schnell wegen Nichtigkeiten?
Eberle: Bei unserer Leitstelle geht die Mehrheit der Beschwerden, die uns erreichen, ein. Im Jahr sind das etwa 10 000 Fälle. Dazu kommen noch mal rund 10 000 private Anzeigen, denen wir nachgehen. Von den Beschwerden drehen sich 75 Prozent um den Verkehr. Hundekot, Lärm oder Müll sind da vergleichsweise Nebensache.
Ist das viel oder wenig im Vergleich zu anderen Städten?
Eberle: Mannheim ist bekannt dafür, eher tolerant zu sein. Das Aufkommen liegt also im durchschnittlichen Bereich. Aber es gibt immer wieder Beschwerden aus Überzeugung: Da rufen Menschen an, weil ein Auto auf dem Gehweg oder zu weit drauf steht. Da spaltet sich die Gesellschaft: in Auto-Freunde und Auto-Feinde. Wir haben in Deutschland und in Mannheim so viele Autos wie nie zuvor. Wenn man dann noch den Raum fürs Parken einengt, dann ist Streit vorprogrammiert.
Wo genau gibt’s am meisten Stress?
Eberle: Zum Beispiel beim Thema Gehwegparken, bei dem wir auf Anordnung des baden-württembergischen Verkehrsministeriums unsere Duldungspraxis aufgeben müssen. Da versuchen wir transparente Regeln für alle zu schaffen. Das Gehwegparken müssen wir als Stadt so gestalten, dass es rechtlich in Ordnung ist. Das kostet Flächen, die bislang widerrechtlich als Parkplätze genutzt wurden. Bei diesem Teil der Verkehrswende wollen wir aber die Menschen mitnehmen, die offensichtlich ihre Autos immer noch behalten.
In Ihrer Amtszeit sind Sie einmal auf der Autobahn geblitzt worden. Wie sieht Ihre aktuelle Knöllchen-Bilanz aus‘?
Eberle: Das letzte Ticket habe ich tatsächlich vor drei Monaten bekommen. Das war im Mannheimer Umland, da war ich bei strömendem Regen in einer Tempo-30-Strecke unterwegs – und wurde von einer Silbersäule mit 37 km/h geblitzt. Hatte das Schild übersehen. Genau diese Anlage hatten wir in Mannheim als erste Stadt im Land eingerichtet. Grundsätzlich halte ich mich aus Überzeugung ans Tempolimit – nicht aus Angst vor dem Bußgeld.
Das müssen Sie erklären…
Eberle: Mir ist bewusst: Wo ich bei Tempo 30 noch anhalten kann, überfahre ich bei Tempo 50 ein an gleicher Stelle auftauchendes Hindernis, weil die Reaktionszeit die gesamte Distanz zum Hindernis aufbraucht, eine Bremswirkung also erst gar nicht eintritt. Deshalb halte ich mich aus Überzeugung an die Regeln, aber verurteile auch nicht diejenigen, die mal aus Versehen zu schnell fahren. Das kann mal passieren. Dieses Verständnis habe ich nicht für Raser, die bewusst andere gefährden.
Für die gibt es diese mobilen und massiven Panzer-Blitzer…
Eberle: Panzer-Blitzer? (lacht). Sie meinen Enforcement-Trailer, also semi-mobile Überwachungsgeräte. Das Aussehen ist eine Folge des Vandalismusschutzes.
27 Jahre Ordnungsamt
- Seit 1996 leitete Klaus Eberle den Fachbereich Sicherheit und Ordnung. Nach 27 Jahren wollte er sich im Sommer 2023 in den Ruhestand verabschieden. Auf Bitte von Oberbürgermeister Christian Specht hat er seinen Abschied zweimal verschoben. Letzter offizieller Tag als Leiter des Ordnungsamts war der 31. Oktober 2023.
- Aktuell arbeitet Eberle noch einen Tag in der Woche beim Ordnungsamt – verteilt sind die Stunden auf vier Tage in der Woche. Als Ordnungsamtschef hatte Eberle den Rang eines Stadtdirektors. Er ist 66 Jahre alt.
- Bevor er ins Ordnungsdezernat wechselte, war er für die Stadt zehn Jahre in den Bereichen Organisationsberatung und Informationstechnik tätig. Der Diplom-Verwaltungswirt hat an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Kehl studiert.
Und damit macht die Stadt wirklich keinen Gewinn?
Eberle: Gewinn zu machen, ist nicht unser Ziel, wir wollen Verkehrssicherheit fördern. Im ruhenden und fließenden Verkehr. Wenn wir diese Pflichtaufgabe kostendeckend durchführen können, habe ich damit kein Problem. Wenn Sie jedoch so konkret nach Zahlen fragen: Im aktuellen Jahr bis einschließlich November gab es 121 000 Fälle im fließenden Verkehr. Die Bußgeld-Erträge sind von 3,9 auf 4,3 Millionen gestiegen, die Fälle aber sind im Vergleich zu den Vorjahren gesunken.
Weniger Raser, dafür mehr Einnahmen. Woran liegt das?
Eberle: Am neuen Bußgeldkatalog des Bundes. Die höheren Sanktionen waren längst überfällig. In der ganzen EU lag Deutschland bislang viel zu niedrig. Dass die Zahl der Geblitzten in Mannheim sank, kann daran liegen, dass die Denkzettelwirkung durch die neuen Bußgeldhöhen funktioniert. Über 100 Euro für zu schnelles Fahren plus Punkte, das tut richtig weh.
Also wirken diese Blitzer gegen Raser?
Eberle: Sie sind definitiv sehr effizient. Wir haben vier davon. Die stationären Anlagen dagegen stehen an Unfallschwerpunkten wie an der Südtangente in der Nähe vom Hauptbahnhof. Dort hat es vorher jedes Jahr um die 30 Unfälle gegeben. Die Säule war so hilfreich, dass es seitdem dort praktisch keine Unfälle mehr gibt.
Wann, wo und warum werden die mobilen Blitzer aufgestellt?
Eberle: Häufig als Reaktion auf Beschwerden über Raser. Dann führen wir zuerst eine Messung mit sogenannten Impaktoren durch. Da wird nicht geblitzt, es werden nur statistische Werte erhoben. Ist das nur ein subjektives Gefühl oder rasen da tatsächlich viele durch? Die Geräte in der Größe eines Schuhkartons werden an vorhandenen Masten angebracht. Sie zählen alle passierenden Fahrzeuge und messen deren Tempo – meist über eine Woche. Wenn sich die Befürchtungen bewahrheiten, kommt der Blitzer. Der blitzt dann 24 Stunden am Tag, mehrere Wochen am Stück. Danach ist diese betreffende Stelle in der Regel befriedet, was auch länger anhält.
Auch Müll stört die Mannheimer oft. Nun sind Müll-Detektive geplant: Glauben Sie, die können etwas gegen die illegalen Müllhaufen in der Neckarstadt-West ausrichten?
Eberle: Wir wollen Anfang des Jahres besondere Sauberkeitsstreifen einrichten, hierfür haben wir drei zusätzliche Stellen erhalten. Diese sollen besonders gegen Sperrmüllablagerungen eingesetzt werden, die nicht angemeldet wurden.
Und so ein Haufen wächst weiter ...
Eberle: Genau. Das ist entscheidend: Der Müll darf nicht weiter wachsen. Das Müllthema beeinflusst das Sicherheitsgefühl negativ. Wenn so ein Haufen über zwei Tage liegt oder sogar eine Woche, vermittelt das den Anwohnenden: Hier kümmert sich keiner, man wird allein gelassen mit seinen Problemen, fühlt sich unwohl und unsicher. Der Müll muss also weg – so schnell es geht.
Warum klappt das gerade nicht?
Eberle: Das weiß ich nicht, unser Fachbereich ist nicht zuständig für die Beseitigung. Deshalb wird der Ordnungsdienst auch nicht den Müll durchsuchen und liegenlassen. Wir werden Hot-Spots überwachen und die Anwohnenden befragen. Aber im Rahmen dieser Aktion wird auch die Abfallwirtschaft vor Ort mit dabei sein und den Müll gleich entfernen.
Müll ist ein Grenzfall: Das Ordnungsamt ist nur zuständig, wenn der Abfall die öffentliche Sicherheit gefährdet, richtig?
Eberle: Nein, wir sind für das Verhindern von Sauberkeitsverstößen und für deren Ahndung zuständig, nicht aber für die Müllbeseitigung. Das gilt für Sperrmüll und für Kleinstmüll. Verstöße führen grundsätzlich zu hohen Bußgeldern. Das Risiko, erwischt zu werden ist aber eher gering: Wer heute eine Kippe fallenlässt, muss 70 Euro bezahlen. Für einen ausgespuckten Kaugummi sind es sogar 100 Euro Strafe. Aber das effektiv zu kontrollieren, ist fast unmöglich. In Uniform erwischen wir da kaum jemanden. Das gelingt am ehesten durch schwerpunktmäßig eingesetzte Zivil-Streifen, die wir versuchen einmal pro Woche umzusetzen.
Sie haben Ihre Nachfolgerin, Jessica Deutsch, intensiv eingearbeitet. Vor was haben Sie Deutsch gewarnt, wo hatten Sie es am schwersten?
Eberle: Frau Deutsch kennt sich durch Ihre frühere Arbeit gut aus. Was wichtig zu wissen war, sind die Geschichten hinter den Themen. Natürlich reichen zwei Monate Einarbeitung für einen so großen Fachbereich kaum aus. Dennoch war es sehr hilfreich. Jessica Deutsch als Nachfolgerin zu haben, ist ein Glücksfall, so einen Job muss man gerne machen – und das tut sie, genauso wie ich immer. Bei einer Ordnungsbehörde bekommt man viele gesellschaftliche Probleme rasch und hautnah mit. Pandemie, Verkehrswende, internationale Auseinandersetzungen – all das schlägt sich auch irgendwie bei uns nieder.
Fällt es Ihnen deshalb schwer, loszulassen? Schließlich arbeiten Sie immer noch hier?
Eberle: Die Leitung dieses Fachbereichs ist kein 9-to-5-Job. Wenn man sich darauf einlässt und das gerne macht, hat das auch Nebenwirkungen. Ich war früher rund um die Uhr erreichbar. Jetzt genieße ich es, nicht mehr so „unter Druck“ zu stehen. Ich habe aber auch nichts dagegen, meine Erfahrungen noch projektbezogen einzubringen.
Woran arbeiten Sie denn noch?
Eberle: Ich arbeite an der Weiterentwicklung unserer kommunalen Kriminalprävention, gegebenenfalls durch Ergänzung der bisherigen Aktivitäten in diesem Bereich um ein kommunales Konfliktmanagement sowie der Neuausrichtung der Sicherheitsbefragung. Dabei geht es um das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Der Vorteil einer systematischen Befragung: Man kann sich gezielt um das kümmern, was die Bewohner im Viertel wirklich stört. Manches ist mit restriktiven Maßnahmen alleine nicht zu lösen. Über 20 Prozent der Zeit verbringt der Ordnungsdienst zum Beispiel in der Neckarstadt-West. Aber ist das sinnvoll? Klar ist es gut, wenn der Ordnungsdienst schaut, wer da nach 20 Uhr noch auf dem Spielplatz „rum lungert“. Aber das sind oft nur Jugendliche, die sich unterhalten. Also eigentlich kein Fall für den Ordnungsdienst, aber eventuell für ein allparteiliches Konfliktmanagement.
Wie soll das denn am Ende aussehen?
Eberle: So ein Team könnte schauen, wo und wie man diese Jugendliche vom Spielplatz unterbringt oder was man ihnen bieten kann. Es soll der Spaltungstendenz in der Gesellschaft entgegenwirken. Wir führen schon Gespräche mit dem Quartiersmanagement und haben uns ähnliche Konzepte in München und Augsburg angesehen.
So ähnlich wie die Nachtschichtler im Jungbusch?
Eberle: Das geht in die gleiche Richtung. Denn es dreht sich bei den von den Befragten genannten Themen immer auch um Lärm und Schmutz und den gegenseitigen Respekt, um unterschiedliche Anforderungen an den gleichen und nicht mehr vermehrbaren öffentlichen Raum. Da muss man einen guten Ausgleich finden. Es gibt noch viel zu tun.
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