Mannheim. „Sichtbarer sein“ müsse ihr Beruf, meint sie. „Ganz toll“ findet sie es daher, dass an diesem Sonntag, 15. Juni, bundesweit erstmals der Nationale Veteranentag gefeiert wird, um Angehörigen der Streitkräfte öffentlich Respekt zu zollen. Oberstabsfeldwebel Sonja, deren Nachnamen man aus Sicherheitsgründen nicht nennen darf, arbeitet beim Bildungszentrum der Bundeswehr in Neuostheim. Als eine von bundesweit 13 Frauen und Männern in Uniform wirbt sie für die zentrale Festveranstaltung am Reichstagsgebäude in Berlin und wird auch dort dabei sein.
„Ich denke, wir müssen mehr angenommen, mehr akzeptiert, mehr gesehen werden“, findet die 45-jährige Soldatin und tritt dafür gerne öffentlich ein. Militär sei in unserer Gesellschaft „zu wenig sichtbar“, seit im Zuge des Truppenabbaus der 1990er- und 2000er-Jahre Kasernen aufgelöst sowie Kolonnen seltener und damit aus dem Blick verschwunden seien. „Die Bundeswehr ist zu sehr in den Hintergrund gerückt“, bedauert sie. Dies müsse sich wieder ändern, wozu der Veteranentag ein gutes Mittel sein könne.
Die Mannheimer Soldatin war bereits zweimal in Afghanistan
Im April 2024 hatte der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, einen Nationalen Veteranentag einzuführen sowie die Versorgung von Veteranen und ihrer Familien zu verbessern. Der Nationale Veteranentag solle „das Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft stärken“, hieß es damals, und neben jeweils einer zentralen Veranstaltung immer Mitte Juni solle es bundesweit weitere Aktionen geben. Tatsächlich finden von Kiel bis Mittenwald etwa 100 weitere Events statt.
In Amerika sei das ganz anders, gibt Oberstabsfeldwebel Sonja zu bedenken. Der „Veterans Day“ fällt alljährlich auf den 11. November und ist ein gesetzlicher Feiertag. Sonja kennt das nur zu gut, denn sie ist als Tochter eines US-Soldaten und einer deutschen Mutter in Heidelberg aufgewachsen. Sie wollte schon als 14-jähriges Mädchen unbedingt auch Soldatin werden, spielte mit anderen Soldatensöhnen und -töchtern Rugby, ging zum Tag der offenen Tür auf einen Luftwaffenstützpunkt. Als Halbamerikanerin hätte sie sich auch in der US Army verpflichten können. Doch als die Bundeswehr 2001 alle militärischen Laufbahnen für Frauen öffnete, bewarb sie sich sofort und wurde zunächst Zeitsoldatin, 2008 dann Berufssoldatin.
Oberstabsfeldwebel Sonja gehört zur Luftwaffe, machte die Grundausbildung in Germersheim und ging zu den Luftwaffensicherern, also der für den Schutz militärischer Flugplätze, Hangaranlagen, Radar- und Flugabwehrstellungen zuständigen Objektschutzkräfte. Zeitweilig fungierte sie als „Spieß“, also als wichtige Ansprechpartnerin für Soldaten im Dienstalltag einer Kompanie, oder als Karriereberaterin. Zwei Mal war sie auch im Auslandseinsatz in Afghanistan, bewachte dort Einrichtungen der Bundeswehr und fuhr mit Patrouille. Über Details dürfe sie aber nicht sprechen, sagt sie. In direkte Kampfhandlungen sei sie dabei zum Glück jedoch nicht verwickelt gewesen, „aber ich weiß, dass Kameraden ganz schlimme Erfahrungen gemacht haben“, so Oberstabsfeldwebel Sonja. Inzwischen bereitet sie andere Soldaten auf Auslandseinsätze vor.
Neuostheimer Gleichstellungsbeauftragte repräsentiert den Veteranentag
Parallel habe sie bei der Bundeswehr immer ihren Sport Rugby ausüben können. Auch ohne Mitgliedschaft in einer Sportförderkompanie sei sie etwa für die Teilnahme an Welt- und Europameisterschaften sowie die Vorbereitung freigestellt worden. „Ich durfte zwei Träume leben – meinen Sport und Soldat zu sein“, sagt sie.
Derzeit arbeitet sie als Militärische Gleichstellungsbeauftragte am Bildungszentrum der Bundeswehr in Neuostheim. Kameraden haben sie als eines der Gesichter für die Werbekampagne der Bundeswehr für den Veteranentag vorgeschlagen – und sie stimmte gerne zu, nachdem das Verteidigungsministerium sie ausgewählt hatte. „Ich möchte zeigen, dass man auch als Mutter Soldatin sein kann, dass man sich weiterentwickeln kann, Unterstützung bekommt“, so die 45-Jährige, die zwei Kinder hat. Für Frauen habe sich sehr viel zum Positiven verändert in der Truppe und bei Auslandseinsätzen kümmere sich der Bund um die Familien.
Wenn sie in Uniform öffentlich auftrete, habe sie mittlerweile „gar keine Probleme mehr“. Es sei einfach ihre Arbeitskleidung, „aber ich bin trotzdem Mensch, Mutter, Freundin, Nachbarin“, betont sie. Auch bei Familie oder Freunden habe sie nie Schwierigkeiten damit bekommen, dass sie sich für einen Beruf in Uniform entschied. Aber sie hoffe, dass der Veteranentag dazu beitrage, dass generell der Respekt vor der Bundeswehr wachse. „Es ist ein Job, es ist ein Beruf wie jeder andere“, auch wenn er natürlich mit dem Tragen einer Uniform, dem Hantieren mit Waffen und notfalls deren Einsatz zu tun habe. „Aber wir bleiben ja Mensch“, betont Sonja. Dass dieser Dienst für das Land „mehr wertgeschätzt wird“, dafür sei der Veteranentag wichtig, findet sie.
Mannheim als Standort
Bald nach Gründung der Bundeswehr 1955 wurde auch Mannheim Standort, beginnend mit einer Standortverwaltung in der alten Fliegerkaserne Neuostheim, einem Kreiswehrersatzamt in der Mollstraße (ab 1958 Nebeniusstraße, zuletzt 1995 bis 2012 Lorettokaserne) und 1956 der Bundeswehrverwaltungsschule in A 1.
Zeitweise gab es in Mannheim 1.400 Soldaten und 1.600 Zivilbeschäftigte.
Das „Mannheimer Hausbataillon“, das Fernmeldebataillon 970, wurde 1962 aufgestellt und 1994 aufgelöst. Es war in der Lüttichkaserne (ab 1974 Ludwig-Frank-Kaserne genannt).
Das Territorialkommando Süd , 1956 in Mannheim aufgestellt, kam dann gleich nach Heidelberg und war erst 1985 bis zur Auflösung 1994 in der Lorettokaserne Seckenheim sowie im Bunker Feudenheim, der zuvor der NATO (CENTAG) diente, stationiert.
In Neuostheim siedelte sich zunächst 1961 die Akademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik an, ab 1974 Bundesakademie genannt, ab 2013 Bildungszentrum der Bundeswehr . Mitte der 1960er-Jahre kam die Bundeswehrverwaltungsschule dazu, 1980 die Fachhochschule. Sie sind alle Teil der zivilen Wehrverwaltung. pwr
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