Mannheim. Zum ersten Mal in der Geschichte wird Mannheim im Bundestag von keinem direkten Abgeordneten vertreten. Aufgrund der – politisch nicht unumstrittenen – Wahlrechtsreform hat Melis Sekmen den Einzug ins Parlament verpasst, obwohl die CDU-Politikerin mit 24,7 Prozent der Stimmen den Wahlkreis gewonnen hat. Mit Isabel Cademartori (SPD) und der Linken Gökay Akbulut haben es über die Landeslisten dennoch wieder zwei Politikerinnen in den Bundestag geschafft, die dort bereits Mandate hatten. Auch Heinrich Koch ist nun Abgeordneter. Der Stadtrat hat es über die Landesliste der AfD nach Berlin geschafft. Dagegen ist Konrad Stockmeier ausgeschieden – die FDP ist an der bundesweiten Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.
Im neuen Parlament kommen den drei Abgeordneten unterschiedliche Aufgaben zu. Diese Redaktion hat sie gefragt, welche Rollen sie haben und welche Ziele sie damit verbinden.
Isabel Cademartori (SPD)
Die Sozialdemokratin hat bei der Bundestagswahl 22,5 Prozent der Erststimmen auf sich vereint – und damit ihr Ziel, ihr Direktmandat von 2021 zu verteidigen, recht klar verpasst. Cademartori wurde hinter Sekmen Zweite, errang allerdings deutlich mehr Erststimmen als die SPD in Mannheim Zweistimmen (18,2 Prozent).
In der vergangenen Woche hat die Fraktion Cademartori – sie gehörte der SPD-Delegation an, die den Koalitionsvertrag ausgehandelt hat – wieder zu ihrer verkehrspolitischen Sprecherin gewählt. Das Amt hatte die Sozialdemokratin bereits vor der Bundestagswahl und seit September 2023 inne. Als Verkehrspolitikerin profitiert sie auch vom Infrastruktursondervermögen. Das Geld solle nun gezielt und kraftvoll investiert werden, teilt sie mit. Als erste Maßnahme will Cademartori das Deutschlandticket absichern. „Für uns steht fest: Wir möchten, dass der Preis stabil bleibt und die Finanzierung langfristig geklärt wird.“ Derzeit kostet das Deutschlandticket monatlich 58 Euro. Zudem will sie ins Brücken- und Schienennetz investieren.
Als verkehrspolitische Sprecherin ist Cademartori ordentliches Mitglied im Verkehrsausschuss, außerdem ist sie stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Darüber hinaus haben die SPD-Abgeordneten aus Baden-Württemberg die 37-Jährige zur stellvertretenden Vorsitzenden der Landesgruppe innerhalb der Fraktion gewählt.
Heinrich Koch (AfD)
Nach Sekmen, Cademartori und der Grünen Nina Wellenreuther, die den Einzug in den Bundestag verpasst hat, landete Heinrich Koch bei der Bundestagswahl in Mannheim auf dem vierten Platz. Er bekam 17,9 Prozent der Erststimmen, was fast genau dem Anteil der Zweitstimmen der AfD in Mannheim entsprach (17,6). Koch sitzt zum ersten Mal im Bundestag.
Für die zweitgrößte Bundestags- und die größte Oppositionsfraktion ist er ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. In diesen Rollen stehe er „fest an der Seite unserer Soldaten und Kameraden“, sagt der Oberstleutnant der Reserve. Die Bundeswehr müsse ihrem verfassungsgemäßen Auftrag nachkommen und das Land beschützen können. „Die Wehrpflicht ist dabei kein Relikt vergangener Zeiten, sondern Ausdruck der Verantwortung jedes Bürgers gegenüber seinem Vaterland“, sagt Koch. Freiwillige Modelle seien dagegen keine „adäquate Antwort“ auf sicherheitspolitische Herausforderungen. Dabei gehe es nicht um „Reaktionen auf externe Bedrohungen“, sondern um die „innere Stärke“ des Landes. Koch ist zudem Delegierter für den Europarat seiner Fraktion.
Der Verfassungsschutz hat die AfD vor wenigen Wochen als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Nach einem Eilantrag wurde die Einstufung im Rahmen einer „Stillhaltezusage“ bis zur juristischen Entscheidung vorläufig ausgesetzt. Der Verfassungsschutz wies allerdings darauf hin, dass die Einstufung damit nicht zurückgenommen worden sei.
Gökay Akbulut (Linke)
Mit 8,0 Prozent der Erststimmen landete Gökay Akbulut in Mannheim auf dem fünften Platz. Die Linkspartei erreichte in Mannheim 11,3 Prozent der Zweitstimmen. Akbulut ist die dienstälteste Bundestagsabgeordnete aus Mannheim und nach 2017 und 2021 zum dritten Mal über die Landesliste ihrer Partei ins Parlament eingezogen.
Im Bundestag ist sie ordentliches Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dort Obfrau ihrer Fraktion. Sie will sich in der Entwicklungspolitik auf die Bekämpfung von Armut und die Beseitigung von Ungleichheiten konzentrieren, erklärt Akbulut. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht sie ein „Instrument deutscher Wirtschaftsinteressen“, mit dem Deutschland Rohstoffe ausbeuten und sich von Geflüchteten abschotten werde.
„Nur eine Entwicklungspolitik, die Hunger bekämpft und Perspektiven schafft, kann Fluchtursachen nachhaltig verhindern“, sagt Akbulut. Die Koalition verfolge hingegen das Prinzip ,Gib mir was, dann kriegst du was‘, kritisiert die Linke. „Wir brauchen eine partnerschaftliche Entwicklungspolitik statt egoistischer Deals.“
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