Mannheim. Von Altersmilde keine Spur. „Ich bin entsetzt, was da teilweise passiert“, kritisiert Einald Sandreuther. 90 Jahre alt wird der Architekt, der als verantwortlicher Planer der Vogelstang und der Neckaruferbebauung Nord das Mannheimer Stadtbild maßgeblich mitgeprägt hat. Noch immer verfolgt er von seinem Wohnsitz in der Pfalz aus intensiv, was in Mannheim passiert, und im Herbst will er zum 60. Jahrestag der Grundsteinlegung auf die Vogelstang kommen.
Einald Sandreuther geht mit Kunsthalle und HOME-Hochhäusern ins Gericht
Er liest weiter den „Mannheimer Morgen“ und informiert sich darüber hinaus oft über die Entwicklung der Quadratestadt. Dass die Stadtverwaltung das Bürohaus vom Collini-Center so weit hat „verkommen lassen“, so Sandreuther, dass es nun abgerissen werden soll, empfindet er als „städtebauliche Katastrophe“. Die neue Kunsthalle ist für ihn „von außen eine Rostkiste, im Innern kann man nichts sagen“, meint er.
Auch die Entwicklung der Neubaugebiete, etwa der früheren amerikanischen Wohnsiedlung Franklin, bedauert er. Die dort geplanten vier Hochhäuser in Form der Buchstaben H, O, M und E, die zusammen „Home“ (Zuhause) ergeben sollen, betrachtet er als „architektonisches Disneyland“: Sinnvoll sei das nicht.
In Ludwigshafen geboren - Mannheim mitgestaltet
Sandreuther, in Ludwigshafen-Gartenstadt geboren, war nach der von Kriegswirren unterbrochenen Schulzeit 1949 zunächst Schreiner geworden und hatte dann drei Jahre als Bauzeichner gearbeitet. Erst danach studierte er Architektur in Kaiserslautern. Nach Tätigkeit in verschiedenen Architekturbüros, wo er unter anderem in Mannheim bei Carlfried Mutschler erste Erfahrung mit Wettbewerben sammelte und an der Pfingstbergkirche mitarbeitete, ging Sandreuther 1964 zur Neuen Heimat, wurde zwei Jahre später Leiter der Planungsabteilung und 1973 Leiter der Außenstelle Mannheim. Die Wohnungsbaugesellschaft des Deutschen Gewerkschaftbunds hatte in Zeiten der Wohnungsnot eine wichtige Rolle, denn sie erhielt zahlreiche große Aufträge.
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Dazu zählte die Vogelstang. Mit Architekt Peter Dresel entwarf er diesen völlig neu entstehenden Stadtteil im Osten Mannheims, der anfangs noch viel größer geplant war. Vorher waren die Flächen landwirtschaftlich genutzt worden und hatten zu Käfertal und Wallstadt gehört. Auch am Freiburger Stadtteil Landwasser war Sandreuther beteiligt. Die drei Wohntürme am Neckarufer Nord (NUB) konzipierte Sandreuther mit Werner Single und Norbert Schultes. Er plante auch ein 40-stöckiges Hochhaus auf dem Alten Meßplatz, das aber nie realisiert wurde, zudem die Schulen am Neckarufer Nord und das Forum der Jugend. Er hätte auch die Alte Feuerwache abreißen sollen - doch er wollte das historische Gebäude erhalten, obwohl ihm dabei anfangs der Denkmalschutz keine Hilfe war. Auch dank einer Bürgerinitiative klappte der Erhalt doch.
Sandreuther durfte ohne Krawatte zum OB
Sein wichtigster Gesprächspartner bei der Stadt war der seinerzeitige Oberbürgermeister Ludwig Ratzel (SPD), der 1972 bis 1980 amtierte und zuvor schon als Erster Bürgermeister als „Vater der Vogelstang“ den neuen Stadtteil vorantrieb. Sandreuther durfte zum OB ohne Krawatte oder Fliege kommen, erinnert er sich heute amüsiert: „Der hat mich als Künstler eingestuft“, so Sandreuther, denn sonst war das in diesen Zeiten streng verpönt.
1986 schied Sandreuther bei der Neuen Heimat aus, gründete sein eigenes Büro und entwarf etwa die Glaspavillons, die einige Jahre auf den Kapuzinerplanken standen. Als junger Mann Radrennfahrer, legte sich der in einer alten Mühle im Leiningerland lebende Architekt als Ruheständler ein neues Hobby zu und lernte, Saxofon zu spielen.
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