Mannheim. Thomas Zimmermann sitzt in seiner Metzgerei in den Mannheimer Quadraten. Die leergeräumte Theke glänzt metallisch. Das Rolltor ist heruntergelassen, Tische und Stühle sind zusammengestellt. Alles verrammelt. Zimmermann hat sich Zeit genommen. Denn er will Einblicke in die lange Familiengeschichte geben. Jetzt, wo seine Metzgerei nach über 100 Jahren schließt.
Der Uropa von Zimmermann, Jean Steiner, kam aus dem Elsass nach Mannheim. Er legte den Grundstein für die Metzgerei. „Das war um die Jahrhundertwende. Am Eck N4 war der erste Standort“, sagt Zimmermann. Steiner gründete hier mit Elisabeth Steiner, geborene Hauk, eine Familie. Metzger und Hauk in Mannheim? Der Name kommt einem doch bekannt vor. „Ja, viele Metzgerlinien in Mannheim haben Verbindungen“, erzählt Zimmermann.
Gänseschmalz für die Besatzer
Er berichtet, wie seine Vorfahren nach dem Krieg zuerst „mit den GIs Gänseschmalz gegen Zigaretten oder Zement“ tauschten. Er holt ein Bild eines kleinen Holzverschlags mit Vorhang heraus. „In so einer kleinen Butze ging alles los, bevor der Wiederaufbau begann“, sagt er. „Denn das Quadrat hier war ein Volltreffer“, ergänzt er ironisch, während er auf dem Stuhl im Imbiss sitzt und sich umdreht. Er zeigt durch die Scheibe raus über die Straße: „Es war alles kaputt. Aber schauen Sie da, zwischen dem Helder & Leeuwen-Café und der Wäscherei, das sieht heute noch so aus wie auf dem Bild. Der Torbogen hat jedenfalls nichts abgekriegt.“ Er blättert eine Seite in einem Ordner mit Fotos um.
Er hat auch ein altes Gesellenheft mitgebracht. Es ist ausgestellt im Jahr 1927 und gehörte seinem Großvater, Ludwig Zimmermann. Der wurde im Krieg eingezogen, aber Oma Henriette blieb im Betrieb aktiv, berichtet er. Zimmermann streicht mit den Fingern über das vergilbte Buch, das die Stationen des Metzger-Gesellen auf der Walz dokumentiert.
Belächelt als der „Fridde-Metzger“
Als dann sein Vater Gerhard Zimmermann Jahre später in Mannheim mit einsteigt und als erster Metzger Pommes in der Stadt anbietet, wird er von den anderen Metzgern belächelt: „,De Fridde-Metzger’, haben sie ihn genannt“, sagt Zimmermann. Seine Augen funkeln. „Und ein paar Jahre später war keiner dieser Konkurrenten mehr da.“
Zimmermann beschreibt, wie sich der Ausbau zum Imbiss schnell lohnte. Er selbst hat in den 1980er Jahren im Betrieb gelernt. Und ihn von 1999 bis heute geführt. „Und während ich das so erzähle, fallen mir gerade wieder an die zehn Namen von Metzgern in der Stadt ein, die es gar nicht mehr gibt.“ Er beginnt eine schier endlose Liste an Namen aufzuzählen. Aber ja, sagt er, „die Essgewohnheiten, und vor allem die in der Stadt“ hätten sich auch durch Homeoffice und Co. verändert. „Die anderen Landmetzger haben uns eh nie verstanden, wie wir als Metzgerei in der Stadt sein können“, sagt er. „Aber bei uns gibt es eben Wurstsalat mit Pommes. Und wir mussten auch viel ausprobieren. Dazu gehörte auch, mit der Zeit zu lernen, dass sich der Samstag für uns nicht rechnet - und dann das Geschäft an dem Tag zuzulassen.“
„Tod der kleinen Geschäfte“
Zimmermann blickt aus dem Fenster auf den Bürgersteig gegenüber. „Wissen Sie, was der Tod der kleinen Geschäfte ist?“, sagt er. „Das“ - und er zeigt auf die schwarzen Poller, die das Parken unmöglich machen. Er sagt: „Autofreie Innenstadt? Mir scheint es eher, als will man, dass die Stadt eine Partymeile wird. Und dass sie voller E-Roller ist“, sagt er und rollt die Augen. „Leute sollen mit aller Gewalt in die Stadt gelockt werden“ - aber eben keine Kunden der Geschäfte, findet er. Er ärgert sich über ein „fehlendes Konzept oder Park & Ride“ oder innovative Ideen, um Kundenströme zu lenken.
BSE und Schweinepest „überlebt“
Der Metzgermeister spricht auch über den Fachkräftemangel. „Frittierfett teuer, Strom teuer, alles teurer. Und ja, irgendwann machen Sie den Ofen nicht mehr an“, sagt er. Die extreme Preisentwicklung, immer mehr Auflagen: „Da haben wir gesagt: Zum Jahresende 2022 ist Schluss. Wenn ich an den Kunden nichts mehr verdiene, sondern mit mehr reingehe als ich rausgehe, lohnt es sich nicht mehr. Ich müsste Preise machen, die könnte keiner zahlen. Wissen Sie, ich habe in meiner Zeit als Metzger so viele Krisen mitgemacht. BSE, Hühnergrippe, Schweinepest. Aber die Preise, das kann keiner mehr stemmen“, sagt er.
Viele ältere Kunden
Ein älterer Herr läuft am Laden vorbei. Er winkt. Zimmermann grüßt ihn durch die Scheibe mit Namen. „Jeden Tag zwei Mittagessen“, sagt Zimmermann und grinst. Allgemein scheint es so, als ob viele Menschen hoffnungsvoll in die seit Tagen geschlossene Metzgerei schauen. Zwei vorbeilaufende Polizisten blicken interessiert zu den gerade durch uns besetzten Tischen. „Alles Kundschaft“, sagt er und grinst wieder. Wie haben allgemein die Kunden auf die Nachricht der Schließung reagiert? „Sehr emotional“, sagt Zimmermann. „Manche haben sogar geweint. Andere waren bitterböse, richtig sauer“, berichtet er. „Das war krass. Die haben gesagt: ,Wie könnt ihr uns das antun?’“
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Viele ältere, alleinstehende Menschen zählte er zu seinen Kunden. Schnell eine Portion Mittagstisch oder „eine Portion in der Dose abholen, das war für viele praktisch. Gerade die alten Leute mit dem Handwägelchen, niemand bedient sie jetzt mehr, das war ihr täglicher Kontakt“, betont er. Aber sein Catering und seine Dosenprodukte will er weiter anbieten. „Und wir in der Familie haben Überlegungen, irgendwie weiterzumachen. Aber eben nicht als Metzgerei.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Metzgerei Zimmermann in Mannheim schließt: Ein Paradebeispiel