Mannheim

Waren Messerstiche am Wasserturm Vorsatz oder Notwehr?

Fast hätte es einen Toten gegeben. Eine Auseinandersetzung zwischen zwei Männergruppen am Mannheimer Wasserturm endete blutig. Der Fall wird am Landgericht verhandelt. Beide Seiten schildern den Tathergang unterschiedlich

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Roland Schmellenkamp
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Mannheim. Auch beim zweiten Prozesstag wegen einer Messerstecherei im Bereich des Wasserturms Ende August kam ins Geschehen keine Klarheit. Mohammed M. ist angeklagt, bei einer Streiterei einen Gegner mit dem Messer unterhalb des Auges verletzt und einem anderen einen Stich in den Bauch versetzt zu haben, der hätte tödlich sein können.

Der Freund, mit dem er damals unterwegs war, hat am Landgericht nahezu die Aussage des Angeklagten vom ersten Prozesstag wiederholt: Sie seien am Wasserturm von acht bis zehn Personen angegriffen worden, dann sei die Gruppe mit dem Handy von M. weggelaufen. M. habe ihn dann auf Kurdisch nach einem Messer gefragt, das, so der 23-Jährige, habe er ihm gegeben. Dies nur sicherheitshalber, damit M. sich verteidigen könne. Dann hätten sie die Verfolgung aufgenommen.

Handy-Rückgabe gefordert

Sie hätten die anderen eingeholt und darum gebeten, das Handy zurückzugeben. Der 18-jährige M. sei kurz darauf unweit des Wasserturms von einem der Gegner mit einer Stange geschlagen worden und zu Boden gegangen. Andere hätten ihn bedroht. M. sei aufgestanden, habe das Messer gezückt und den Angreifer mit der Stange am Auge verletzt sowie kurz darauf den zweiten Angreifer am Bauch. Die Zeugen der anderen Gruppe schildern die Messerstecherei anders: M. habe sie eingeholt und plötzlich zugestochen.

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Also gibt es zwei Varianten: Mohammed M. könnte die Verfolgung wegen des Handys aufgenommen und nur zur Selbstverteidigung zugestochen haben. Oder er hat die anderen verfolgt, um mit Vorsatz zuzustechen - das würde jeweils ein sehr unterschiedliches Strafmaß bedeuten. Worin sich alle einig sind: Am Wasserturm hatte es zuvor eine Prügelei gegeben, wer den ersten Schlag ausführte, blieb jedoch unklar: Trotz hartnäckigen Nachfragens von Richter Joachim Bock gab es da bei allen Zeugen eine Erinnerungslücke. Der Richter erklärte: „Ich habe nicht den Eindruck, dass die eine oder andere Seite mit Glaubwürdigkeit glänzt.“

Streit bereits am Vortag

Offensichtlich besteht die eine Gruppe aus Kurden, die andere aus Irakern. Ein Grund für die Auseinandersetzung wurde von den Beteiligten bisher nicht genannt. Nur dass es am Tag zuvor bereits eine Auseinandersetzung am Wasserturm gegeben habe, bei der M. kräftig zugeschlagen haben soll. Geht es gar nicht um Persönliches, sondern handelt es sich um eine Feindschaft zwischen ethnischen Gruppen? Bock mutmaßte, dass es womöglich eine Auseinandersetzung zwischen Volksgruppen war und appellierte auch an die Zuhörer: „Versuchen Sie, friedlich miteinander zu leben!“

Gibt Brief Einblick in Hintergründe?

Interessant ist ein beschlagnahmter Brief, den Mohammed M. im Gefängnis an seine Verwandten schrieb. Darin bittet er, mit den Leuten zu sprechen, mit denen er im Streit liege. Bock zitierte: „Bringe in Erfahrung, was sie wollen und gib, was sie verlangen.“ Beim nächsten Prozesstag am Donnerstag, 16. März, wird ab 9 Uhr eine Zeugin aussagen, die keiner der zwei Gruppen nahesteht. Sie hatte die Messerstecherei von ihrem Balkon aus beobachtet.

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