Landgericht Mannheim

Prozessbeginn um Messer-Attacke am Wasserturm: Messerstecher oder Opfer eines Angriffs?

Mohammed M. hat Attacken auf zwei Männer zugegeben. Was davor geschah, wird zu Prozessbeginn völlig unterschiedlich geschildert

Von 
Roland Schmellenkamp
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Zwei Männer hat Mohammed M. vergangenen Sommer mit Messerstichen verletzt. Das Landgericht versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. © Michael Ruffler

Mannheim. Es ist wie so oft vor Gericht: Bei den grundlegenden Dingen sind sich alle einig und die Tat wird zugegeben. Doch das Drumherum wird unterschiedlich dargestellt - und das kann zu völlig unterschiedlichen Bewertungen führen. Ist Mohammed M. ein brutaler Messerstecher, der Ende August am Wasserturm mit einer Eisenstange auf einen anderen jungen Mann eingeschlagen und diesen nach einer Verfolgung in den Oberbauch gestochen hat? Dies hätte tödlich sein können. Oder wurde der 18-jährige Iraker selbst von einer deutlich größeren Gruppe angegriffen und konnte sie schließlich nur mit einem Messer stoppen - also Selbstverteidigung?

Seit Donnerstag versucht das Landgericht, Licht ins Dunkel zu bringen. Den Stich in den Bauch und einen weiteren ins Gesicht eines zweiten Gegners gibt M. zu. Das Geschehen schildert er wie folgt: „Acht bis zehn Personen haben mich geschlagen und angegriffen“, lässt er von seinem Dolmetscher übersetzen. Weiter sei ihm sein heruntergefallenes Handy weggenommen worden. Ein Freund hätte ihm mit einer Metallstange zur Seite gestanden, doch die hätte ihm einer der Gegner aus der Hand gerissen.

Als Polizeisirenen zu hören waren, sei die Gruppe geflohen, er und der Freund hätten sie verfolgt um das Handy zurückzubekommen, er habe sich von dem Freund ein Messer geben lassen. Der Vorsitzende Richter Joachim Bock war wegen des Handys irritiert: „Von einem gestohlenen Handy hat in der gesamten Akte kein Mensch gesprochen!“. Mohammed M.: „Mein Anwalt hatte mir geraten, darüber nicht zu reden.“

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In der Lameystraße habe er die Gruppe gebeten: „Bitte gebt mir mein Handy zurück!“, sei jedoch wieder geschlagen und als er am Boden lag auch getreten worden. Dann sei er aufgestanden, „die wollten mich wieder schlagen“ und einen der Gegner, der eine Metallstange hatte, habe er ins Gesicht gestochen, worauf dieser die Stange fallen ließ. Die hätte sich ein weiterer Angreifer genommen, den habe er dann in den Bau gestochen: „Dann haben sie aufgehört.“

Als Zeuge sagte gestern auch der 28-Jährige aus, der den Stich in den Oberbauch erhalten hatte. Sein Cousin habe mit M. am Wasserturm gestritten, er sei hinzugekommen, alle hätten sich gegenseitig geschlagen. Trotz mehrfacher Nachfrage von Bock wusste er angeblich nicht, wer mit der Prügelei angefangen hatte. Dann sei M. - also nicht dessen Freund - mit einer Metallstange auf sie losgegangen, die hätten sie ihm weggenommen. Er sei mit drei weiteren jungen Männern dort gewesen, sie seien gegangen: „Wir hatten Angst, denn M. hat viele Freunde.“

Der hätte sie dann zusammen mit einem Freund verfolgt und eine Flasche nach ihnen geworfen. In der Lameystraße habe es eine weitere Schlägerei gegeben. Das Messer habe er erst bemerkt, nachdem M. ihn damit gestochen hatte. Bock hielt ihm seine frühere Polizeiaussage vor: Demnach habe M. am Wasserturm seinen Freund um ein Messer gebeten, als sie das Wort gehört haben, seien sie geflohen. Der Zeuge erklärte die Ungereimtheit damit, dass er am Wasserturm nur das Wort Messer gehört, es aber noch nicht gesehen habe. Dass einer von seiner Gruppe das Handy von M. genommen habe, bestritt er.

Mohammed M. erklärte auf die Frage von Richter Bock nach dem Anlass für den Streit, dass ihn, seinen Bruder und Cousin einen Tag zuvor in der Stadt Leute aus der Gruppe ausgelacht und lächerlich gemacht habe.

Am Donnerstag ging es auch um das Leben von M., der nach eigenen Angaben im Irak im Alter von elf Jahren traumatische Erlebnisse hatte: „Ich habe Tote ohne Kopf und halbe Körper gesehen. Die Straßen waren voller Leichen. Manchmal träume ich davon und wache auf.“ Der „Islamische Staat“ habe seine Heimatstadt angegriffen „Mein Vater hatte einen großen Supermarkt, der IS hat alles zerstört und gestohlen.“ M. hat danach zeitweilig bei seinem Großvater gewohnt, erst beim zweiten Versuch gelang er nach Griechenland und zwei Jahre später im Rahmen einer Familienzusammenführung legal nach Deutschland.

Bruder, Onkel und Cousin wohnen in der Region. M. wurde in Griechenland psychiatrisch behandelt, nachdem er dort Selbstmordversuche unternahm. Richter Bock geht von einer Posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen aus. Im Gefängnis bekommt M. entsprechende Medikamente.

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