Plädoyers vorgetragen

Vergewaltigungsprozess: Gutacher sieht "hohe Wiederholungsgefahr"

Er soll eine Zwölfjährige brutal vergewaltigt haben. Auch andere Mädchen sollen davon betroffen sein. Seit Februar steht ein 20-jähriger Mannheimer deshalb vor Gericht. Welche Strafe die Staatsanwaltschaft fordert

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Agnes Polewka
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Ein 20-Jähriger muss sich seit Mitte Februar vor dem Frankenthaler Landgericht verantworten. © Bernhard Zinke

Frankenthal. Domenic A. hält den Blick gesenkt. Der 20-jährige Mannheimer knetet seine Hände, während Staatsanwältin Anne Wolf am Donnerstag vor dem Frankenthaler Landgericht fünf Jahre Haft für ihn fordert. Seit Mitte Februar muss sich A. vor Gericht verantworten. Weil er junge Mädchen aus der Region erpresst und manipuliert, sie geschlagen und gewürgt, sie brutal vergewaltigt haben soll.

Auf jüdischen Friedhof in Mannheim gelockt

In ihrem Plädoyer rekonstruiert Wolf noch einmal die Geschehnisse: Zwischen Februar 2022 und Juli 2022 soll Domenic A., der zuletzt in Mannheim lebte, mit zwei zwölf Jahre alten Mädchen gechattet haben. Dabei nannte er sie laut Ermittlern „Schatz“ oder „Baby“, schickte ihnen ein „Ich liebe dich“ oder ein „Ich mag dich“. Mutmaßlich mit dem Ziel, die Mädchen zu sexuellen Handlungen zu bewegen - und diese im Video oder auf Fotos festzuhalten. Um die Mädchen anschließend damit zu erpressen und sie zu Treffen mit ihm in der realen Welt zu drängen.

„Ihr Verhalten war nicht nur erbärmlich, sondern abscheulich.“
Frank Rolle Rechtsanwalt der Nebenklägerin

Eines der beiden Mädchen sagte das Treffen laut Staatsanwaltschaft ab. Ein anderes ließ sich darauf ein. Mit fatalen Folgen: Auf dem jüdischen Friedhof in Mannheim bedrohte, schlug, würgte und vergewaltigte er das Mädchen laut Anklage. „Sie haben einem Menschen die Chance genommen, selbst die Liebe zu entdecken, selbstbestimmt erste sexuelle Erfahrungen zu sammeln“, sagt der Naumburger Rechtsanwalt Frank Rolle am Donnerstag. Rolle vertritt das Mädchen, das als Nebenklägerin im Prozess gegen Domenic A. auftritt. „Ihr Verhalten war nicht nur erbärmlich, sondern abscheulich.“

Domenic A. hat am ersten Prozesstag alle Taten eingeräumt und den Mädchen damit eine Aussage vor Gericht erspart. Den beiden Zwölfjährigen und einer 14-Jährigen. Mit ihr soll sich der 20-Jährige im August 2022 auf einem Spielplatz in Ludwigshafen verabredet haben. Beide kannten sich über Freunde. Laut den Ermittlern wollte sich die 14-Jährige mit A. treffen, weil er Interesse an ihrer Freundin gehabt habe. Und sie an seinem Freund.

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Doch die Situation auf dem Spielplatz soll sich dann in eine völlig unvorhergesehene Richtung entwickelt haben. Wieder soll Domenic A. zugeschlagen und gewürgt und ein weiteres Mädchen sexuell misshandelt haben. Über Handzeichen machte die Jugendliche Passanten auf sich aufmerksam, formte wieder und wieder ein Hilfezeichen, das sie aus den sozialen Netzwerken kannte - mit Erfolg. Die Spaziergänger verständigten die Polizei. „Diese Taten werden die Zeuginnen ihr ganzes Leben lang begleiten“, sagt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Immer wieder spricht sie darin explizit von zwei Kindern und einer Jugendlichen.

Reifeverzögerung attestiert

Wolf fordert die Verurteilung nach Jugendstrafrecht und eine psychotherapeutische Behandlung. Sie folgt damit den Einschätzungen des psychiatrischen Sachverständigen und der Jugendgerichtshilfe. Beide haben Domenic A. zuvor Reifeverzögerungen attestiert. Und eine Kombination aus Verhaltens- und emotionaler Störung, „auf Basis einer Bindungsstörung“, sagt der Gutachter. Er umreißt noch einmal kurz die Biografie des Angeklagten, die am ersten Verhandlungstag bereits rekapituliert wurde. Die schwierige Kindheit in Erfurt, die Schläge der Mutter, dann der Umzug in eine Pflegefamilie und schließlich in eine Reihe von Kinderheimen, darunter auch Einrichtungen in der Region, etwa in Mannheim und Sinsheim. Überall fliegt er wieder raus. „Ich bin immer weitergereicht worden“, hat er sich zu Beginn des Prozesses erinnert. Und hat berichtet, wie er mit neun anfing zu rauchen, mit elf Jahren zum ersten Mal kiffte und später zu härteren Drogen griff - Kokain und Crystal Meth.

Domenic A.s Biografie dokumentiert seinen schwierigen Lebensbeginn, sein Alleinsein und wie er immer weiter abdriftete, kriminell wurde. A. ist mehrfach vorbestraft. Wegen Einbrüchen, versuchten Diebstahls und Körperverletzung.

Auch die Prognose des psychiatrischen Sachverständigen fällt negativ aus: „Aufgrund der mangelnden Empathie für die Geschädigten ist von einer erheblichen Gefahr der Wiederholung auszugehen“, sagt der Experte und rät dem Angeklagten, sich unbedingt einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen. Auch eine Drogentherapie könnte hilfreich für ihn sein, so der Gutachter.

In der kommenden Woche, am Mittwoch, 8. März, wird laut dem Vorsitzenden Richter Alexander Melahn voraussichtlich das Urteil gegen Domenic A. fallen. Zuvor sind die Plädoyers einer weiteren Nebenklägervertreterin und der Verteidigung geplant.

Redaktion

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