Mannheim. Wild geparkte Fahrzeuge, verschobene Testversuche, aber viel Wille zur Veränderung. Mannheim tut sich noch immer schwer damit, konkrete Regeln für die E-Tretroller aufzustellen. Woran es hakt, was die Stadt plant, was sich die Anbieter wünschen und wie der Umgang mit den E-Scootern künftig auf den Straßen aussehen könnte. Ein Überblick:
Welche Regeln gelten aktuell für E-Scooter in Mannheim?
Aktuell gibt es bereits unzählige Parkverbotszonen, besonders an Ufernähe und in der Innenstadt. Zudem hat die Stadt vor einigen Jahren eine schriftliche, aber nicht rechtlich bindende Vereinbarung mit allen E-Scooter-Verleihern getroffen. Darin erklären sich die Verleiher bereit, die Parkverbotszonen einzuhalten und für falsch geparkte Roller zu haften.
In der Vereinbarung heißt es etwa: „Der Verleiher verpflichtet sich, maximal fünf E-Tretroller an einem Standort im Umkreis von 100 Metern aufzustellen, falsch geparkte E-Scooter müssen innerhalb von 24 Stunden umgestellt werden.“ Wie viele Fahrzeuge aktuell in der Quadratestadt herumflitzen, lässt sich nur schwer sagen. Nur der Verleiher Tier gibt auf Anfrage seine genaue Flottengröße von 1700 Scootern preis, die anderen beiden Anbieter Lime und Bolt wollen aus Wettbewerbsgründen dazu keine Angaben machen.
Alle Verleiher betonen auf Anfrage: Man stehe im engen und regelmäßigen Austausch mit der Stadt. Pläne, sich aus Mannheim zurückzuziehen, dementieren alle drei Anbieter auf Nachfrage.
Welche Probleme gibt es?
Immer wieder gibt es Beschwerden über abgestellte E-Scooter auf Geh- oder Radwegen, die oft zu gefährlichen Stolperfallen im Straßenverkehr werden. Allerdings lässt sich nur schwer ermitteln, wer den E-Scooter dort falsch abgestellt hat – denn manchmal werfen oder stellen Unbeteiligte die geparkten Scooter um.
In diesem Jahr sind bis Ende August deswegen bereits 91 Beschwerden beim Ordnungsamt eingegangen, wie die Stadt auf Anfrage mitteilt. Beschwert hatten sich die Anrufenden wegen abgestellten Scootern auf dem Gehweg oder an Haltestellen sowie achtlos ins Gebüsch geworfene Rollern. Der städtische Ordnungsdienst ahndet Verstöße mit E-Scootern laut Stadt immer dann, „wenn diese behindernd abgestellt werden und damit eine Unfallgefahr darstellen.
In diesem Jahr hat der Ordnungsdienst bisher 295 Verwarnungen in diesem Zusammenhang ausgestellt“, schreibt die Stadt. In der Unfallstatistik des Polizeipräsidiums Mannheim werden Unfälle, verursacht durch falsch geparkte E-Tretroller, übrigens nicht erfasst, auch bundesweit gibt es dazu keine Zahlen. Der Verleiher Lime bietet an, über hilfe@li.me oder unter Tel. 06977044733 falsch abgestellte E-Scooter melden zu können. Die E-Scooter würden von Mitarbeitenden wieder ordentlich aufgestellt. Zudem gibt es unter https://scooter-melder.de/ den E-Scooter Melder, eine Maßnahme seitens der Mikromobilitätsanbieter der Plattform Shared Mobility.
Auf Nachfrage erklärt Anbieter Tier, dass die Beschwerdelage aktuell „sehr ruhig sei“ und man keine Notwenigkeit sehe für strengere Auflagen. Sollte die Stadt aber „Handlungsbedarf sehen, stehen wir bereit, um die Herausforderungen anzugehen“. Anbieter Bolt verzeichnet sogar einen Anstieg der Fahrten um 20 Prozent im Vergleich zum Sommer 2022.
Was plant die Stadt, um die Probleme in den Griff zu kriegen?
Mithilfe einer Sondernutzungsgebühr und -Erlaubnis soll die Zahl der E-Tretroller langfristig heruntergeschraubt werden. Ziel ist es, die Anzahl um ein Drittel zu reduzieren. Außerdem sollen feste Parkstationen helfen, das Falschparken in den Griff zu kriegen. Ein gemeinsam erarbeitetes Mobilitätskonzept mit dem Verkehrsbund Rhein-Neckar mit den Städten Heidelberg, Kaiserslautern und Ludwigshafen soll dafür die Basis bieten. Die Einführung einer Sondernutzung erlaubt der Stadt, neben einer Obergrenze für E-Scooter auch Gebühren von den Verleihern pro Roller und Jahr verlangen zu können. Beim Preis will man sich an den Gebühren anderer Städten orientieren. So würden die meisten eine Gebühr zwischen zehn und 50 Euro pro Jahr erheben.
Woran hakt es bei der Umsetzung?
Von Versuchsparkzonen bis zur Sondernutzung: Längst waren in vielen Sitzungen des Sicherheitssauschusses des Gemeinderats sich alle darüber einig, genau das in Mannheim einzuführen. Trotz unzähliger Anträge von unterschiedlichen Gemeinderatsfraktionen und einer mündlichen Ankündigung im Sicherheitssauschuss hat die Verwaltung bislang keine Beschlussvorlage vorgelegt.
Im ersten Halbjahr 2023 wollte die Stadt festlegen, wo einzelne, feste Ausleihstationen in der Innenstadt eingerichtet werden könnten. Mit mobilen Markierungen sollte ab Frühling/Sommer getestet werden, wo solche Ausleihstationen in der Innenstadt entstehen sollen. Nachgefragt, was daraus geworden ist, erklärt die Stadt: Die ersten Tests beginnen voraussichtlich Ende Herbst. „Gleichzeitig stellt sich die Identifikation freier Flächen als herausfordernder und aufwendiger dar als gedacht. So müssen dabei neben der ausreichenden Dimensionierung auch Aspekte wie Rettungswege, Anfahrbarkeit, Durchfahrtsbreiten, die Sicherstellung der Barrierefreiheit und der Verkehrssicherheit berücksichtigt werden.“ Immerhin: Drei zukünftige Teststandorte stehen fest: In den Quadraten A1, E4 und N2, weitere seien in Planung.
Was denken die Verleiher über feste Abstellstationen?
Auf Anfrage sprechen sich die drei Verleiher Bolt, Tier und Lime klar für feste Abstellstationen aus. Laut Anbieter Bolt wirken sich diese positiv „auf die Parksituation von E-Scootern aus. Es kommt zu signifikant weniger Problemen beim Abstellen, weniger Vandalismus im Sinne mutmaßlichen Umstoßens und zu weniger Hindernissen durch umgekippte E-Scooter“. Auch umgefallene Roller, würden dann nicht mehr auf Gehwege fallen und andere behindern. Bolt verweist auf Erfahrungen in der Stadt München, wo es solche Stationen schon in der Innenstadt gibt. „Seit der Einführung gibt es kaum noch Beschwerden oder Probleme mit falsch parkenden oder im Weg stehenden E-Scootern“, so Bolt. Ähnlich klingt es bei Tier. Hier weiß man aus Erfahrung, dass feste Parkzonen funktionieren.
Was wünschen sich die Anbieter?
Alle drei Verleiher sind sich einig, dass feste Abstellstationen nur funktionieren, „wenn es davon genügend gibt und sie in ausreichender Dichte zur Verfügung stehen“, so Tier. Deswegen braucht es laut Tier Parkzonen, die alle 150 Meter oder an jeder Straßenecke sind. Dieser Meinung schließen sich auch die Verleiher Bolt und Lime an. Laut Tier habe man für Mannheim bereits Parkzonen-Vorschläge wie etwa den Hauptbahnhof gemacht, man sei „gerne bereit, datenbasierte Erfahrungswerte sowie Empfehlungen weiterhin mit der Stadtverwaltung zu teilen.“
Gibt es konkrete Vorschläge für Parkzonen von den Anbietern?
Tier spricht sich für mindestens 50 Parkzonen in der Innenstadt aus, allerdings sei die Zahl auch abhängig davon, „wie viele Fahrzeuge maximal in der entsprechenden Parkfläche abgestellt werden dürfen.“ An Ballungsorten wie dem Hauptbahnhof könnten laut Tier auch mehrere Zonen entstehen, um eine Ballung von Scootern zu verhindern. Verleiher Lime geht noch einen Schritt weiter und verweist auf die Umwandlung von Auto-Parkplätzen: Auf diese Weise sei es nicht nur möglich, die Mikromobilität verträglich in den Stadtverkehr zu integrieren, sondern durch Umwandlung der Parkplätze gleichzeitig die Privilegierung des Autos in der Stadt abzubauen und Anreize für den Umstieg auf andere, nachhaltigere Mobilitätsangebote zu fördern.
Gerade da, wo der Flächenkonflikt besonders groß ist, mache die Schaffung von freiwilligen Abstellflächen, idealerweise durch die Umwidmung von Parkplätzen, sehr viel Sinn. „Auf einen Pkw-Parkplatz passen bis zu 15 E-Scooter! Die Erfahrung zeigt, dass diese gut angenommen werden und Gehwege entlasten“, so Lime. Der Verleiher fördert das auch gezielt bei seinen Nutzenden, „indem wir finanzielle Anreize für das Abstellen auf solchen Flächen geben“.
Was sagt die Stadt zu festen Abstellstationen?
Dass künftig alle 150 Meter eine Ausleihstation installiert werden könnte, wie es sich die Anbieter wünschen, lehnt die Stadt ab. Die Begründung: Der öffentliche Raum sei „nur sehr begrenzt“, was sich aktuell in der aufwendigen Suche nach ersten Abstellflächen für die Erprobung zeige. Gleichzeitig sei die Nachfrage nach E-Tretrollern ungleich verteilt. Je nach Örtlichkeit seien die Raumnutzungskonflikte unterschiedlich stark. Die Strategie: Zunächst an relevanten Stellen, die eine hohe Nachfrage und besondere Raumnutzungskonflikte aufweisen, Abstellflächen zu testen. In einem bestimmten Umkreis davon gelte ein Free-floating-Verbot (freies Abstell-Verbot). Ansonsten gelte weiterhin das Free-floating-Prinzip.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Strengere Spielregeln für E-Scooter, bitte!