Corona

Vorwurf der fahrlässigen Tötung nach Corona-Fällen in Mannheimer Pflegeheim

Von 
Peter W. Ragge
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In diesem Neckarauer Pflegeheim Haus am Park ermittelt nach einem Corona-Ausbruch die Staatsanwaltschaft. © Michael Ruffler

Mannheim. Was er im „MM“ über die Vorkommnisse in dem Neckarauer Pflegeheim las, hat ihn stutzig gemacht – deshalb fragte der Landtagsabgeordnete Boris Weirauch (SPD) nach. Doch was der Parlamentarier nun vom Stuttgarter Sozial- und Gesundheitsministerium erfuhr, empört ihn. Danach nahmen drei Bewohner, obwohl mit dem Coronavirus infiziert, noch an einem Herbstfest des Hauses teil – was dann wohl die enorme Ansteckungswelle auslöste. Am Ende waren 13 Bewohner tot, 19 mussten in Kliniken. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz, fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung – das sind die Straftatbestände, weshalb die Ermittlungsbehörde die Vorgänge in dem Pflegeheim „Haus am Park“ des privaten Betreibers BeneVit genau untersucht. Die Strafanzeige hat das Rechtsamt der Stadt Mannheim am 15. November erstattet, auf Veranlassung des Gesundheitsamtes. Das ergibt sich aus der Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage, die Weirauch im Landtag gestellt hatte.

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Auf viele seiner zehn Einzelfragen gibt es noch gar keine Antworten, etwa wie das Haus die Tests organisiert und welche Ausnahmen es für Bewohner, Personal oder Besucher gemacht hat, wie die genauen Abläufe nach positiven Tests waren. Die Landesregierung habe dazu „derzeit keine konkreten Erkenntnisse“ und müsse die Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens abwarten.

Doch nach „vorläufiger Einschätzung des Gesundheitsamts der Stadt Mannheim könnte pflichtwidriges Verhalten der Einrichtungsleitung zur Weiterverbreitung des Virus in der Einrichtung beigetragen haben“, heißt es in dem Papier des Ministeriums. Danach wurden bereits am 8. Oktober vier Bewohnerinnen und Bewohner eines Wohnbereichs im Antigen-Schnelltest positiv auf das Coronavirus getestet – aber das Gesundheitsamt nicht informiert. „Da hätten alle Alarmglocken schrillen müssen“, wirft Weirauch der Einrichtungsleitung vor. Doch stattdessen gab es am 10. Oktober ein Herbstfest, an dem drei der vier positiv getesteten Bewohnerinnen und Bewohner teilnahmen.

„Haus am Park“

Das „Haus am Park“ in Neckarau, Rottfeldstraße, gehört zur BeneVit Gruppe, nach eigenen Worten ein inhabergeführtes Dienstleistungsunternehmen für die Pflege älterer und hilfsbedürftiger Menschen.

Sie wurde 2004 gegründet, hat über 30 Standorte in fünf Bundesländern, rund 2000 Mitarbeiter und 2300 Bewohner.

Eine Anfrage mit der Bitte um Stellungnahme zu der Auskunft aus dem Sozialministerium blieb am Sonntag unbeantwortet. pwr

Infektion elf Tage nicht gemeldet

„Die Veranstaltung erfolgte entgegen den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts“, so das Ministerium. Zudem seien unter 70 Prozent der Beschäftigten und unter 60 Prozent der Bewohner geimpft. „Das wäre nicht nur ein klarer Verstoß gegen den gesunden Menschenverstand, sondern auch gegen die infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen, nachdem positiv getestete Menschen sich in Absonderung begeben müssen“, kritisiert Weirauch.

Aus der Antwort des Ministeriums an Weirauch geht hervor, dass das Heim erst am 12. Oktober dem Gesundheitsamt meldete, dass eine ungeimpfte Mitarbeiterin Corona-Symptome aufweise, aber deren PCR-Test zunächst negativ ausfiel. Erst am 15. Oktober wurden dem Gesundheitsamt zwei positiv getestete Bewohnerinnen und Bewohner gemeldet, verbunden mit der Information über das Herbstfest am 10. Oktober. Das Gesundheitsamt erließ am gleichen Tag umfangreiche Anordnungen, von Zimmerquarantäne für alle positiv getesteten Bewohner, zehn Tage tägliche Testung, FFP2-Maskenpflicht und Schutzkleidung für alle Beschäftigten, Information der Angehörigen, Besuchsverbot für den betroffenen Wohnbereich, Untersagung von Personal- und Bewohnerwechseln zwischen den Wohnbereichen. Doch schon am 16. und 17. Oktober gab es 16, am 18. Oktober weitere acht positiv ausfallende Tests. Dass bereits am 8. Oktober bei vier Bewohnern Tests eine Infektion ergaben, erfuhr das Amt erst am 19. Oktober – nach elf Tagen. Daraufhin gab es eine Begehung durch die Behörde und weitere Auflagen. Danach seien die Meldungen dann „regelkonform“ erfolgt.

Doch die Todesfälle hat das nicht mehr verhindert. Die Staatsanwaltschaft untersucht neben diesen Todesfällen zudem „Verstöße gegen die einschlägigen Schutzvorschriften“, so das Ministerium. „Die Ermittlungen richten sich zunächst gegen die Heimleitung als für die Einhaltung der Schutzvorschriften verantwortliche Personen“, heißt es. Weirauch ist wichtig, „nach diesen schlimmen Vorfällen nicht zur Tagesordnung überzugehen“, sondern Verstöße auch zu ahnden. Er kündigt zugleich eine weitere Anfrage zur Rolle der – bei der Stadt angesiedelten – Heimaufsicht an. Bei ihm hätten sich „Angehörige gemeldet und über Mängel bei der Versorgung und Betreuung der Heimbewohner berichtet. Es wird zu klären sein, ob und inwieweit die Heimaufsicht hiervon Kenntnis hatte und ob sie Maßnahmen gegen mögliche Missstände ergriffen hat“, so Weirauch.

Redaktion Chefreporter

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