Mannheim. Es ist nur eine persönliche Stichprobe in zwei Testcentern. Keineswegs repräsentativ, aber interessant. Orte und Namen der Mitarbeiterinnen, die offen Auskunft geben, bleiben ungenannt. Die erste Frau hat eine Liste parat, wer Corona-Schnelltests noch kostenlos bekommt und bei wem drei Euro Eigenanteil fällig werden. Erstes gilt etwa für Menschen, die jemandem im Krankenhaus besuchen, Zweites für jene, die zu einer Innenraum-Veranstaltung gehen.
„Man muss aber immer einen Nachweis vorlegen“, sagt die Testcenter-Mitarbeiterin. Und was ist, wenn jemand seine Oma besuchen will, was ebenfalls in die Drei-Euro-Kategorie fällt? Die Frau zuckt mit den Schultern: „Kein amtlicher Nachweis, voller Preis.“ Hier würde ein Schnelltest dann 9,50 Euro kosten, andere verlangen bis zu 16 Euro.
Gratis, mit drei Euro Eigenbeteiligung oder voller Preis
- Corona-Bürgertests sind jetzt nur noch für bestimmte Personengruppen kostenlos.
- Dazu zählen unter anderem Kinder bis zum fünften Geburtstag, Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können (wie Schwangere in den ersten drei Monaten), Patienten und Besucher von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, pflegende Angehörige, Mitbewohner von Infizierten sowie diejenigen, die einen Test zur Beendigung ihrer Quarantäne brauchen.
- Mit drei Euro Eigenbeteiligung stehen die Bürgertests weiter Menschen offen, die etwa einen roten Warnhinweis auf ihrer Corona-App haben, am selben Tag noch zu einer Innenraum-Veranstaltung gehen, über 60-Jährige oder Angehörige anderer Risikogruppen treffen wollen. Erforderlich sind auch hier Nachweise oder, es anderweitig „glaubhaft zu machen“.
- Auf wen all das nicht zutrifft, der muss seinen Test – theoretisch jedenfalls – ganz selbst bezahlen.
- Näheres über die Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums unter www.bit.ly/3Isxylr.
Gratis oder drei Euro für alle?
In der nächsten Teststation ist es dagegen deutlich günstiger. Die nette Mitarbeiterin legt die neuen Regeln so aus, dass bestimmte Personengruppen gar nichts bezahlen müssen und alle anderen drei Euro.
Die falsche Botschaft von der geringen Eigenbeteiligung für alle, die keinen Anspruch auf gratis hätten, sei leider auch bei vielen Kunden angekommen, berichtet Moritz Biedenbach. Er ist Geschäftsführer eines großen Anbieters, in 15 Kommunen aktiv und mit vier Standorten in Mannheim, etwa im Stadthaus und am Stromwerk in der Neckarstadt-West. Sie hätten ein riesiges Team am Start gehabt, um die neuen Regeln auch im Computersystem umzusetzen. Vom Bundesgesundheitsministerium habe es stets geheißen, die kostenlosen Tests für alle fielen erst am 1. Juli weg. Doch dann sei am 29. Juni aus Berlin die Verordnung gekommen – mit Inkrafttreten schon um Mitternacht. „Das hat uns komplett aus der Bahn geworfen.“
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Mit einer Nachtschicht hätten sie dann die Software angepasst, so der Geschäftsführer. Aber einiges an den neuen Regeln finde er schwer nachvollziehbar – etwa, dass Jüngere vor einem Treffen mit über 60-Jährigen Anspruch auf einen Test für drei Euro hätten, die Senioren selbst aber nicht. Und dass sich Menschen mit Behinderung weiter gratis testen lassen könnten, habe Gesundheitsminister Karl Lauterbach zwar ausdrücklich gesagt – es stehe jedoch nicht in der Verordnung.
Biedenbach kann noch mehr Beispiele aufzählen, wo es hakt. Das Problem schwieriger Nachweise immerhin hätten sie gelöst, indem die Betroffenen eine Selbstauskunft ausfüllen und unterschreiben müssten. Dass Letzteres nötig sei, hätten sie jedoch erst aus einer Interview-Äußerung Lauterbachs erfahren. Insgesamt würde sich der Geschäftsführer ein deutlich einfacheres Modell wünschen. Und, dass die Politik trotz mancher schwarzer Schafe den seriösen Anbietern mehr vertraue.
Auch Apotheken klagen deutschlandweit über das neue Regel-Wirrwarr und über den enormen Aufwand mit den Nachweisen. Sie würden Bürgertests anbieten, „um der Pandemie Herr zu werden, nicht um die Leute unter Generalverdacht zu stellen“, kritisiert Mohammad Kakapour, der in der Collini-Apotheke die Testungen organisiert. Die Kunden hätten zwar Verständnis dafür, dass er nichts für die neuen Regeln könne. Dennoch sei der Ärger bei einigen groß, so der Apotheker. Überdies komme er leicht mit dem Persönlichkeitsschutz in Konflikt, wenn er sich etwa das Handy geben lasse, um eine rote Kachel auf der Corona-App zu prüfen. Das fällt nun ebenfalls in die Drei-Euro-Kategorie.
Mit Symptomen zum Arzt
Bei einem positiven Selbsttest muss man seinen Bürgertest dagegen nun ganz selbst bezahlen, hat aber Anspruch auf einen PCR-Test. Der muss jedoch über das Gesundheitssystem laufen, dann kann er über die Krankenkassen abgerechnet werden. Aus diesem Grund sollen sich auch Menschen mit Symptomen nur an niedergelassene Ärzte wenden, von denen wiederum einige keine Tests mehr machen wollen.
Beim Gesundheitsamt gingen vereinzelt Meldungen von Bürgern ein, die mit leichten Symptomen weiter Bürgertests wollten, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Auch gebe es bei einigen Teststellenbetreibern noch Unsicherheiten, man bemühe sich da um Aufklärung. Sollte nun jemand schließen, darf die Kommune – auch das hat sich geändert – keine neuen Anbieter mehr beauftragen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ärgerliches Chaos bei Corona-Bürgertests - mit albernen Nachweis-Pflichten