Eröffnung (mit Video) - Überfahrt von der Freßgasse in die Breite Straße ist jetzt gesperrt / Umbau der Markstraße in eine Fahrradstraße erfolgt in zwei Wochen

Verkehrsversuch in Mannheim jetzt gestartet: Lob und Kritik für Sperrung in der Innenstadt

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Valerie Gerards
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Die Überfahrt von der Freßgasse in die Breite Straße ist jetzt gesperrt. © Valerie Gerards

Mannheim. Weicher Rasen statt harter Asphalt, Loungemöbel statt parkende Autos. Es herrscht ungewöhnliche Stille: Ein Dutzend Stadträte, städtische Mitarbeiter und mindestens genauso viele Journalisten mit Mikrofonen und Kameras sind dabei, als die Überfahrt von der Freßgasse über die Breite Straße in Mannheim gesperrt wird. Das Projekt hat zahlreiche Befürworter in der Bevölkerung und unter den politischen Akteuren. Doch nicht jeder ist von der Verkehrsberuhigung überzeugt, die die Grünen schon seit 2012 für die Innenstadt fordern.

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So kann etwa der Inhaber der Pelikan-Apotheke an der Ecke Freßgasse/Breite Straße dem Versuch nichts Positives abgewinnen. „Unsere Kunden sind hauptsächlich kranke, nicht gesunde Menschen. Wenn sie nicht direkt vor der Tür parken können, ist es für uns sehr schwierig, diese zu halten“, sagt Michael Keller. Das nächstgelegene Parkhaus in G 3 sei keine Alternative für die ältere Kundschaft – es habe keinen Fahrstuhl und biete kein Sicherheitsgefühl. Auch die Belieferung von Ärzten werde nun schwieriger.

Alexander Wüst, Inhaber des Juweliergeschäfts Wenthe auf der gegenüberliegenden Straßenseite, kann dem Verkehrsversuch ebenfalls nichts abgewinnen. Seine Kunden seien es gewohnt, mit dem Auto in die Stadt zu kommen. „Wenn die Straße nach Ablauf des Jahres dauerhaft gesperrt bleiben sollte, würde ich mir wünschen, dass sie als vernünftige Fußgängerzone angelegt wird – wie auf den Planken.“ Siegfried Ulbrich vom Bettenhaus Zimmermann in Q 2 hält den Verkehrsversuch für einen Fehler, der Besucher aus der Stadt fernhalten werde.

Ein buntes Programm wurde den Besuchern an der Freßgasse geboten. © Valerie Gerards

Seit dem Morgen ist die Freßgasse in Höhe von Galeria Kaufhof zwischen P 1 und Q 1 mithilfe einer Schranke und hinter der Breiten Straße, zwischen E 1 und F 1 für den Durchgangsverkehr gesperrt. Bis Sonntag, 20. März, sollen weitere Umbaumaßnahmen für die provisorische Fußgängerzone fertiggestellt sein. Wie leise es ohne aufjaulende Motoren sein kann, haben die Bewohner rund um die Freßgasse aber schon bemerkt, während die Aufbauarbeiten noch in vollem Gange waren. „Es war heute Morgen deutlich leiser als sonst. Das ist schon sehr angenehm. Die ersten Autoposer fangen sonst schon bei Sonnenaufgang an, ihre Runden zu drehen“, berichtet ein Anwohner. „Ich finde, dass es andere Möglichkeiten gibt, Autoposer aus der Stadt herauszuhalten, etwa Lärm-Blitzer“, meint aber Keller.

Aufenthaltsqualität verbessern

Am Vormittag sind nur wenige Zuschauer vor Ort und die von Pfanzen flankierten Loungemöbel unbesetzt, als Mannheims Baubürgermeister Ralf Eisenhauer und Stadtmarketing-Geschäftsführerin Karmen Strahonja mit ihrer Begrüßung beginnen. „Wir werden für die kommenden zwölf Monate eine Innenstadt erleben, die deutlich attraktiver sein wird“, hofft Eisenhauer. Das Ziel des Versuchs sei es, die Aufenthaltsqualität im Bereich der Freßgasse und in vielen weiteren Abschnitten innerhalb der Innenstadt zu verbessern. „Ich verstehe die Sorgen der Händler, vor allem nach den schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie“, sagt Strahonja.

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Maximilian Hartmann wohnt in der Innenstadt und findet es gut, dass das schnelle Durchfahren der Freßgasse erstmal vorbei ist. „Grünflächen sind rar und Auslaufflächen für Kinder auch. Jetzt kann mein Sohn hier mit dem Pucki herumfahren“, meint er. Auch Tobias Frommholz, der in einer der Parallelstraßen der Freßgasse wohnt, begrüßt die Verkehrsberuhigung. „Mir ist hier definitiv zu viel Verkehr. Während der Woche sind hier viel zu viele Autos, und am Wochenende ist es eine Qual.“ Am Nachmittag halten doch mehr Passanten an, um die Musiker der Popakademie auf der Bühne zu sehen oder um mit ihren Kindern auf dem Rasen zu spielen. Auch der Straßenverkehr nimmt zu – Verkehrsbehinderungen gibt es durch die Sperrung aber keine, wie die Polizeipressestelle Mannheim mitteilt.

Die Sperrungen an der Freßgasse sind nur ein erster Schritt. In zwei Wochen wird die Marktstraße zwischen E 1 und E 2 zur Fahrradstraße umgebaut. Dann werden bei C 1/N 1 Leitschwellen in den Gleisbereich der Straßenbahnlinien eingebaut und die Durchfahrt der Kunststraße am Paradeplatz wird ab Montag, 4. April, für Autos gesperrt. Stadträtin Andrea Safferling (SPD) ist sich dessen bewusst, dass ein Teil der Bevölkerung dem Versuch skeptisch gegenübersteht. Sie erinnert an 2007, als der Verkehr aus den Planken gezogen wurde. „Das konnte sich damals auch niemand vorstellen. Bürger müssen so etwas erst mal erleben. Es ist ein Versuch, aber am Ende natürlich ergebnisoffen.“

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