Mannheim. „Falafel trifft Frikadelle“ - wohltuenderweise in der kühlen Alten Feuerwache und nicht unter freiem Himmel, von dem am Sonntagmittag die Sonne knallt. Eigentlich hatte der Verein „Mannheim sagt Ja!“ geplant, bei einem interkulturellen Frühstück sein zehnjähriges Bestehen zu feiern. Allerdings überschatten aktuelle Nachrichten zur Kriegs-Eskalation im Nahen Osten die Gespräche an den weiß gedeckten Tischen.
Bei solch einem Treffen gehe es darum, Einheit zu demonstrieren und Kontakte zu pflegen beziehungsweise neu zu knüpfen, sinniert Gerhard Fontagnier als Vorsitzender und betont, dass sich der Verein kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt in gegenseitigem Respekt auf die Fahnen geschrieben hat.
Flüchtlingswelle und Gründung von Pegida gaben den Anstoß
Rückblick: Es war die große Flüchtlingswelle, die am 17. Januar 2015 zu der Aktion „Mannheim sagt Ja!“ führte. Außerdem hatte sich die Kunde verbreitet, dass die rechtspopulistische Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) an Rhein und Neckar aktiv werden wollte. Über 12 000 Menschen aus vielerlei Gruppen setzten damals ein eindrucksvolles Willkommenszeichen. Und einige Monate später, am 31. August 2015, sollte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den legendären Satz sagen: „Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!“
Einen „Aufbruch“ sieht Angela Wendt, wenn sie auf das Entstehungsjahr des Vereins zurückschaut. Die einst so beflügelnde Stimmung sei inzwischen aber „gekippt“, bedauert die freie Dramaturgin. Und auch Carmen Fontagnier, die sich von Beginn an bei „Mannheim sagt Ja!“ engagiert, verhehlt nicht, dass der Mitgliederschwund zu schaffen macht und viele der Aktiven „frustriert sind“. Gleichwohl sei keine Option, zu resignieren.
Von Aufgeben und Rückzug ist in der Feuerwache auch nichts zu spüren. Im Gegenteil. Mit spürbarer Begeisterung stellen Frauen und Männer „ihre“ jeweilige Initiative vor, die sich mit dem Verein zusammengetan hat. Beifall brandet auf, als Vertreterinnen vom „ Arabischen Haus“ ans Mikrofon treten: Schließlich haben sie das Frühstücksbuffet mit frittierten Kugeln aus Kichererbsen und Kräutern nebst anderen Köstlichkeiten bereichert.
Berührend, ja aufwühlend ist der Appell einer Migrantin, die sich „Frau, Leben, Freiheit“ angeschlossen hat – und damit einer Protestbewegung, die an den Tod der jungen kurdischen Iranerin Jina Mahsa Amini erinnert, die im September 2022 von der „Sittenpolizei“ in Teheran wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kopftuchpflicht verhaftet wurde und in Gewahrsam starb. Die Botschaft der Aktivistin: „Im Iran herrscht ein terroristisches Regime.“
„Nein, bei uns gibt es keine Enkel-Kontrolle“, versichert mit Augenzwinkern eine Mitstreiterin von „Oma gegen Rechts“ und betont, dass auch Opas willkommen sind, sofern ihnen der Erhalt der Demokratie am Herzen liegt.
Veranstaltung zum Weltflüchtlingstag am 25. Juni geplant
Einige Initiativen wie der „Sichere Hafen Mannheim“ nutzen das Jubiläums-Treffen, um für eine bevorstehende Veranstaltung zu werben: Anlässlich des Weltflüchtlingstages präsentieren die Schauspielerinnen Bettina Franke und Monika-Margret Steger gemeinsam mit der Saxophonistin Alexandra Lehmler eine „Text-und Gedankencollage“ mit dem Titel: „Sprache der Unmenschlichkeit“ - am 25. Juni, 19 Uhr, in der Abendakademie in U 1, 16-19 bei freiem Eintritt.
Deutschlands berühmtester Ex-Obdachloser, der es zum erfolgreichen Autor gebracht hat, kündigt seine sozialen Projekte an. Als Richard Brox sein Buch „Kein Dach über dem Kopf“ veröffentlicht hatte, organisierte der Verein für den gebürtigen Mannheimer eine Lesung in der Luther-Kirche. Damals ging es auch um die Corona-Pandemie, die auf der Straße lebende Menschen vor besondere Herausforderungen stellte.
Mehr als ein Dutzend Einrichtungen und Initiativen umreißen in jeweils drei bis fünf Minuten, was sie umtreibt und antreibt: Dazu zählen auch Ehrenamtliche vom Asylcafé an der Mittelstraße, das schon über drei Jahrzehnte Flüchtlinge begleitet. Oder der Polit-Salon, der dank eines genossenschaftlichen Filmverleihs besondere Leinwandwerke wie eine Doku über Seenotrettung von Männern, Frauen und Kindern auf der Flucht zeigt.
Börse für Aktionen und zur weiteren Vernetzung
Das Frühstück dient auch als Börse für Aktionsideen. Die deutsch-israelische Gesellschaft hat einen offenen Workshop erarbeitet, in dem es darum geht, sich mit Antisemitismus alltagsnah auseinanderzusetzen.
Pro Bono, eigentlich ein Rechtsberatungsangebot von Jura-Studierenden der Uni Mannheim, regt eine Online-Kampagne an, die Geflüchteten mit gelungener Integration ein Gesicht geben will.
Und „Mannheim sagt Ja!“ plädiert dafür, 2026 eine Parade der Kulturen und damit der Vielfalt in die Quadrate zu bringen.
Die „Vernetzungskonferenz“, wie es der Vereinsvorsitzende und Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier formuliert, endet mit Dank an die Feuerwache sowie an „Demokratie leben“, den Flüchtlingsfonds sowie Aktionsfonds der Stadt Mannheim - denn ohne deren finanzielle Unterstützung wäre das inspirierende Jubiläums-Treffen nicht möglich gewesen. Auch im zweiten Jahrzehnt der Vereinsgeschichte, so ist man sich einig, soll gelten: „Alle zusammen – Hilfe statt Hetze“.
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