Diskussion - Sanierung, Abriss, Neubau? Experten und Bürger sprechen über die Zukunft des Nationaltheaters

Unterstützung für Sanierung – Finanzierung noch unklar

Von 
Fabian Busch
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Die Stuhlbezüge im Schauspielhaus mögen abgewetzt, das Gebäude an vielen Stellen marode sein. Eines aber ist klar: Die Mannheimer hängen an ihrem Nationaltheater – auch und gerade in seiner jetzigen Form. Am leidenschaftlichsten sagt es am Donnerstagabend beim Bürgerforum des „MM“ und der Freunde und Förderer des Theaters Opern-Intendant Albrecht Puhlmann: „Das ist ein großartiger Theaterbau, den man in die Zukunft führen muss.“

Die Diskussion vor rund 600 Zuschauern im Schauspielhaus des Nationaltheaters (NTM) ist der Abschluss einer Serie, in der sich der „MM“ ausführlich mit der Zukunft des ältesten städtischen Theaters Deutschlands auseinandergesetzt hat. Klar ist, dass der Bau am Goetheplatz saniert werden muss. Aber ist das wirklich besser als ein Neubau? Und was würde es für den Spielbetrieb bedeuten, wenn das Gebäude mehrere Jahre schließen muss?

Darüber diskutieren Stefan M. Dettlinger, Ressortleiter Kultur, sowie Chefreporter Peter W. Ragge mit den Gästen: Oberbürgermeister Peter Kurz, Architekt Andreas Schmucker, Performance-Künstlerin Gabriele Oßwald und die beiden Intendanten Albrecht Puhlmann und Marc Stefan Sickel. Und natürlich kommen auch die Zuschauer zu Wort.

Architekt Schmucker hat eine Planung für die Generalsanierung vorgelegt – für ihn ist klar, dass das von Gerhard Weber in den 50er Jahren gestaltete Gebäude erhalten bleiben muss: „Das ist einmalig gut, das kann man nicht besser machen.“ Auf die Frage, ob das auch für die eher schmucklosen Klappstühle auf Stahlrohren gilt, antwortet Schmucker mit einem klaren Ja: „Die Anordnung der Stühle ist für mich heilig, sie gehört zum Weberschen Werk und Erscheinungsbild.“ In der späteren Fragerunde macht Zuschauer Gerhart Sammet aber klar, dass die NTM-Besucher durchaus noch Verbesserungsbedarf im Inneren sehen: Ein dritter Handlauf in der Mitte der Treppen etwa sei dringend nötig.

Ersatzspielstätten als Chance

Auch Oberbürgermeister Peter Kurz verteidigt die frühe Festlegung auf eine Sanierung. Die Kosten für einen Neubau, der allen modernen Anforderungen entspricht, taxiert die Verwaltung auf rund 380 Millionen Euro. Eine Generalsanierung dagegen würde – nach jetzigem Stand – etwa 200 Millionen kosten. Kurz gibt zu, dass schon diese Kostenschätzung ihn erschreckt hat. Er zweifelt aber nicht daran, dass das Gebäude erhalten werden muss. „Es ist ein epochemachender Theaterbau der 50er Jahre.“

Doch eine Generalsanierung bedeutet eben auch: Vier Jahre lang müsste das Theater auf andere Spielstätten ausweichen. Vielleicht nach Ludwigshafen oder Schwetzingen oder an Orte wie das frühere Kino im Benjamin-Franklin-Village. Opern-Intendant Albrecht Puhlmann jedenfalls plant bereits für diese Zeit – und hat keine Angst davor. „Ich sehe darin auch eine Chance, näher zu den Leuten zu gehen.“ Ein Beispiel wie die umjubelte Björk-Oper „Vespertine“ zeige, dass das NTM auch neue Besuchergruppen erreichen könne. Schließlich habe das Haus nicht „ein“ Publikum, sondern „viele Publikümer“.

Zuschauerin Nadja Peter sagt, sie habe das Theater „unglaublich wandelbar“ erlebt – und sie will wissen, ob der „MM“ die Arbeit des NTM auch intensiv begleiten wird, wenn es Ersatzspielstätten nutzen muss. Eine Frage, die Peter W. Ragge mit einem klaren Ja beantwortet.

Bleibt noch der eigentliche Knackpunkt: die ungelöste Finanzierung des 200-Millionen-Euro-Projekts. Bisher ist noch unsicher, ob sich Bund und Land an den Kosten für die Sanierung des Theaters beteiligen, das nun einmal in kommunalem Besitz ist.

Oberbürgermeister Kurz macht aber deutlich, dass die Stadt alleine das Projekt „schlicht und einfach nicht tragen“ könne – aus finanziellen wie aus gesellschaftspolitischen Gründen. Gabriele Oßwald, Gründerin von „zeitraumexit“, hat zuvor schon darauf hingewiesen, dass die freie Szene durchaus mit gemischten Gefühlen auf die hohen Summen schaut, die an das NTM fließen. Die Sanierung will die Performancekünstlerin nicht infrage stellen. Aber sie hofft, dass sich das Haus weiter öffnet – gegenüber der freien Szene und den Bürgern ganz allgemein.

Eine „pragmatische“ Frage zum Thema Finanzen hat Zuschauerin Bettina Frowein: Könne man nicht Sponsoren für die Sanierung gewinnen – wie es bei der Kunsthalle gelungen ist? Im Theaterbereich ist das nach Einschätzung des geschäftsführenden Intendanten Marc Stefan Sickel aber schwieriger als in der bildenden Kunst. Gleichwohl könne man Interessenten für einzelne Projekte ansprechen – zum Beispiel für ein Konzertzimmer.

Weniger Zuschauer zu erwarten

Die Hoffnungen ruhen also weiter auf Bund und Land. Und die Zeit eilt: Ende 2022 läuft die Betriebserlaubnis aus. „Was muss bis dahin konkret geschehen, dass diese Sanierung auch stattfindet?“, fragt Horst-Peter Münnichow. Noch vor der Sommerpause soll der Gemeinderat entscheiden, ob das Projekt auf Basis der vorliegenden Planungen weitergehen soll. Für Architekt Schmucker wäre das ein wichtiger Schritt. „Je schneller es losgeht, desto besser.“

Dass es während der Sanierung zu Einbußen bei den Zuschauerzahlen kommen wird, ist nach Einschätzung von Marc Stefan Sickel nicht zu verhindern. „Es geht jetzt darum, in den nächsten Spielzeiten eine möglichst große Bindekraft herzustellen, damit wir aus einer Position der Stärke in die Schließzeit gehen“, sagt der Intendant. Aus dem Publikum versichert der frühere NTM-Schauspieler Michael Timmermann: „Die Mannheimer machen mit!“

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