Mannheim. Italian Sounding ist „in“. Nicht in Italien hergestellte Lebensmittelprodukte und nicht italienische Marken werden dabei in Massen auf den deutschen und internationalen Markt gebracht, die durch missbräuchliche Verwendung von Namen, Bildern und Umschreibungen genau dies suggerieren. Verbrauchertäuschung und großer finanzieller Schaden zu Lasten der italienischen Lebensmittelindustrie sei die Folge.
Laut der „Rundschau für den Lebensmittelhandel“ läge dieser insgesamt bei 60 Milliarden Euro jährlich. Die Coldiretti, die größte italienische Vereinigung für Landwirte und Vertreter der Agrar- und Ernährungswirtschaft, schätzt den Schaden sogar doppelt so hoch. Das Generalkonsulat von Italien in Stuttgart, die Philosophische Fakultät der Uni Mannheim, der Deutsch-Italienische Freundeskreis der Metropolregion Rhein-Neckar und die Anwaltskanzlei Dolce Lauda haben zu einer Tagung zum „Missbrauch des Made in Italy“ eingeladen. In gut vier Stunden beleuchteten Experten das Phänomen Italian Sounding in kultureller, akademischer, wirtschaftlicher und juristischer Hinsicht.
Generalkonsulin Laura Lamia, Initiatorin der Veranstaltung, begrüßte die Gäste herzlich, genau wie Lidia Becker und Amina Kropp vom Romanischen Seminar der Uni Mannheim, bevor Antje Lobin von der Uni Mainz über „Kommerzielle Namen zwischen sprachlicher Kreativität und Pseudo-Italianità“, also „Italianität“, sprach. Supermarktregale seien „fruchtbare Fundgruben für pseudoitalienische Produkte“.
Italian Sounding: Toskana-Traumlandschaft oder Mini-Länderumriss auf der Verpackung
Oft fänden dabei die Landesfarben der Tricolore Verwendung sowie italienische oder ähnlich klingende Namen, wie bei den Produktlinien „Italiamo“ von Lidl oder „Cucina“ von Aldi. Oft seien die Lebensmittel nicht in Italien hergestellt oder es handele sich nicht um italienischen Marken, sondern um die eines deutschen Discounters. Dies untergrabe die jahrhundertealte Tradition und die hohe Qualität der echten italienischen Erzeugnisse. Landesfahne, Toskana-Traumlandschaft oder Mini-Länderumriss fänden zu Unrecht Verwendung. Und Herkunftsvortäuschung widerspreche den Leitlinien für glaubwürdige Verbraucherinformation des 17. Nachhaltigkeitsziels der UNO für nachhaltigen Konsum und Produktion.
Dass das Suggerieren einer nicht den Tatsachen entsprechenden Herkunft nicht auf den Stiefelstaat begrenzt ist, zeigte Romanistin Svenja Dufferain-Ottmann, die über das „Franco-Lavage“, also das Vortäuschen original französischer Marken und Herkunft bei Eigenmarken im Käsesegment deutscher Discounter sprach. Ihre Untersuchung habe ergeben, dass auch hier gezielt mit Klischees, französischen Nationalfarben und Namen wie „Petit Paris“ oder „Père Michel“ gearbeitet werde.
„Netto ist am ehrlichsten, Penny am schlimmsten“, so die Expertin. Denn beim ersten seien viele Käsearten zumindest in Frankreich hergestellt, während bei letzterem dies weniger der Fall sei. Sie schloss: „Foreign Sounding scheint vor allem im niedrigen Preisbereich zu funktionieren.“ Auch griechisch und spanisch anmutende Artikel gebe es.
Florian Kraus (BWL – Marketing & Sales der Uni Mannheim) erklärte mit Biases den Erfolg des Italian Sounding, also systematischen Verzerrungen der Wahrnehmung oder Entscheidungsfindung. Werde ein Anker gesetzt, also eine Vorgabe, die mit bestimmten Eigenschaften in Verbindung gebracht werde, beeinflusse dies nachweisbar das Verhalten, auch beim Kauf. Wirke ein Produkt italienisch, seien die Kunden oft eher bereit, es zu kaufen und mehr dafür auszugeben.
Fachanwalt bei Tagung in der Uni Mannheim: „Die ganzen Produkte wären in Italien illegal“
Roberto Dolce, Fachanwalt für Arbeitsrecht und internationales Wirtschaftsrecht aus Frankfurt, meint: „Der Kampf gegen Italian Sounding ist noch nicht verloren“, und stellte klar: „Auch aus rechtlicher Sicht richtet sich der Kampf zur Verteidigung des Made in Italy und gegen Italian Sounding nicht gegen nicht-italienische Hersteller, sondern gegen die Produkte.“ Inzwischen gebe es den Verein Italian Sounding, der Hersteller- und Verbraucherinteressen vertrete.
„Die ganzen Produkte, die Italianità vortäuschen, wären in Italien illegal“, so der Anwalt weiter. Eine Firma aus dem süditalienischen Campobasso habe dort „deutsche Würstchen“ hergestellt. Sofort sei die Firma von öffentlicher Seite angezeigt, das Produkt beschlagnahmt und eine Strafe verhängt worden. Nicht so in Deutschland. Es gebe das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, aber dabei werde die Polizei nicht automatisch tätig. Sondern es müsse, zum Beispiel von Privaten oder Mitbewerbern, eine Anzeige erfolgen, wonach eine Abmahnung zugestellt werde.
Die Produkte blieben vorerst im Regal. Der Kampf gegen die Vortäuschung des Made in Italy ruhe auf zwei Säulen: der Information und Unterrichtung der Verbraucher und dem konsequenten rechtlichen Vorgehen bei Missbrauch. Dafür müssten italienische Botschaften, Handelskammern und alle anderen Akteure und Einrichtungen zusammenarbeiten.
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