Mannheim. Zehn Minuten, um ein schwieriges wissenschaftliches Thema für die Allgemeinheit leicht verständlich zu machen und dies noch unterhaltsam: Sechs Professoren der Technischen Hochschule und der Universität meisterten dies beim ersten Science Slam Mannheimer Hochschulen, dem „Brainr!ot“ mit viel Applaus der rund 400 Besucher. Dessen Lautstärke diente Co-Moderator Jakob Walter (Online-Redakteur des „Mannheimer Morgen“) als Maß für den Sieger: Hiram Kümper.
Auch das schwierige Thema Quantencomputer war beim Science Slam in Mannheim vertreten
Er war der einzige, der bei seinem Vortrag nahe am Poetry-Slam war: Mit fein abgestimmter Stimme, Gestik und Mimik, Wortspielen und manchmal gereimt redete er allgemein über Wissenschaft: „Wir leben in einer Zeit, in der der Lauteste der Klügste zu sein scheint“ und „Vielleicht dachten wir zu lange, dass Wahrheit sich selbst erklärt“ waren zwei seiner Aussagen.
Allerdings setzte er sich bei der Applaus-Lautstärke nicht sehr deutlich von zwei Kolleginnen ab. Vordergründig ging es beim Vortrag von Beatrice Rammstedt und ihrer Mitarbeiterin Lydia Repke um Alkoholkonsum, eigentliches Thema war jedoch, dass bei Umfragen nur belastbare Daten entstehen, wenn die Fragen gut sind.
„Aufruhr denkender Hirne“
- Science Slam bedeutet Wissenschaftwettstreit, dabei wird in Kurzvorträgen Wissenschaft verständlich vermittelt . Die Veranstaltung wurde Brain R!ot genannt als Gegenpol zum „Brainrot“ (geistige Überlastung durch inhaltsarme Videos).
- Der Brain R!ot soll auch „Aufruhr denkender Hirne“ gegen Wissenschaftsskepsis und Wissenschaftsfeindlichkeit sein.
- Folgende Professoren traten auf: Beatrice Rammstedt (Psychologische Diagnostik und Umfragedesign) samt Mitarbeiterin Lydia Repke; Hiram Kümper (Lehrstuhl Geschichte des Spätmittelalters und frühe Neuzeit) und Eckhard Janeba (Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) von der Universität Mannheim sowie von der Technischen Hochschule Mannheim Georg Krocker (Fakultät für Informationstechnik), Jessica Steinberger (Fakultät für Informatik, Cybersecurity und Digital Forensic) und Stephan M. Altmann (Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen). RoS
Schlecht sei „Wer von Ihnen trinkt generell Alkohol oder hat schon welchen getrunken?“, da zwei Fragen gleichzeitig, die außerdem zu allgemein sind. Gut hingegen: „Wenn Sie Alkohol trinken, wie viele alkoholische Getränke nehmen Sie dann gewöhnlich an einem Tag zu sich?“ mit Beispielen für Getränkemengen.
Für einen Science Slam gibt es in der Alten Feuerwache Mannheim Kritik aus dem Publikum
Das war sicher für jeden Besucher verständlich, ein schwierigeres Thema hatte sich Georg Krocker ausgesucht: Quantencomputer. Diese würden mit Objekten aus der Quantenwelt rechnen, zum Beispiel Atomen. Eckhard Janeba hatte anhand der Stadt Mainz erforscht, ob Geldregen auch einen Geldsegen mit sich bringt: Die Firma Biontech verdiente während Corona besonders gut am Impfstoff, das spülte 3,3 Milliarden Euro in die Stadtkasse.
Ein Problem bei der Untersuchung: „Es gibt kein Placebo“. Während in der Medizin eine Vergleichsgruppe ein Medikament ohne wirksame Inhaltsstoffe erhalten kann, gibt es ein Mainz ohne diese Einnahme als Vergleich nicht. Also mussten vergleichbare Städte gesucht werden.
Jessica Steinberger erklärte „Polyglotte Dateien“: „Da steckt nicht das drin, was es vorgibt. Beispielsweise eine PDF-Datei, die durch Änderung des Kürzels plötzlich anderes preisgibt.“ Damit verstecken zum Beispiel Kriminelle Daten. Stephan M. Altmann hielt seinen Vortrag über stufenweise Verbesserungen sowie „schöpferische Zerstörung“ in der Wirtschaft komplett auf Englisch, was ein Zuschauer kritisierte: „War das jetzt nicht eine heftige Hürde?“
Dass die Vorträge locker, mitunter witzig und zumindest einigermaßen verständlich waren, war kein Zufall: Die Akteure seien professionell geschult worden, verrät Axel Kolaschnik auf Nachfrage. Der Professor für strategische Kommunikation sowie Leiter der Wissenschaftskommunikations-Labors Transforma Comlab führte souverän durch den Abend, er hatte auch die Idee dafür. Weitere Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit und besonders Schüler seien geplant.
Science Slam „Brainr!ot“ in Mannheim bietet Kontrast zu dem, wie Wissenschaft vor Jahrzehnten war
Damit steht die Veranstaltung im Kontrast zu dem, wie Wissenschaft vor Jahrzehnten war: Bei vielen Lehrenden und Studenten war es sogar verpönt, verständlich zu sein, denn nur wer so redete und schrieb, dass es der Fachfremde nicht versteht, gehörte zur Wissenselite. Wenn es Veranstaltungen gab, dann fast immer in den Hochschulen, man wollte unter seinesgleichen bleiben. Undenkbar war, dass sich ein Professor nach seinem Vortrag dem Urteil des Publikums stellte.
Auffällig war beim Brain R!ot außer der hohen Besucherzahl: Nicht Rentner, sondern junge Leute machten die Mehrheit aus. Darunter war Annamaria Walz, die in Karlsruhe „Wissenschaft Medienkommunikation“ studiert. Sie habe ein Grundverständnis von den Themen bekommen, aber „ich dachte, es gibt eher ein Spiel mit Worten wie beim Poetry-Slam und nicht klassische Vorträge“. Lars Erlbeck, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Hochschule, meint: „Es war eine gute Mischung aus geisteswissenschaftlichen und technischen Themen.“
Der Science Slam entstand in Zusammenarbeit mit dem „Mannheimer Morgen“, der zur HAAS Mediengruppe gehört. Geschäftsführer Florian Kranefuß betonte: „Kommunikation ist notwendig für den Wissenschaftstransfer. Eine glaubwürdige Kommunikation schaffen nur freie Presse und andere Medien.“
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