„Ein Roboterhund der Polizei läuft über die Planken und führt Zwangsimpfungen durch.“ Oliver Wasenmüller erinnert sich gut an einen Post im Internet, nachdem während der Corona-Zeit ein Roboterhund durch die Mannheimer Innenstadt Mannheims gelaufen war. Das mit den Zwangsimpfungen war natürlich Unsinn, auch wenn Roboterhunde tatsächlich bei der Polizei eingesetzt werden. Und ein Roboterhund wohnt jetzt auch in der Hochschule Mannheim (HS).
„Grace, heb’ den Ball auf und bring ihn zu einem Menschen.“ Begleitet vom rhythmischen Klopfen ihrer Plastikpfoten dreht sich Roboterhund Grace auf der Stelle um. Mit langsamen, abgehackten Bewegungen läuft sie auf den Ball zu. Stets begleitet vom Rauschen des Computers, der in ihr verbaut ist. Ihr langer, schmaler Hals fährt in einer mechanischen Bewegung nach vorne. Der Greifarm am Ende des Halses, der an das Maul eines Hundes erinnert, schnappt zu und hievt den Ball nach oben. Das wirkt faszinierend und etwas bedrohlich zugleich.
Vorteile von Künstlicher Intelligenz der Bevölkerung aufzeigen
Grace ist das schwarz-gelbe Haustier der Fakultät für Elektrotechnik der HS, die gegenüber von John Deere ansässig ist. Der Roboterhund gehört seit diesem Jahr zum Team von Professor Oliver Wasenmüller. Grace wurde im Rahmen des Projekts TransforMA angeschafft. Ihr Name steht zum einen für General Purpose Robotics for Care and Education (Allzweckroboter für Pflege und Bildung), zum anderen ist es eine Hommage an Grace Hopper. Eine der ersten bekannten weiblichen Informatikerinnen, die unter anderem den Begriff „Bug“ geprägt hat. Die HS untersucht in Kooperation mit der Universität Mannheim unter anderem Technologien, die es Menschen erlauben, mit Robotern zu interagieren.
Das Projekt soll die Bevölkerung auf neue Technologien aufmerksam machen: „Die Idee hinter Grace ist, dass wir Künstliche Intelligenz erlebbar und sichtbar machen wollen. Dass wir der allgemeinen Bevölkerung zeigen, welche Vorteile durch Künstliche Intelligenz entstehen“, erklärt Wasenmüller. Für das Projekt TransforMA haben Wasenmüller und sein Team ein Demoappartement eingerichtet, indem Grace Bewohner bei alltäglichen Aufgaben unterstützen soll. Das könnte in die Praxis umgesetzt werden.
„Roboterhunde könnten zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen oder Reha-Zentren eingesetzt werden, wo Menschen mit Bewegungseinschränkungen zu kämpfen haben. Denkbar ist, dass der Hund Gegenstände bringt, wo sonst der Knopf gedrückt würde, um einen Pflegenden zu holen. Dann könnten sich die Fachkräfte auf andere karitative Aufgaben konzentrieren“, sagt Wasenmüller. Aber Gegenstände holen und bringen ist nicht das Einzige, was Grace kann.
Der Roboterhund kann vorwärts und rückwärts laufen. Treppen auf- und absteigen und sogar Türen öffnen. Selbst das Schreiben haben Wasenmüller und sein Team ihr beigebracht. Mit ihrem Greifarm führt sie einen Stift über den Boden und malt Buchstaben. Den Stift muss ihr ein Mensch im Greifer festklemmen. Außerdem erkennt sie Hindernisse und versucht ihnen auszuweichen. Mehrere Kameras sorgen dafür, dass sie einen Rundum-Blick hat.
Roboterhunde helfen Polizei, Feuerwehr und Industrie
Über ein Tablet kann Grace gesteuert werden. Außerdem kann man auf dem Tablet die verschiedenen Kameras anwählen und sehen, was Grace sieht. „Das Besondere ist, dass wir ihr beigebracht haben, auf Sprache zu reagieren. Das heißt, sie kann Objekte holen, die sprachlich beschrieben werden, auch wenn Grace die Objekte vorher nicht kannte. Davor mussten Robotern die Objekte bekannt sein, sie konnten sie nicht selbst erkennen“, erklärt der Professor. Das Team um Wasenmüller entwirft Applikationen, durch die Grace neue Fähigkeiten erlernt - wie die Spracherkennung. Wenn ein Roboterhund geliefert wird, verfügt er über einige Fähigkeiten, die anderen müssen erst von den Programmierern entwickelt werden. „Sie können sich das vorstellen wie bei einem Baby zwischen Geburt und Kleinkindalter. Auch Grace muss die verschiedenen Fähigkeiten erst lernen. Nur, dass wir sie hier mit Hilfe von Software und KI entwickeln“, veranschaulicht Wasenmüller den Lernprozess. Im Gegensatz zu den meisten anderen Robotern können Roboterhunde wie Grace laut Wasenmüller durch ihre vier Beine über unwegsames Gelände laufen. „Andere Roboter haben meist Räder, so dass sie oft hängenbleiben und auf vielen Gebieten nicht eingesetzt werden können“, erklärt Wasenmüller. Deswegen werden diese Roboterhunde heute schon vielseitig eingesetzt.
Seit April 2023 verfügt die Polizei Baden-Württemberg über einen Roboterhund namens Spot, der zurzeit im Polizeirevier Einsatz in Göppingen die Polizei unterstützt. Laut einem Pressesprecher der dortigen Polizei wird Spot in gefährlichen Situationen eingesetzt. Das kann beispielsweise an einer Brandstelle sein, an der Einsturzgefahr herrscht, oder wenn der Verdacht auf eine Sprengfalle besteht. Außerdem verwische Spot an Tatorten weniger Spuren als Roboter, die mit Ketten oder Rädern betrieben werden.
Aber nicht nur dort kommen sie zum Einsatz, sondern auch in der Industrie. „Sie können Inspektionsaufgaben übernehmen oder auch in gefährlichen Situationen vorgeschickt werden, etwa, wenn eine Flüssigkeit in einer Anlage ausgetreten ist“, sagt Wasenmüller. Auch bei der Feuerwehr können sie zuerst einsturzgefährdete, ausgebrannte Gebäude betreten. Wie die ARD berichtet, arbeitet seit August vergangenen Jahres in einer Müllverbrennungsanlage in Bonn Roboterhund Andie. Er überwacht den Betrieb und erkennt technische Störungen frühzeitig. Auch bei der Deutschen Bahn in München wird ein Roboterhund genutzt. Er patrouilliert auf Abstellanlagen und soll dort Graffiti-Sprayer aufspüren und Vandalismus verhindern.
Besonders bei Frauen Interesse für Elektrotechnik wecken
Roboterhündin Grace wurde von der amerikanischen Firma Boston Dynamics produziert. Laut Wasenmüller ist das Unternehmen Pionier auf diesem Gebiet. „Der Listenpreis für dieses Modell beträgt 200 000 Dollar. Aber natürlich gibt es mittlerweile andere Hersteller, die Roboterhunde für 20 000 oder 30 000 Dollar anbieten. Mit weniger Funktionen.“ Das Projekt TransforMA selbst sei vom Bundesforschungsministerium gefördert worden. Denn die Hochschule verfolgt noch ein weiteres wichtiges Ziel mit Grace: „Wir möchten nicht nur unsere Forschungsarbeit bekannt machen, sondern auch Studierende anlocken und ihr Interesse wecken. Wir hoffen, durch Maschinen wie Grace insbesondere Frauen auf unsere Studiengänge aufmerksam machen zu können.“ Denn die seien an der HS unterrepräsentiert.
Insgesamt seien die Zahlen der Studierenden von Ingenieurwissenschaften rückläufig, trotz hervorragender Job- und Gehaltsaussichten. „Firmen rufen mich regelmäßig an und suchen Mitarbeiter oder jemanden, der eine Abschlussarbeit bei ihnen schreiben möchte“, sagt Wasenmüller. Auch sei Elektrotechnik die wichtigste Disziplin, wenn es um Energieeinsparung und Elektromobilität geht. „Studierende können hier viel bewegen auf dem Feld der Nachhaltigkeit“, betont der Professor. Bald gibt es einen neuen Studiengang: KI-Ingenieurwissenschaft. Dort lernen die Studierenden, solche Maschinen wie Grace zu entwerfen und zu programmieren. Der fakultätsübergreifende Studiengang ist eine Kooperation der Fakultäten Elektrotechnik, Informationstechnik und Informatik.
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