Mannheim. Nicht zuletzt die Bilder, die am Sonntag von Butscha aus in die Welt gegangen sind, sind Zeugnisse eines dramatischen und todbringenden Kriegs, der in der Ukraine wütet: Tausende Menschen sind bereits gestorben, Millionen befinden sich auf der Flucht – viele davon finden sich in den osteuropäischen Städten wieder, mit denen Mannheim partnerschaftlich verbunden ist: Bydgoszcz in Polen; Chisinau, die Hauptstadt Moldawiens – und natürlich Czernowitz. Mit der im Südwesten der Ukraine gelegenen Partnerstadt von Chisinau führt auch Mannheim bereits eine Kooperation, offizielle Partnerstadt ist Czernowitz aber noch nicht. Das soll sich nun ändern – mehrere Fraktionen des Gemeinderats haben für die Sitzung am Dienstag beantragt, die Kooperation zu einer offiziellen Partnerschaft auszuweiten.
„Neue Qualität“ der Kooperation
Die Verwaltung begrüßt diesen Schritt, der ein „wichtiges Signal“ für die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Stadt sei, erklärt David Linse, Fachbereichsleiter Internationales, Europa und Protokoll. Czernowitz wäre die zwölfte Stadt insgesamt und die erste in der Ukraine, mit der Mannheim eine Partnerschaft eingeht. Bereits seit mehreren Jahren kooperieren die beiden Städte bei mehreren Projekten miteinander, häufig unter Einbindung von Chisinau, das mit beiden Kommunen verpartnert ist. So habe es etwa von 2020 bis 2021 das gemeinsame Projekt „Together against Covid-19“ gegeben, bei dem sich die drei Kommunen im Kampf gegen die Pandemie gegenseitig unterstützt haben. Auch wenn die nun angestrebte Partnerschaft „vordringlich eine Reaktion auf den Krieg“ sei, werde diese Partnerschaft auf Grundlage der gemachten Erfahrungen aus den vergangenen Jahren deshalb „auf einem soliden Fundament aufgebaut“, erklärt die Stadt in der Beschlussvorlage. Es könne davon ausgegangen werden, „dass diese vertrauensvolle Zusammenarbeit in Zukunft fortgesetzt werden kann“.
Eine Städtepartnerschaft verhelfe der Zusammenarbeit, anders als bei einer zeitlich begrenzten Kooperation, zu einer „Unendlichkeit“, sagt Linse. „Eine Partnerschaft ist eine neue Qualität.“
Eine neue Qualität, die auch in Czernowitz begrüßt wird. Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre und auch des gegenseitigen Kooperationswunschs sehe die Stadt „großes Potenzial darin, die Partnerschaft mit Mannheim auszubauen“ , erklärt die Verwaltung der Stadt auf Anfrage dieser Redaktion. Zwar sei Czernowitz „eine der wenigen Städte in der Ukraine“, in denen es bislang noch keine Kampfhandlungen gegeben habe – die Situation aber ist angespannt. „Wir hoffen aufs Beste, aber bereiten uns auf das Schlimmste vor“, heißt es.
Hohe Spendenbereitschaft
Bereits mehr als 50 000 Binnenvertriebene habe die Stadt nach eigenen Angaben aufgenommen – 260 000 Menschen leben eigentlich in Czernowitz. Innerhalb eines Monats sei die Stadt so „zu einem der wichtigsten humanitären Zentren in der Westukraine“ und einem „sicheren Hafen“ für Geflüchtete geworden. Die Lage – Czernowitz ist nur etwa 40 Kilometer von der rumänischen Grenze entfernt – sowie die Möglichkeit, in Czernowitz etwa Arbeit, Unterkunft oder medizinische Versorgung zu finden, habe die Stadt zu dem Dreh- und Angelpunkt der Fluchtbewegung gemacht. Zur „Bewältigung dieser enormen Herausforderungen erreichten die Stadt bereits mehrere schriftliche Hilfegesuche des Bürgermeister Roman Klichuk“, erklärt die Mannheimer Verwaltung in der Beschlussvorlage.
Formal sei es für die aktuell nötige humanitäre Hilfe im Übrigen nicht entscheidend, ob eine Stadt mit Mannheim eine offizielle Partnerschaft oder eine Kooperation pflegt, erklärt Linse, der sich bei Mannheimerinnen und Mannheimer für die bislang erlebte „großartige Hilfsbereitschaft“ bedankt. Spenden im Wert von 250 000 Euro seien demnach bereits nach Czernowitz gelangt. Nun sei es wichtig, die Solidarität aufrechtzuhalten.
Hier könnte eine offizielle Städtepartnerschaft einen Beitrag leisten, etwa durch eine noch stärkere emotionale Verbundenheit. Auch Freiburg, das seit 1989 eine Partnerschaft mit der westukrainischen Stadt Lwiw pflegt, in der ebenfalls viele Geflüchtete ankommen, habe das erfahren. Durch „enge Kontakte“, die durch die Partnerschaft entstanden sind, seien die Städte seit Kriegsbeginn „näher zusammengerückt“, erklärt die Stadt Freiburg dieser Redaktion. Es gebe eine „große Solidarität in der Bevölkerung“, die sich mit „unzähligen privaten Hilfsangeboten“ oder auch „Flüchtlingstransporten nach Freiburg“ zeige.
Große humanitäre Belastungen
Der Gemeinderat berät am Dienstag zudem über Hilfsleistungen in Höhe von insgesamt einer Million Euro für Czernowitz, Chisinau und Bydgoszcz. Alle drei Kommunen seien wegen ihren geografischen Lagen „erheblichen humanitären Belastungen ausgesetzt“, heißt es in der Beschlussvorlage. Es gehe deshalb nun um die „Linderung einer humanitären Notlage“. Finanziert werden soll die Hilfe „zunächst aus allgemeinen Finanzen“, heißt es. Hilfsleistungen von einer Millionen nähmen im Jahreshaushalt 2022 genau 0,06 Prozent ein.
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