Ausbildungsmarkt

Trotz Lockdown in Mannheim: 19-Jähriger findet Koch-Lehrstelle

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Wagen trotz Pandemie gemeinsam das „Abenteuer Ausbildung: Küchenmeister Christian Oberthür (v.l.), Wirtin Claudia Oberthür und Koch-Lehrling Danijel im Lokal „Zum Schwarzen Adler“. © Gabriela Crisand/Förderband

Mannheim. „Corona-Starre“, „Lehrstellenmarkt bricht weg“: Schlagzeilen wie diese machen in den Medien die Runde. „Jugendliche sind bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz nicht zu beneiden“, kommentiert Barbara Stanger vom Verein Förderband, der seit mehr als vier Jahrzehnten einen oftmals – auch ohne Pandemie – hindernisreichen Weg in den Beruf ebnet. Die Psychologin weiß, dass dabei maßgeschneiderte Unterstützung besonders wichtig ist. Wie bei Danijel. Dass der 19-Jährige jetzt in der Traditionsgaststätte „Zum Schwarzen Adler“ eine Kochlehre absolviert, verdankt er dem Förderband, das die Wirtsfamilie Oberthür motivierte, sich erstmals auf einen Azubi einzulassen.

Eigentlich hat Danijel, bevor er mit seinen Eltern in die Quadratestadt kam, bereits in Serbien eine Koch-Berufsschule besucht – aber ausschließlich mit theoretischem Unterricht. In dem Balkanstaat gibt es kein betriebliches Ausbildungssystem, sagt Stanger. Danijel hat zwar in der Justus-von-Liebig-Berufsschule mit Unterstützung der Förderband-Pädagogin Petra Schwenn den Hauptschulabschluss geschafft. Gleichwohl fand er keine Lehrstelle: Neben der Pandemie sollten sich seine Sprachprobleme als Hürde erweisen.

Einige Hürden überwunden

Da kamen die beiden Förderband-Leiter Barbara Stanger und Klaus Sommer auf die Idee, in ihrem Stammlokal einfach mal zu fragen, ob sich die „Adler“-Wirtsleute Christian und Claudia Oberthür vorstellen könnten, dem jungen Mann eine Chance zu geben. „Ein Familienbetrieb, in dem man sich kümmern kann – das müsste passen, haben wir überlegt.“

Zunächst zögerte Christian Oberthür. Er selbst hatte in Heidelbergs „Europäischer Hof“ Berufserfahrung gesammelt und im Mannheimer „Lindbergh“ als Chefkoch am Herd gestanden hatte, ehe er 2002 als vierte Generation in die elterliche Gastwirtschaft einstieg und sie später ganz übernahm. Der Küchenmeister gab zu bedenken, dass er im eigenen Lokal noch nie ausgebildet hat – „auch weil unsere Küche nicht sonderlich groß ist“. Allerdings erklärten sich die Oberthürs zu Probearbeiten bereit. „Die Chemie stimmte mit Danijel sofort – auch wenn es mit der Verständigung haperte“, erzählt der Küchenmeister, und seine für den Service zuständige Ehefrau ergänzt: „Wir haben beschlossen, das Abenteuer zu wagen.“

Allerdings ahnte damals niemand, dass Corona nur eine Sommerpause einlegte und ein weiterer Lockdown folgen würde. Rückblickend erstaunt die beiden, wie unbürokratisch die Industrie- und Handelskammer (IHK) den „Schwarzen Adler“ als Betrieb mit Förderausbildung anerkannte.

Danijel, seit September Koch-Azubi, hat einen Traum: „Irgendwann ein eigenes Lokal!“ Der 19-Jährige ist sich bewusst, dass es bis dahin ein weiter Weg ist und er seinen Sprachschatz, insbesondere Fachbegriffe, erweitern muss, um die schriftlichen Prüfungen zu bestehen. „Ich lasse ihn Lebensmittel und Verarbeitungsvorgänge in seiner Sprache benennen, übersetze sie dann ins Deutsche. Und dann heißt es: wiederholen, wiederholen, wiederholen,“ schildert sein Ausbilder.

Stelle in Arztpraxis als Belohnung

Der Küchenmeister hat Abläufe so umstrukturiert, dass Danijel unter seiner Aufsicht arbeiten kann – „er hat schon selbst Krebssoße zubereitet“. Und als der zweite harte Corona-Lockdown zur Restaurant-Schließung zwang, da entschieden sich die Oberthürs auch wegen ihres Lehrlings zum Außer-Haus-Verkauf bestellter Speisen. Auf die Frage, ob sie den Entschluss zum „Abenteuer Ausbildung“ bereut haben, schütteln die Wirtsleute den Kopf – ihr Nein kommt prompt. Und Danijel sieht man trotz Maske die Erleichterung an.

An dem Gespräch mit dem „MM“ nimmt auch Sila teil. Die 17-Jährige, die sich nicht fotografieren lassen möchte, ist dem Verein Förderband ebenfalls dankbar. Sie schildert offen, dass ihre schulischen Leistungen auch ohne Deutsch-Probleme „eine Katastrophe“ waren. Sie habe häufig nichts verstanden. „Und mit dem digitalen Unterricht kam ich gar nicht zurecht.“ Aber dann sollte sich das Blatt wenden: In einer Spezialklasse der Justus-von-Liebig-Schule haben sie Lehrer ermutigt, zu sagen, wenn etwas unklar war. Und Sila hat sich überwunden nachzufragen – „manchmal gefühlte tausend Mal“. Außerdem bekam sie von Marcus Schwalm, Ausbildungsvorbereiter bei Förderband, motivierende Unterstützung.

Stolz erzählt Sila, dass sie in den letzten Monaten nur noch „Zweier und Dreier und keine Fünfer mehr“ bekommen habe. Außerdem hatte sie das Glück, noch vor dem Lockdown in einer Arztpraxis ein Praktikum absolvieren zu können. „Das hat mir super gefallen!“ Sila beginnt dort im Herbst eine Ausbildung als medizinische Fachangestellte. Sie ist sich im Klaren darüber, dass das nur möglich wurde, „weil ich die Kurve gekriegt habe“. Die Förderband-Leiterin nickt: „Aber dazu müssen wir manche Jugendliche erst mal in die Lage versetzen.“

Förderband und Gaststätte

  • Der 1979 gegründete Verein Förderband ist eine Einrichtung der Jugendberufshilfe im Bund der deutschen katholischen Jugend mit vielen Kooperationspartnern. Das Domizil ist in D 4, 4, Telefon 0621/ 16 66 10.
  • Die Gaststätte „Zum Schwarzen Adler“ (D 6, 18) gehört zu den ältesten Wirtschaften in Mannheim.
  • Das Haus wurde als „Zur Pauke“ 1733 erstmals urkundlich erwähnt, 1856 bekam es eine Konzession unter dem heutigen Namen. Seit 90 Jahren ist die Lokalität im Besitz der Familie Berrar-Oberthür. wam

Freie Autorin

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