Justiz

Totschlag-Prozess in Mannheim:„Jakub B. ist von Grund auf böse“

Kehlkopf, Nase, Brust. Piotr W. hatte Verletzungen am ganzen Körper, am Ende starb er. Am vierten Prozesstag um den getöteten polnischen Zeitarbeiter schildert ein Ermittler die Vernehmung eines wichtigen Zeugen

Von 
Agnes Polewka
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Im Juli 2022 sollen zwei Männer – Jakub B. und Andrzej S. – ihren Mitbewohner tagelang gequält und so schwer verletzt haben, dass der 42-Jährige starb. © René Priebe

Mannheim. Wenn ein Mensch stirbt, steht für Freunde, Familienmitglieder und Wegbegleiter die Zeit still. Sie bereiten sich auf den Abschied vor, auf die Trauerfeier als tröstliches Ritual. Häufig ist dann der Satz zu hören: „Wir wollen dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen.“

Als Piotr W. im Juli 2022 in der Neckarstadt-West tot aufgefunden wurde, gab es niemanden, der dem 42-Jährigen die letzte Ehre erwies. Sein Leichnam wurde nach der Obduktion an ein Bestattungsunternehmen übergeben. Seine Familie in Polen lehnte es ab, eine Trauerfeier zu organisieren, eine Überführung des Leichnams anzustoßen, der Spuren eines tagelangen Martyriums trug. Verletzungen an Kehlkopf, Nasenbein und Augenhöhle durch Schläge und Tritte. Seine gebrochenen Rippen durchstachen die Brust. Dadurch löste sich ein Teil der Lunge vom Brustkorb - und Piotr W. erstickte.

Ermittler erinnert sich an Zeugenaussage

Seit Mitte Januar müssen sich vor dem Mannheimer Landgericht zwei Männer verantworten, die Piotr W. so schwer verletzt haben sollen, dass er starb. Andrzej S. und Jakub - „Kuba“ - B. (23) sind wegen Totschlags angeklagt. Bislang schweigen sie zu den Vorwürfen. Sie machen keine Angaben dazu, was zwischen dem 20. und 23. Juli 2022 in der Dachgeschoss-Wohnung in der Bürgermeister-Fuchs-Straße passiert ist, die sie mit Piotr W. und zwei anderen Kollegen einer Zeitarbeitsfirma bewohnten.

Einer dieser beiden Mitbewohner ist als Zeuge nicht vor Gericht erschienen, ein anderer schweigt bislang ebenfalls. Und das, obwohl er unmittelbar nach der Tat sehr viel zu sagen hatte.

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Deshalb sitzt am vierten Prozesstag einer der Ermittler im Zeugenstand, der den Landsmann von Piotr W. zwei Tage nach dem Leichenfund befragte. Der Polizist erinnert sich daran, wie der Zeuge davon erzählte, dass er am besagten Wochenende aus Wismar nach Mannheim zurückgekommen sei, wo er drei Tage lang in einer Wäscherei gearbeitet habe. Wie er Piotr W. „sturzbetrunken“ auf dem Küchenboden liegen sah, inmitten von Kleiderbergen, stöhnend. Und später dann auf dem Boden des Badezimmers, inmitten seiner eigenen Exkremente, sich um die Kloschüssel windend. Mit Schleifspuren auf dem Rücken.

„Hatten Sie zu dem Zeitpunkt der Befragung nicht den Anfangsverdacht, dass der Zeuge sich durch unterlassene Hilfeleistung selbst schuldig gemacht haben könnte?“, fragt der Vorsitzende Richter Joachim Bock. Der Ermittler schüttelt zögerlich den Kopf. „Damals habe ich das nicht so gesehen“, sagt er.

Angeklagter hat kriminelle Vergangenheit in Polen

Nach einer kurzen Pause fährt er fort, mit dem, was der Zeuge ihm berichtet hat. „Er sagte: Jakub und Andrzej haben ihn wie einen Hund behandelt.“ Ihn, Piotr W., der meistens betrunken gewesen sei. Sie hätten nach ihm gepfiffen und mit der flachen Hand auf ihren Oberschenkel gehauen, um W. zu rufen. Dabei sei „Kuba“der Rädelsführer gewesen, Andrzej habe mitgemacht. „Der Zeuge sagte noch: Jakub B. ist von Grund auf böse, er habe eine sehr aggressive Art.“

Eine Dolmetscherin sitzt zwischen Jakub B. und Andrzej S., übersetzt die Sätze des Ermittlers in Polnische. Die beiden jungen Männer hören ihr mit regungslosen Mienen zu. B. hat eine kriminelle Vergangenheit. Er saß in Polen wegen verschiedener Delikte im Gefängnis: Diebstahl, Einbruch, häusliche Gewalt, Sachbeschädigung. Bereits als Jugendlicher kam er in eine Erziehungsanstalt. „Ich habe meinen Eltern immer nur Ärger bereitet“, sagte er zu Beginn des Verfahrens. Durch sein Verhalten, seinen Drogenkonsum. Mit neun Jahren habe er zum ersten Mal gekifft. Mit Zwölf dann der erste Vollrausch. Andrzej S. ist nicht vorbestraft. Zehn Jahre lang habe er die Schule besucht, im Bergbau gejobbt. Das will er wieder tun, nach Ende des Prozesses, sagt einer seiner beiden Verteidiger, der Heidelberger Anwalt, Hermann Seibert, am Rande der Verhandlung im Gespräch mit dieser Redaktion. Ein Mal im Monat skype sein Mandant mit seiner Mutter in Polen.

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Im Zeugenstand neigt sich der Bericht des Beamten seinem Ende zu, der gleichzeitig auch Einblicke in das Milieu der Männer gewährt. Der Ermittler beschreibt den Bericht über einen Besuch im Rotlichtviertel, exzessiven Alkoholkonsum, Müll und Verwüstung. Wie die Männer auf Arbeit gewartet hätten und dazu in der Wohnung ausharrten.

Bevor er zum Ende kommt, berichtet er, wie der Mitbewohner Piotr W. gefragt haben will, warum er nicht einfach gehe, warum er sich das von den beiden anderen Mitbewohnern gefallen lasse. Piotr W. soll geantwortet haben, dass er nicht wisse, wohin er sonst gehen soll.

Der Prozess wird am 1. Februar, 9 Uhr, fortgesetzt.

Redaktion

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