Diese beiden jungen Männer sind wegen Totschlags und einer weiteren schweren Körperverletzung angeklagt? Wieso oft im Gericht könnte das unscheinbare Äußere täuschen: Andrzej S. ist 20, kann aber auch als 16-Jähriger durchgehen. Der nur drei Jahre ältere Jakub B. ist nur gut 1,70 Meter groß. Ende Juli 2022 sollen sie mit drei weiteren Männern in einer von einer Arbeitsvermittlungsagentur genutzten Wohnung in Mannheim untergebracht gewesen sein. Die beiden Angeklagten sollen einen der Mitbewohner zwischen dem 20. und 23. Juli schikaniert, gemeinsam mehrfach gegen den Kopf und den Oberkörper geschlagen und getreten haben. Folge: Verletzungen an Kehlkopf, Nasenbein, Augenhöhle und Brust. Tödlich waren letztlich gebrochene Rippen, die die Brust durchstachen. Dadurch löste sich ein Teil der Lunge vom Brustkorb, letztlich erstickte das Opfer. Dabei hätte womöglich ein Notarzt helfen können, doch der wurde nicht gerufen.
Eine weitere Körperverletzung
Noch schlimmer: Bei dem seit Donnerstag am Landgericht verhandeltem Prozess geht der Staatsanwalt neben dem Totschlag von einer weiteren schweren Körperverletzung aus. Als am 23. Juli gegen 5 Uhr einer der Mitbewohner die beiden Angeklagten nach Hause kam und sie auf den Zustand des Verletzten angesprochen habe, setzte es auch für diesen Schläge und Tritte. Dadurch bekam er schmerzhafte Hämatome am ganzen Körper. Am Nachmittag dieses Tages sollen die beiden Angeklagten die Wohnung schließlich verlassen haben.
Die Polizei wurde erst am 25. Juli vom Vermieter in die Bürgermeister-Fuchs-Straße in die Neckarstadt-West gerufen. Dort fanden sie, so eine als Zeugin aussagende Polizeikommissarin, einen toten Mann im Badezimmer der Dachgeschosswohnung vor. In der verdreckten Wohnung lag überall Kleidung herum, außerdem seien an der Wohnungstür Aufbruchsspuren erkennbar gewesen. Ob diese alt oder frisch waren, konnte die Polizistin nicht sagen. Einige Tage danach wurden die Angeklagten festgenommen.
Am ersten Prozesstag erklärten am Donnerstag die Anwälte, dass ihre Mandanten derzeit keine Aussagen zu Tat machen wollen. Das deutet darauf hin, dass sie auf „nicht schuldig“ plädieren wollen. Ausführlich ging es jedoch um die Lebensläufe der beiden, die sehr unterschiedlich sind - Jakub B. war bereits Jahre im Gefängnis und konsumiert nach eigenen Angaben oft und viel Alkohol und Drogen. Er sei in der Grundschule ein schlechter Schüler gewesen und nach einem Jahr auf einer weiterführenden Schule in eine Erziehungsanstalt eingewiesen worden: „Ich habe mich nicht benommen, meinen Eltern habe ich immer Schwierigkeiten bereitet.“ Dort habe er die Schule und eine Elektriker-Ausbildung abgeschlossen.
Mit 18 wurde er 2017 aus der Erziehungsanstalt entlassen, danach war B. rund zwei Jahre in Haft wegen Diebstählen, Einbrüchen, häuslicher Gewalt und Sachbeschädigungen. Sein Rechtsanwalt Janusch Nagel: „Typische Beschaffungskriminalität.“ Jakub B. berichtet, dass er schon mit rund neun Jahren erstmals Marihuana geraucht habe und mit Zwölf den ersten Vollrausch hatte. Früh habe er Designerdrogen konsumiert, die in Polen eine Zeit lang legal gekauft werden konnten.
Nach der Haft habe er zuerst in Deutschland Jobs gehabt und sei dann in die Niederlande zu Verwandten und Freunden gezogen: „Als Geschenk habe ich ein Kilo Amphetamin bekommen.“ Das habe er zusammen mit Kumpels innerhalb von vier Monaten verbraucht. Später habe er dann auch Kokain genommen, jeweils „nicht unter ein Gramm“. Er ist nach eigenen Angaben drogenabhängig.
Jeden Tag viel getrunken
In den Niederlanden sei Jakub B. mit einer eigenen Firma selbstständig gewesen und habe mit Renovierungsarbeiten rund 5000 Euro monatlich verdient. Dort habe er eine Freundin gehabt, doch sie hätten sich getrennt, und er habe beschlossen, nach Deutschland zu gehen. Weil „die Polizei gut arbeitet, Drogen teurer sind als in den Niederlanden und Alkohol billig“ habe er täglich viel Wodka und Bier getrunken. Sein im Mai geborenes Kind hat Jakub B. bis heute nicht gesehen.
Andrzej S. hat nach eigenen Angaben zehn Jahre die Schule besucht, aber eine Lese- und Rechtschreibschwäche. Seit 2020 habe er in Polen im Bergbau mehrere Jobs gehabt und monatlich knapp 1000 Euro verdient. Er sei im März 2022 nach Deutschland gekommen, weil hier die Löhne höher sind. Abzüglich Miete seien ihm netto um die 1300 Euro geblieben. Sein Plan sei gewesen, ein Jahr in Deutschland zu arbeiten, Geld zu sparen und in Polen eine Schule im Bereich Bergbau abzuschließen. Alkohol würde er nur gelegentlich konsumieren und im Gefängnis arbeiten.
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