Innenstadt

Tops, Flops und Überraschungen des Mannheimer Verkehrsversuchs

Im Herbst will die Stadtverwaltung ein neues Verkehrskonzept für die Mannheimer Innenstadt vorlegen. Die Maßnahmen des beendeten Verkehrsversuchs bewertet sie schon jetzt. Das sind die Ergebnisse

Von 
Florian Karlein
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Mannheim. Erst im Herbst könnte es konkret werden. Zwar hat die Stadtverwaltung jetzt eine Bewertung des Verkehrsversuchs in der Innenstadt vorgelegt und darin die Zahlen bestätigt, die vor mehr als zwei Wochen im Umweltausschuss mündlich präsentiert worden waren. Ein fertiges – und damit abstimmungsreifes – Konzept, wie es mit dem Verkehr in der City weitergeht, findet sich in dem Papier nicht, das hauptsächlich aus dem Dezernat von Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauser stammt, aber auch vom Dezernat von Oberbürgermeister Peter Kurz abgesegnet wurde. Dafür enthält die Vorlage Einschätzungen und Bewertungen einzelner Maßnahmen.

Wann fällt denn die Entscheidung über den Innenstadt-Verkehr?

An diesem Dienstag, 13. Juni, berät und entscheidet der Hauptausschuss über die Vorlage. Darin heißt es, dass die Verwaltung beauftragt werden soll, bis November eine erste Stufe eines Verkehrs- und Gestaltungskonzepts für die Innenstadt zu erarbeiten. Dann soll der Gemeinderat beraten.

Wie beurteilen die Dezernate den Verkehrsversuch?

Die „erprobte Verkehrsführung funktioniert grundsätzlich“. Für die einzelnen Maßnahmen gibt es allerdings kein einheitliches Bild. So habe sich die Erwartung erfüllt, dass der Autoverkehr in Fressgasse und Kunststraße durch den Verkehrsversuch deutlich zurückgeht. Weil gleichzeitig auch der Radverkehr in der Fressgasse stark zugenommen hat, sei deren Unterbrechung „geeignet, dort bessere Bedingungen für aktive Mobilität zu schaffen“. Um die Aufenthaltsqualität in den dadurch gewonnenen Fußgängerflächen dauerhaft zu erhöhen, müsse deren Umgestaltung jedoch planerisch noch entwickelt werden.

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Fällt die Bewertung für die Kunststraße auch so aus?

Nein. Dort fiel der Rückgang des Autoverkehrs mit 25 Prozent niedriger aus als erwartet. Positiver Effekt laut Verwaltung: Radfahrer und Fußgänger konnten die Kunststraße leichter queren. Allerdings, so heißt es wörtlich, erfuhr die Sperrung bei C 1/D 1 „die geringste Akzeptanz“. Auch der „MM“ berichtete mehrfach über Autofahrer, die über den Fußgängerübergang fuhren, um die Sperrung zu umgehen. Mehrfach wurde zwar nachgebessert, aber: „Dieser Teil der neuen Verkehrsführung wäre am schwierigsten in eine dauerhafte, gestalterisch ansprechende Lösung zu überführen.“ Vielfach sei außerdem kritisiert worden, dass durch die Mitteltrennung in der Kurpfalzstraße auch die Ausfahrt aus den N- und M-Quadraten verhindert wurde.

Was sagt das Dezernat zur Fahrradstraße in der Marktstraße?

Die Unterbrechung der Durchfahrt bei D 1/D 2 und E 1/E 2 hat den Autoverkehr deutlich verringert: von 2000 auf 250 Fahrzeuge pro 16 Stunden. Dadurch nahm der Radverkehr vom Marktplatz in Richtung der neuen Fahrradstraße um 80 Prozent zu, in der neuen Fahrradstraße selbst um bis zu 77 Prozent. Außerdem habe die Maßnahme den Verkehrsfluss an der Kreuzung Marktstraße und Fressgasse entlastet. Sollte die Fahrradstraße dauerhaft eingerichtet werden, ist aus Sicht des Dezernats „folgerichtig“, sie in die Straße zwischen D 1 und D 2 zu verlängern.

Wie fällt das Fazit zu Kurpfalz- und Erbprinzenstraße aus?

Eine Zählung in der Erbprinzenstraße Anfang März 2023 ergab ein Drittel mehr Autos als im Oktober 2019. Eine Dauerzählstelle, die im September 2022 installiert wurde, zeige aber, dass das ein Spitzenwert sei. Die Verkehrszunahme lag laut Verwaltung meist niedriger, zwischen 1. September 2022 und 16. April 2023 dienstags, mittwochs und donnerstags sogar unter 20 Prozent. Spitzenwerte seien freitags und samstags erreicht worden. Der Radverkehr nahm parallel um 40 Prozent ab. In der Kurpfalzstraße wurde zwischen C 1 und N 1 das 2,5-fache Autoaufkommen gezählt, die „Radverkehrsmengen haben sich jedoch verdoppelt“.

Welche Überraschungen hat der Verkehrsversuch gebracht?

Das ist die Entwicklung der Verkehrszahlen zwischen A 2 und A 3. Die lagen im Juni 2022 um fast 50 Prozent höher als im Mai 2019 vor dem Verkehrsversuch. Die Belastung sei höher als vorhergesagt, aber „immer noch verträglich“.

Streitpunkt Parkplätze: Wie fällt das Fazit der Verwaltung aus?

Die Parkhäuser, so heißt es in der Vorlage, sind im Schnitt nur zu 60 Prozent ausgelastet. Dass Parkplätze in Fressgasse und Kunststraße für Gastronomie, Pflanzen und anderes genutzt werden, „kann aufgefangen werden“. Gleichzeitig sinkt das Risiko von Radunfällen durch unachtsam geöffnete Autotüren. Dem gegenüber stehe, dass Unterhalt und Pflege der Parklets aufwendig seien: „Bei einer Fortführung der Maßnahme muss eine planerische Lösung zur Umgestaltung entwickelt werden“, heißt es. Eine intensive Beteiligung der Betroffenen bei der Planung von Art, Umfang und Ausgestaltung wird empfohlen.

Hat der Versuch das Poser-Problem gelöst?

Das kann man so nicht sagen. So gaben bei der Umfrage unter Gewerbetreibenden, Anwohnern und Passanten 52 Prozent an, dass sie das Gefühl haben, der Poservekehr wurde klar reduziert. Bei den Verkehrszählungen hat sich aber gezeigt, dass der Anteil des Durchgangsverkehrs in allen betroffenen Straßen in den Abend- und frühen Nachtstunden deutlich steigt – gerade auch in der durch den Versuch ohnehin stärker belasteten Erbprinzenstraße. Das könnte laut Verwaltung an „Poser- und Vergnügungsfahrten“ liegen. Weitere Maßnahmen dagegen müssten eruiert werden.

Äußert sich die Verwaltung zu Anträgen von Fraktionen?

Ja, etwa zum Vorschlag der Grünen, die Fußgängerzone auf Kunststraße, Fressgasse und Abschnitte der Marktstraße zu erweitern. Weil die Vorschläge negative Auswirkung auf das Verkehrssystem hätten oder bisher verfolgten Konzepten widersprächen, erscheinen die Vorschläge aus Sicht der Verwaltung „nicht sinnvoll“. Die Stadt sieht „aktuell keine überzeugenden Auftragserweiterungen“ für die Planung der neuen Verkehrsführung.

Gibt es weitere Stellungnahmen der Stadt?

Die gibt es tatsächlich: Dem Vorschlag einer Gruppe von Gewerbetreibenden, die Fressgasse erst kurz vor der Kurt-Schumacher-Brücke in Höhe E 5/F 5 zu unterbrechen, erteilt die Verwaltung ebenfalls eine Absage. Im März hatte der „MM“ exklusiv über die zehn Thesen der Geschäftsleute aus der City berichtet, nach deren Androhung einer Klage der Verkehrsversuch Anfang des Jahres abgebrochen wurde. Gegenargumente der Verwaltung unter anderem: zu wenig Platz für den Abfluss des Verkehrs und eine deutlich geringere Verkehrsentlastung für den vorderen Teil der Fressgasse.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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