Mannheim. Fressgasse hui, Kunststraße pfui. In weiten Teilen decken sich die Bewertungen des im März beendeten Verkehrsversuchs aus dem Verkehrsdezernat mit eigenen Beobachtungen und Empfindungen. Und trotzdem lohnt ein Blick auf die Details. Und die Schuldigen.
Dass die Unterbrechung der Fressgasse scheinbar gut angenommen wurde, liegt vor allem daran, dass die Autofahrer dort keine Chance hatten, die Regelung zu umgehen. Nachdem die Schranke bei P 1/Q 1 dauerhaft geschlossen war, ging es für sie schlicht und ergreifend nicht geradeaus weiter. Sie wurden gezwungen, das Zentrum über die Erbprinzenstraße in Richtung Kurpfalzkreisel zu verlassen. Als die Schranke noch zeitweise für den Lieferverkehr geöffnet war, nutzten viele dieses Schlupfloch, um die neue Verkehrsführung zu umgehen. Verbotenerweise.
Damit neue Verkehrskonzepte aufgehen, müssen Verkehrsteilnehmer dazu gezwungen werden, sich daran zu halten.
Anders in der Kunststraße. Dort hatten Autofahrer jederzeit die Möglichkeit, die Blockade leicht zu umgehen. Zunächst verkehrswidrig über den Fußgängerübergang, später mit einem U-Turn auf der Kurpfalzstraße hinter der Mitteltrennung. Da zeigt sich: Damit neue Verkehrskonzepte aufgehen, müssen Verkehrsteilnehmer dazu gezwungen werden, sich daran zu halten. Das geht nur baulich, und das ist dann dauerhaft.
Dass das bei Planungen berücksichtigt werden muss, zeigte sich gleich zu Beginn des Verkehrsversuchs im März 2022. Damals musste die Stadt an vielen Stellen nachbessern. So ist es nicht nur deswegen gut, dass die Verwaltung sich Zeit nehmen möchte, ein neues Verkehrskonzept zu erarbeiten, um es dem Gemeinderat im November vorzulegen – gute Ideen, die funktionieren, entstehen nicht im Hauruckverfahren. Schon gar nicht, weil alle Beteiligten mitgenommen werden wollen und müssen. Die Umfragen haben erneut gezeigt, wo die Risse verlaufen: zwischen Gewerbetreibenden und Anwohnern etwa, aber auch unter Anwohnern selbst.
Und noch etwas macht es unumgänglich, ein Verkehrskonzept erst nach dem Sommer vorzulegen. Eines, das jetzt erstellt werden würde, trüge die Handschrift von Peter Kurz. Doch das für Mannheim so eminent wichtige und emotional diskutierte Thema des Verkehrs in der Innenstadt muss zwingend vom neuen Oberbürgermeister oder der neuen Oberbürgermeisterin mitentwickelt werden. Wer im Juni das Rennen um den Chefsessel im Rathaus gewinnt, hat noch genug Zeit, seine Vorstellungen in die Konzeption einzubringen. Denn die sollten die Kandidaten bereits in der Schublade haben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Gute Verkehrskonzepte brauchen Zeit - und Zwang für Autofahrer
Fressgasse hui, Kunststraße pfui - die Bewertung des Verkehrsversuch der Stadtverwaltung teilt auch Florian Karlein. Ein neues Verkehrskonzept braucht Zeit. Er sieht die Schuld aber auch bei Autofahrern