Mannheim. Lärm macht krank. Darum soll es in der Stadt ruhiger werden - indem vielerorts die Autos langsamer fahren müssen: So lässt sich der Lärmaktionsplan zusammenfassen, der am Donnerstag einem Ausschuss des Gemeinderats vorgestellt wird. Ein Überblick.
Was sind die zentralen Folgen des Lärmaktionsplans?
Weitere Geschwindigkeitsreduzierungen im Straßenverkehr - und zwar an 68 Stellen im Stadtgebiet. In fast allen Fällen bedeutet dies: Tempo 30 statt 50. Aufgrund ihrer hohen Lärmbelastung sind zwar mehr Gebiete untersucht worden. An 14 Stellen ist die Stadt jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Abwägung die verkehrlichen Aspekte den Lärmschutz schlagen.
Wo soll künftig ganztägig Tempo 30 gelten?
Auf 51 neuen Straßenabschnitten. Zu den bekanntesten und am meisten genutzten dürften die Waldhofstraße (Neckarstadt-West), die Speyerer und Steubenstraße (Almenhof) oder die Hauptstraße in Seckenheim gehören. Aber auch in der Ilvesheimer Straße (Feudenheim), in der Käfertaler Straße (Neckarstadt-Ost), Auf dem Sand und in einem angrenzenden Teil der B 38 (Käfertal) sowie im Speckweg (Waldhof) und in der Sonderburger- und Lilienthalstraße (Schönau) sollen die Autos langsamer fahren.
Wo soll künftig nachts Tempo 30 gelten?
An 17 Stellen, wie beispielsweise dem kompletten Ring um die Quadrate sowie einem Teil der Bismarck- und der Reichskanzler-Müller-Straße samt deren Verlängerung (Viehof- und Möhlstraße) in Richtung Autobahn 656. Auch in der Neckarauer Straße im Süden, in der Friedrich-Ebert-Straße (Neckarstadt-Ost), in der Seckenheimer Landstraße (Neuostheim) oder in der Neustadter und Mannheimer Straße (Käfertal) heißt es künftig nachts: runter vom Gas.
Wann werden die Tempolimits eingeführt?
Das lässt sich noch nicht exakt sagen. Prinzipiell muss man eine wesentliche Unterscheidung treffen: 31 der geplanten 68 Geschwindigkeitsreduzierungen können nach dem entscheidenden Beschluss relativ zeitnah umgesetzt werden. Für die anderen 37 gilt jedoch: Bevor sie eingeführt werden können, müssen zunächst Ampeln umprogrammiert oder sogar ausgetauscht werden. Und das dauert Jahre: So geht die Stadtverwaltung davon aus, dass nicht alle vorgesehenen Maßnahmen innerhalb der nächsten fünf Jahre realisiert werden können.
Warum hemmen die Ampeln die Tempolimits?
Erstens, weil ihre Schaltung an die veränderte Geschwindigkeit angepasst werden muss: Denn je langsamer der Verkehr fließt, desto länger dauert es, bis ein Straßenabschnitt wieder frei ist. Zweitens ist das Anpassen der Grün- und Rot-Phasen wesentlich aufwendiger, teurer und zeitintensiver, als Laien sich das vorstellen. Und drittens gibt es viele alte Ampeln, die gar nicht umprogrammiert werden können.
Das bedeutet: Erst wenn diese ausgetauscht sind, kommt dort das Tempolimit. Wie hoch diese Hürde ist, beschreibt eine Zahl: Laut Schätzung der Stadtverwaltung müssten rund neun Millionen Euro investiert werden, um die ampeltechnischen Voraussetzungen für die geplanten Tempolimits umzusetzen.
Warum gibt es einen Lärmaktionsplan?
Weil eine EU-Richtlinie von 2002 Ballungsräumen vorschreibt, einen solchen zu erstellen und im Schnitt alle fünf Jahre zu überprüfen sowie eventuell zu überarbeiten. In Mannheim steht nun die vierte Stufe an. Diese zeichnet sich durch zwei wesentliche Neuerungen aus: Teilweise sind die Methoden zur Berechnung des Lärms (es wird nicht gemessen) andere. Zudem gelten strengere Grenzwerte. Im Ergebnis führt beides dazu, dass zu den bisherigen zwölf Maßnahmen 68 weitere hinzukommen.
Wo liegen die neuen Grenzwerte?
Diese sind nicht von der EU vorgegeben: Mannheim hat sie selbst bestimmt – und sich dafür entschieden, die Werte stufenweise von einst 75 Dezibel tagsüber auf jetzt 65 zu reduzieren beziehungsweise nachts von einst 65 auf jetzt 55 Dezibel. Damit entsprechen die neuen Werte auch den Vorgaben des Landes. Zu beachten ist hierbei, dass es sich um eine sogenannte logarithmische Skala handelt. Das heißt: „65 Dezibel werden als halb so laut empfunden wie 75“, erklärt Thomas Kiefer vom städtischen Fachbereich Geoinformation und Stadtplanung, der für den Lärmaktionsplan zuständig ist.
Wie muss man sich das vorstellen?
Nach Angaben des Bundesumweltamtes ergibt beispielsweise eine normale Unterhaltung einen Wert von 50 Dezibel. Ein Radio in Zimmerlautstärke kommt auf etwa 60 Dezibel. Ein Moped wird mit 90 Dezibel veranschlagt.
Welcher Lärm macht krank?
„Ab 65 Dezibel kann es kritisch für die Gesundheit werden“, fasst Kiefer die Lärmwirkungsforschung zusammen. „Ab 70 ist es kritisch für die Gesundheit.“
Wird nur der Straßenverkehrslärm beschränkt?
Ja, weil er laut Kiefer der einzig relevante ist, der ansonsten „wenig bis gar nicht reglementiert ist“. De facto gibt es in Mannheim auch noch 14 Stellen, an denen die Straßenbahnen zu laut sind. In der Abwägung empfiehlt die Verwaltung jedoch dem Gemeinderat, hier keine Maßnahmen zu ergreifen, um die Attraktivität des Nahverkehrs nicht zu beeinträchtigen. Es wird lediglich empfohlen, Pflastersteine durch Asphalt zu ersetzen, wenn die Gleise noch im alten Belag verlaufen – insbesondere auf dem Waldhof (Sandhofer Straße) und in Feudenheim (Hauptstraße). Eine Finanzierung dafür gibt es aber noch nicht.
Reduziert sich der Verkehrslärm durch mehr E-Autos mittelfristig nicht sowieso?
Nein, sagt Kiefer. Zwar bestimme bis zu einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern das Motorengeräusch den Verkehrslärm. Ab Tempo 30 sei jedoch das Reifengeräusch ausschlaggebend: „Akustisch gesehen bringt die Umstellung auf E-Mobilität bei gleichbleibendem Tempo also nichts.“
Wie geht es mit dem Lärmaktionsplan jetzt weiter?
Nach der Information des Gemeinderatsausschusses folgt von 3. März bis 3. April die förmliche Offenlage der Pläne. Das heißt, diese können im Foyer des Technischen Rathauses (Glücksteinallee) und auf der Internetseite der Stadt eingesehen werden. Zudem findet am Freitag, 14. März, um 19 Uhr eine Infoveranstaltung im Stadthaus (N 1) statt. Innerhalb dieses Monats können die Bürgerinnen und Bürger auch Einwendungen vorbringen. Diese werden geprüft und entweder eingearbeitet oder verworfen. Den überarbeiteten Plan soll der Gemeinderat im Juli beschließen.
Wie kann ich Einwendung anbringen?
Entweder per Mail (LMP@mannheim.de) oder per Post (Stadt Mannheim, Fachbereich Geoinformation und Stadtplanung, Sachgebiet 61.2.4 Lärmschutz, Technisches Rathaus, Glücksteinallee 11, 68163 Mannheim).
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-tempo-30-an-knapp-70-weiteren-stellen-in-mannheim-_arid,2286337.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://buergerinfo.mannheim.de//buergerinfo/getfile.asp?id=8216568&type=do
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/seckenheim.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/feudenheim.html
[4] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/kaefertal.html
[5] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/waldhof-gartenstadt-luzenberg.html
[6] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/schoenau.html
[7] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[8] https://www.mannheimer-morgen.demailto:dialogweb.mamo.de/MEC/WebStory/Edit?kId=9800