Bildung

Studierendenwerk Mannheim in offenem Brief: „Bildungsstandort in Gefahr“

Studierendenwerke, darunter das in Mannheim, beklagen in Briefen an den Landtag zu geringe Hilfen. Wird die Finanzhilfe nicht angehoben, müssen Preissteigerungen weitergegeben werden: Essen und Mieten werden teurer

Von 
Sebastian Koch
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Studieren wird teurer: Das Studierendenwerk Mannheim kündigt an, unter anderem die jährlichen Semesterbeiträge erhöhen zu müssen. © dpa

Mannheim. Peter Pahles Worte sind deutlich. Ohne eine Erhöhung der Finanzhilfe müsste sein Studierendenwerk Kostensteigerungen „1:1 an die Studierenden“ weitergeben, kündigt der Geschäftsführer des Studierendenwerks in einem offenen Brief an den Landtag an. Ein „gewaltiges Problem“, wie Pahle schreibt. „Ich sehe den Bildungsstandort zunehmend in Gefahr.“ Auch der Co-Vorsitzende der Studierendenvertretung AStA, Wanja Pasdzierny, und Unirektor Thomas Fetzer sind in Gesprächen besorgt. Fragen und Antworten dazu.

Worum geht es in Pahles Brief und warum die Sorge?

Der Geschäftsführer bezieht sich auf die Verhandlungen für den Landeshaushalt. Das Land unterstützt Studierendenwerke mit einer sogenannten Finanzhilfe, die im Landeshaushalt festgeschrieben ist. Pahle kritisiert, dass diese Hilfe nach aktueller Planung weiterhin auf dem Niveau von 2020 fixiert bleiben soll, obwohl auch das Studierendenwerk Inflation, Kostensteigerungen und Lohnerhöhungen stemmen muss. Neben dem in Mannheim haben auch andere Studierendenwerke im Land an den Landtag geschrieben.

Welche Fördertöpfe gibt es im Studienbetrieb?

Neben der Finanzhilfe für Studierendenwerke fördert das Land über die Hochschulfinanzierung auch Hochschulen. Der Bund fördert über das BAFöG finanziell schwächer gestellte Studentinnen und Studenten. Studierendenvertreter Pasdzierny erklärt, falls die Fördertöpfe des Landes zu gering ausfielen - was ihm zufolge der Fall ist - würden Studentinnen und Studenten das vor allem in der Qualität der Angebote spüren.

Wie hoch ist die Finanzhilfe für die Studierendenwerke?

Laut Pahle bekommt das Studierendenwerk derzeit etwas mehr als 1,5 Millionen Euro pro Jahr, was knapp sieben Prozent der Einnahmen entspricht. Der Betrag ist aber auf dem Niveau von 2020, weshalb das Studierendenwerk zuletzt Kürzungen etwa im Leistungsangebot vorgenommen oder Personal von 240 Stellen vor fünf Jahren auf 202 abgebaut hat. „Personell sind wir an der Schmerzgrenze“, sagt Pahle dieser Redaktion. Durch die „dringend benötigte“ Steigerungen im Tarifvertrag steigen 2025 allein die Personalkosten auf etwa 1 Millionen Euro. Von der Finanzhilfe bliebe dann zu wenig für den weiteren Betrieb, fürchtet Pahle. „Wenn man sich die allgemeinen Preissteigerungen und Tarifsteigerungen anschaut, die wir erleben, ist die angekündigte Nullrunde eigentlich eine Minusrunde.“ Für 2025 plant Pahle defizitär.

Hat das Studierendenwerk auch noch andere Einnahmen?

Ja. Neben der Finanzhilfe finanziert sich das Studierendenwerk auch aus Semesterbeiträgen, Mieten und den die Mensen. Allein für die Schlossmensa fielen allerdings auch „mehrere Hunderttausend Euro Energiekosten im Jahr“ an, sagt Pahle.

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Wird es also teurer, in Mannheim zu studieren?

Davon muss man ausgehen. Pahle kündigt dieser Redaktion an, Menüpreise in Mensen von derzeit drei Euro ab Januar auf vier Euro zu erhöhen. Zudem sollen in Wohnheimen bei Neuverträgen Mieten um bis zu zehn Prozent steigen. Aus organisatorischen Gründen sollen erst im kommenden Herbst außerdem die Semesterbeiträge, die Studierende bezahlen müssen, von 80 auf 100 Euro angehoben werden. Um zu sparen, prüft das Studierendenwerk zudem Kürzungen im Angebot. So gibt es laut Pahle zwar „keine Überlegungen“, etwa die von Studentinnen und Studenten gut frequentierte Psychologische Beratungsstelle aufzugeben. Allerdings müsse man schauen, welche Leistungen dort weiter angeboten werden können.

Wie reagieren die Studierenden auf die höheren Kosten?

„Wenn die Mensapreise von drei auf vier Euro angehoben werden, ist das hart“, sagt Pasdzierny und erklärt, dass das vor allem „bedürftigere“ Studentinnen und Studenten treffe, die keine große finanzielle Unterstützung erfahren. „Die Finanzhilfe für Studierendenwerke ist auch eine Frage der Bildungsgerechtigkeit.“

Weil zuletzt auch eine Erhöhung der Hochschulfinanzierung ausgeblieben ist, fürchtet Pasdzierny auch Kürzungen im Lehrbetrieb. Das erklärt auch Unirektor Fetzer. Vom jährlichen Zuwachs der Hochschulfinanzierung von 3,5 Prozent bliebe durch Preis- und Lohnsteigerungen zu wenig übrig. „Das führt dazu, dass wir irgendwann Kürzungen im Betrieb oder in der Lehre vornehmen müssen.“ So könnten etwa Tutorien und Übungen teilweise wegfallen.

Was sagen Mannheims Abgeordnete zu Pahles Brief?

SPD-Politiker Stefan Fulst-Blei kritisiert eine „allgemeine Unterfinanzierung“ der Studierendenwerke. Aber auch Hochschulen, Universitäten und Schulen gingen zunehmend die Mittel aus, weil die grün-schwarze Landesregierung den Bildungsbereich allgemein vernachlässige. Parteifreund Boris Weirauch fordert die Regierung auf, „ihre zögerliche Sparpolitik“ aufzugeben und den Bildungsstandort zu fördern. „Dafür braucht es Geld für die Studierendenwerke und dringend auch Maßnahmen gegen die strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen.“

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Das Anliegen der Studierendenwerke sei „nachvollziehbar und plausibel“, erklären die Grünen Susanne Aschhoff und Elke Zimmer. „Angemessen finanzierte Studierendenwerke gehören zweifelsfrei zu einem funktionierenden, erfolgreichen Bildungsstandort dazu.“ Sie verweisen aber auf die „angespannte finanzielle Lage“ des Landes. Man investiere im Bildungsbereich in die Sprachförderung, in G9 oder in Hochschulen und Forschung. „Wir sind uns der dringenden Notwendigkeiten bewusst, vergessen die Bedarfe nicht und werden sobald wieder möglich nachlegen“, erklären sie mit Blick auf das Studierendenwerk und versprechen, gemeinsam mit dem Bund Studierendenwerke über Programme zu unterstützen. „Wir arbeiten an Lösungen. Das wird nicht vollumfänglich alle Forderungen erfüllen, aber Abhilfe schaffen.“

Hat Pahle direkte Reaktionen auf den Brief bekommen?

Ja. Der Geschäftsführer hat vergangene Woche mit dem Grünen-Abgeordneten und Vorsitzenden des Arbeitskreises für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Michael Joukov, gesprochen. Der habe einen einmaligen Zuschuss für inflationsbedingte Mehrkosten in Aussicht gestellt. Sollte der in diesem Jahr noch kommen, sei das „temporär hilfreich“, sagt Pahle. „Allerdings wird uns mittelfristig nur ein bessere Finanzierung insgesamt helfen.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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