Mannheim. Da kleben sie. Wieder einmal. Manche schweigen. Andere verteidigen ihre Aktion, argumentieren für Klimaschutz und gegen den klimapolitischen Kurs, der ihnen zu zaghaft, zu unentschlossen, zu inkonsequent ist. Wieder einmal. Fünf Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ haben am Freitagmorgen den Verkehr stadteinwärts lahmgelegt. Wieder einmal.
Vor der Gruppe stehen Autos. Es wird gehupt. Wieder einmal. Es wird geschimpft, beleidigt und auch Verständnis geäußert, wenn doch nur nicht der Geschäfts- oder Arzttermin drängen würde. Wieder einmal.
Und dann sind da noch die Polizeibeamten, die etwa 20 Minuten, nachdem sich die Männer und Frauen auf den Asphalt geklebt haben, vor Ort sind. Wieder einmal. Sie sprechen mit den Aktivisten und Aktivistinnen. Sie schlagen ihnen den Grünstreifen neben der Fahrbahn als Demonstrationsort vor. Es geschieht - nichts. Die Aufmerksamkeit auf der Straße ist wesentlich höher als auf dem abgelegenen Rasen.
Im Grunde genommen gleichen sich die Szenen, die die „Letzte Generation“ verursacht, immer wieder. Auch dieser Morgen unterscheidet sich kaum vom Ablauf der Aktionen der umstrittenen Gruppe in der Vergangenheit: Während die Aktivisten und Aktivistinnen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auf der Wilhelm-Varnholt-Allee kleben, steigen Menschen aus ihren Autos aus. Sie suchen das Gespräch - auch Demonstranten gehen in den Dialog. Argumentativ auf einen Nenner kommen beide Seiten nur selten.
Friedlicher Verlauf
Ein Autofahrer sagt, er verstehe zwar, weshalb sich die Gruppe auf die Straße klebe. „Ich weiß nicht, ob Sie filmen und berichten würden, wenn die Leute auf dem Rasen sitzen“, suggeriert er. „Aber die Aktionen bringen nichts.“ Andere schlagen vor, Aktivistinnen und Aktivisten sollten sich vor den Bundestag kleben.
Nachdem ein wütender Mann fragt, was Rettungskräfte machen, wenn sie in den Stau gerieten, verweisen Demonstranten darauf, dass ein Aktivist nicht angeklebt sei und so eine Rettungsgasse gebildet werden könne. Dass der mutwillig herbeigeführte Stau zeitweise aber bis zur Anschlussstelle Neckarau reicht und so ein Durchkommen auch mit Gasse wohl wesentlich länger dauert, kommt nicht zur Sprache.
Eine Autofahrerin stürmt aus hinteren Reihen nach vorne, bittet, die Straße freizumachen: Sie hat einen Termin. „Ich finde es thematisch okay und kann’s vielleicht sogar verstehen - aber für mich ist das sehr ärgerlich“, sagt sie dieser Redaktion.
Die Stimmung in den ersten Minuten ist hektisch - es bleibt aber den ganzen Morgen über friedlich. Diesen Eindruck bestätigt am Nachmittag die Polizei. „Am Rande der Versammlung ergaben sich teilweise Diskussionen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern und Passanten, die allerdings friedlich verliefen.“
Bürgerinnen- und Bürgerrat gefordert
Aktivist Leo Elgas - er ist heute das Sprachrohr der Gruppe - will mehr Demokratie und Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern beim Klimaschutz. „Unsere Forderung ist ein Bürgerinnen- und Bürgerrat, in dem alle mitreden können“, sagt er - und fordert so im Grunde genommen eine Art neues politisches System in Deutschland, in dem Bürgerinnen und Bürger direkt in die Meinungsbildung integriert werden sollen. Eine Aktivistin meint, man würde Debatten um Klimaschutz wegen Aktionen wie dieser mittlerweile stärker wahrnehmen.
Ein Passant wirft den Aktivistinnen und Aktivisten vor, sie würden den demokratischen Diskurs verlassen. „Sie lassen nur absolute Meinungen zu, wie es nur Diktatoren machen.“ Elgas entgegnet, er kämpfe für Demokratie, weil erst durch die Klimaerwärmung Bürgerkriege und Diktaturen gefördert werden. „Es gibt kein Zurück mehr, wenn wir auf eine zwei Grad wärmere Welt zusteuern.“ Die Diskussion zwischen beiden hält über die Dauer der Blockade an. Das Gespräch wird auf beiden Seiten mit scharfen Argumenten geführt, bleibt aber friedlich.
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Am Nachmittag teilt die „Letzte Generation“ mit, ein Tempolimit von 100 km/h und ein 9-Euro-Ticket zu fordern. Die Forderungen sind seit Wochen bekannt.
Polizei weist Kritik zurück
Mehr als 60 Minuten sind vergangen, bis die Polizei alle Hände vom Asphalt gelöst hat. Die Angeklebten werfen den Beamten vor Ort vor, statt für das Lösen weniger schmerzhaftem Öl Desinfektionsmittel zu verwenden. Erfahrungen hätten gezeigt, dass sich das Desinfektionsmittel besser eigne, erklärt ein Polizeisprecher am Nachmittag dieser Redaktion. „Es handelt sich um medizinisches Desinfektionsmittel, das auch in Kliniken benutzt wird und zudem explizit für die Verwendung auf Händen ausgewiesen ist.“
Man ist wohl kein Prophet, wenn man von weiteren Blockaden ausgeht. Die Bilder werden sich auch dann wieder gleichen. Ob das politisch jemandem hilft?
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