Mannheim. Der Mannheimer Migrationsbeirat fordert rasche Aufklärung der Nazi-Schmierereien auf der Vogelstang. Dort waren an mehrere, teils von Menschen türkischer Abstammung bewohnte Reihenhäuser Hakenkreuze und die Zahl 88 geschmiert worden. Diese verwenden Rechtsextreme analog zum achten Buchstaben des Alphabets als Synonym für „Heil Hitler“.
Nach Auffassung des Migrationsbeirats ist die Tat ein „Angriff auf unsere demokratischen Grundwerte und ein gezielter Einschüchterungsversuch“. Verfassungswidrige Hetzsymbole wie diese stünden für Ausgrenzung, Rassismus und eine menschenverachtende Ideologie, „die in unserer Stadtgesellschaft keinen Platz haben“. Nötig sei eine schnelle und lückenlose Aufklärung, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden könnten.
Zu den laufenden Ermittlungen will sich ein Polizeisprecher nicht äußern
Zum aktuellen Sachstand will sich Polizeisprecher Michael Klump unter Verweis auf laufende Ermittlungen nicht äußern. Zur Frage, ob sich derartige Vorfälle in Mannheim in der jüngeren Vergangenheit häufen, hatte er ans Landeskriminalamt (LKA) verwiesen. Nur dieses dürfe über die in der Kriminalstatistik erfassten politisch motivierten Straftaten Auskunft geben.
Auf eine entsprechende „MM“-Anfrage hat das LKA nun Zahlen aus Mannheim zusammengestellt. Demnach haben politisch motivierte Sachbeschädigungen – in diese Rubrik fallen Hakenkreuz-Schmierereien – hier 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 23 auf 35 zugenommen. Also um mehr als die Hälfte (52,2 Prozent). Aber erstens passiert ein derartig hoher prozentualer Anstieg bei niedrigen absoluten Zahlen schnell. Zweitens zeigt ein Blick auf den Fünf-Jahres Verlauf (siehe Grafik), dass es 2021 mit 33 politisch motivierten Sachbeschädigungen eine ähnliche Größenordnung gab. Diese Zahlen pendeln also, ohne dass sich ein klarer Trend erkennen lässt.
Zahl der Sachbeschädigungen 2024 um 52,2 Prozent gestiegen
Bei den politisch motivierten Straftaten insgesamt – darunter fallen von Vereinsrecht-Verstößen über Gewalttaten bis zu Terrorismus alle Delikte – gibt es dagegen eindeutig eine kontinuierliche Zunahme. Zwar lag die Zahl der Taten 2024 mit 211 um zwei geringfügig niedriger als im Vorjahr, aber deutlich höher als 2020, als es nur 118 waren. Danach ging es beständig nach oben.
Etwas überraschend wirkt an der Polizeilichen Kriminalstatistik, dass bei den politisch motivierten Sachbeschädigungen – Stichwort Hakenkreuze – im vergangenen Jahr von den insgesamt 35 lediglich vier Rechtsextremen zugerechnet werden. In zehn Fällen sollen die Täter Linksextreme sein. In dreien wird von einer „ausländischen Ideologie“ ausgegangen, 18 fallen in die Rubrik „sonstige Zuordnung“.
Was die Nazi-Symbole auf der Vogelstang angeht, macht Michael Baudermann aus Feudenheim unterdessen die Redaktion darauf aufmerksam, dass im dortigen Bürgerpark im Mai Sitzbänke ebenfalls mit Hakenkreuzen beschmiert gewesen seien. Die Tatorte liegen nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt, da könnte es also einen Zusammenhang geben. Das hält auch Shirin Ziden für möglich, stellvertretende Vorsitzende der SPD Vogelstang. Sie hatte den „MM“ über den Vorfall als Erste informiert.
Hakenkreuze auf der Vogelstang: Mindestens acht Häuser betroffen
Ziden hat mittlerweile erfahren, dass sogar acht Häuser betroffen sein sollen. Anfangs hatte sie nur von drei nebeneinanderliegenden Reihenhäusern gewusst. Sie nennt es zwar beruhigend, dass es bei politisch motivierten Sachbeschädigungen in Mannheim im Fünf-Jahres-Vergleich nur ein Auf-und-Ab gibt. Aber die kontinuierliche Zunahme bei den politisch motivierten Straftaten insgesamt sei schon alarmierend. Daher freue sie sich auch, dass sich nun der Migrationsbeirat zu dem Vorfall auf der Vogelstang äußere.
Diese Schmierereien sind kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines latenten gesellschaftlichen Problems.
In der Stellungnahme des Gremiums heißt es auch: „Diese Schmierereien sind kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines latenten gesellschaftlichen Problems, dem wir mit entschlossenem Handeln begegnen müssen.“ Mannheim sei und bleibe eine Stadt der Vielfalt, rassistische Angriffe dürften hier niemals Normalität werden.
Migrationsbeirat appelliert an alle Mannheimer
Der Migrationsbeirat ruft nicht nur Kommunalpolitik, Institutionen und Vereine, sondern alle hier lebenden Menschen auf, sich gegen jede Form des Extremismus und gegen jeden Versuch der Verharmlosung zu stellen. „Melden Sie Vorfälle, sensibilisieren Sie andere und lassen Sie uns gemeinsam für ein friedliches, respektvolles Zusammenleben in unserer Stadt einstehen!“
Notwendig seien überdies mehr Prävention an Schulen und Solidarität mit Opfern. „Unser tiefstes Mitgefühl gilt allen Betroffenen“, schreibt der Migrationsbeirat. Für jene auf der Vogelstang gelte jetzt: „Ihr seid nicht allein.“ Hass und Intoleranz am eigenen Leib erfahren zu müssen, sei sehr verletzend.
An diesem Mittwoch Thema im Bezirksbeirat Vogelstang?
Ziden könnte sich auch vorstellen, dass das Thema in der Sitzung des Bezirksbeirats Vogelstang an diesem Mittwochabend angesprochen wird. Beginn ist um 19 Uhr. Da steht unter anderem die Polizeiliche Kriminalstatistik in dem Stadtteil auf der Tagesordnung. Dass dazu extra ein LKA-Vertreter aus Stuttgart anreist, ist zwar extrem unwahrscheinlich. Aber vielleicht lässt sich ja doch mal jemand vom Mannheimer Präsidium etwas über politisch motivierte Taten entlocken.
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